Planung auf der Sonnenseite
Photovoltaik spielt eine Schlüsselrolle beim Erreichen der Klimaziele, doch die neue, gesetzlich verankerte Solarpflicht stellt viele Planungs- und Bauunternehmen vor neue Herausforderungen. Cloud-basierte KI-Software machen die Planung von Solaranlagen im Zuge von Bauprojekten nun erheblich leichter und effizienter.
Text: Christoph Becker
Cloudbasierte KI-Software wie Autodesk Spacemaker unterstützt die Entwicklung nachhaltiger Gebäude
bereits in frühen Entwicklungsphasen
Foto: Spacemaker, Autodesk
Der Klimawandel in Kombination mit dem stetigen Bevölkerungswachstum und der rasanten Urbanisierung stellt Stadtplaner:innen vor immer größere Herausforderungen. Denn Architekturbüros, Bauindustrie und Stadtplanungsämter haben nicht nur die Aufgabe, möglichst lebenswerte Quartiere auf engstem Raum, unter wachsendem wirtschaftlichen Druck und strengeren gesetzlichen Bestimmungen zu errichten – sie müssen das auch optimalerweise leisten, ohne einen merklichen CO2-Abdruck zu hinterlassen. Auch die fertigen Quartiere selbst sind im Idealfall klimaneutral. Um das zu erreichen, kann es notwendig sein, die Flächen der Bauten und Grundstücke zur nachhaltigen Energieerzeugung zu nutzen – anders gesagt: Die Installation von Solarpanels im Rahmen von Bauprojekten wird immer wichtiger, um Klimaziele zu erreichen. Der geringe Produktions- und Installationsaufwand in Kombination mit der wachsenden Effizienz von Solarpaneelen – inzwischen werden Photovoltaik-Anlagen mit einem Wirkungsgrad von bis zu 50 % entwickelt – machen die Technologie zu einem probaten Mittel, um die Klima- und Energiekrise effektiv zu bekämpfen.
Folgerichtig erfreut sich die Photovoltaik immer größerer Beliebtheit. 2,2 Mio. Solaranlagen erzeugten bereits 2021 ca. 51 Terrawattstunden (TWh) Strom in Deutschland – das entspricht immerhin bereits knapp 10 % des Bruttostromverbrauchs. Diese Zahl wird in den kommenden Jahrzehnten noch deutlich steigen, denn die Politik hat im Rahmen ihrer Klimaziele Gesetze verabschiedet, die den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen bei Bauprojekten zur Pflicht machen: Bundesweit müssen im Zuge der Planung von Gewerbeprojekten wie Einkaufszentren, Büros, Supermärkten, Parkplätzen und Lagerhallen fortan auch immer Solarpaneele an geeigneter Stelle eingeplant werden.
Die Regierungen von Berlin und Baden-Württemberg gehen sogar noch weiter: Hier besteht fortan Solarpflicht für Neubauten aller Art sowie bei grundlegenden Dachsanierungen. Berlin will so bis zum Jahr 2050 erreichen, dass ein Viertel des Gesamtstrombedarfs über Photovoltaik abgedeckt wird.
Mithilfe der Solarmodulanalyse wird das Solarstrompotenzial auf dem Berliner Flughafen geschätzt
Foto: Spacemaker, Autodesk
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen stellen Stadtplanung und Bauindustrie allerdings auch vor zusätzliche Herausforderungen, denn Photovoltaikanlagen wurden bislang selten von Beginn der Planungsphase an mitgedacht. Der bauliche Mehraufwand sowie eventuell auftretende Komplikationen und Verzögerungen tragen im schlimmsten Fall dazu bei, dass die positive Wirkung der Solaranlagen teilweise verpufft. Planungsverantwortliche sind demnach in der Pflicht, Methoden zu entwickeln, welche die Installation der Solaranlagen möglichst reibungslos ermöglichen.
Digitalen Technologien kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Sie greifen Architekt:innen und Stadtentwickler:innen bereits seit geraumer Zeit dabei unter die Arme, größere Planungssicherheit im Rahmen von Bau- und Bewirtschaftungsvorhaben zu erlangen: CAD-Software zur 3D-Modellierung, Building Information Modeling-Anwendungen (BIM) oder digitale Zwillinge ermöglichen etwa, weite Teile des Planungszyklus bis zur Bewirtschaftung digital darzustellen. So behalten die Beteiligten gewerkeübergreifend den Überblick über zahlreiche Faktoren wie Maße, Baumaterialien, Termine, Nutzung von Heiz- und Energiesystemen und vieles mehr. Lediglich in den frühesten Planungsphasen fehlte es bislang an digitalen Mitteln, um Planer:innen effizient bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei wird gerade in diesen Phasen über bis zu 50 % der späteren Gebäudewertschöpfung entschieden. Technische Lösungen, die auf Basis früher Machbarkeitsstudien entwickelt werden, wirken sich maßgeblich auf alle folgenden Phasen des Gebäudelebenszyklus aus und lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt oft nur mit großem Aufwand korrigieren.
Ein weiteres Szenario zeigt das Solarpotenzial der
externen Parkplätze am Berliner Flughafen
Foto: Spacemaker, Autodesk
Generatives Design
Generatives Design erschließt auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI) nun auch diese Phasen der Bauplanung. Anwendungen wie die Cloud-basierte Plattform Spacemaker des Softwareherstellers Autodesk geben Architekt:innen und Planenden die Möglichkeit, verschiedene Baumöglichkeiten einfach im Rahmen digitaler Modelle auszutesten und zu beurteilen. Tests, deren Durchführung bislang mit teils großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden waren, sind dank generativem Design innerhalb weniger Klicks machbar.
Das gestaltet die Planung nicht nur deutlich effizienter; Planer:innen werden aufgrund der risikolosen Testumgebung auch dazu inspiriert, verschiedene kreative Entwurfsvarianten innerhalb kürzester Zeit digital auszuprobieren und so optimale Lösungsansätze zu finden. Auf Wunsch liefert die KI Vorschläge auf Basis zuvor festgelegter Parameter – so erhalten die Planungsverantwortlichen potenziell Anregungen, auf die sie selbst eventuell gar nicht gekommen wären. Im Gegensatz zu anderer generativer Design-Software, die oft eher technisch ausgerichtet ist, ist Spacemaker zudem intuitiv und einfach zu bedienen. Analyseergebnisse werden klar im Entwurf visualisiert und es wird anhand der 3D-Modelle in Echtzeit deutlich, wie sich Änderungen auf zahlreiche Faktoren auswirken.
Zu diesen Faktoren zählen zum Beispiel auch Einwirkungen von Sonne oder Wind, Gebäudebetriebsenergie und Lärmentwicklung, die von der KI berechnet werden können. Planende können demnach bereits von Beginn der Konzeptplanung an sicherstellen, dass Quartiere auch bei hoher Baudichte maximal lebenswert gestaltet sind. Dunkle, laute, zu heiße oder zu kalte Bereiche werden im 3D-Modell in Echtzeit ersichtlich. Die KI liefert auf Wunsch Vorschläge, wie sich die Probleme am effizientesten lösen lassen. So wird die Planung nicht nur signifikant beschleunigt, es werden auch schnell optimierte Lösungen erzielt.
Photovoltaik von Beginn an mitdenken
Eines der neuesten Tools von Spacemaker ist die Solarmodulanalyse, dank derer sich in kurzer Zeit das Solarpotenzial von Entwurfsvarianten berechnen lässt. So können Planungsverantwortliche innerhalb weniger Klicks erschließen, an welchen Stellen die Installation von Photovoltaikmodulen den größtmöglichen Energieertrag erzielt. Hierzu zieht die Software die bereits bestehende Sonnenanalyse heran und ergänzt zahlreiche weitere komplexe Faktoren, die über Wetterdatenbanken bezogen werden, etwa diffuse Sonneneinstrahlung oder Störelemente wie Bewölkung, Dunst und Nebel. Außerdem wird der Wirkungsgrad der jeweiligen Solarpanele betrachtet. So kann eine möglichst genaue Voraussage darüber getroffen werden, wieviel Energie im Laufe des Jahres an bestimmten Stellen erzielt werden kann. Photovoltaik kann so von Beginn der Planung an mitgedacht und das Energieerzeugungspotenzial von Gebäuden und Grundstücken besser ausgeschöpft werden. Insbesondere, wenn Nachhaltigkeitszertifikate oder Netto-Nullenergie-Gebäude angestrebt werden, schafft die Solarmodulanalyse eine belastbare Ausgangsbasis.
Die Funktionsweise der Solarmodulanalyse veranschaulicht Spacemaker anhand einer fiktiven Studie, die am Beispiel des Flughafens Berlin-Brandenburg vorgenommen wurde. Die Analyse ergab, dass die Installation von Solarpanels auf den Flachdächern des Geländes mehr als 4,5 Mio. kWh Energie pro Jahr erzeugen könnte – bei einem moderaten Wirkungsgrad von 15 %, einer Installation auf 60 % der Dachfläche sowie einer geteilten Ausrichtung nach Osten und Westen. Dieser Energieertrag entspricht dem Jahresverbrauch von knapp 400 Wohnungen mit einer Größe von ca. 60 m².
Weiteres Solarenergiepotenzial bergen die drei externen Parkplätze. Diese zu 60 % mit Solarpanelen zu überbauen, würde dazu führen, dass der Flughafen weitere ca. 2,2 Mio. KWh pro Jahr erzeugt.
Der Use Case zeigt, dass eine Solarmodulanalyse nicht nur dabei unterstützen kann, Neubauprojekte mit geringem Planungsaufwand so nachhaltig wie möglich zu gestalten, sondern auch, wie das Potenzial bereits bestehender Bauten und Quartiere ausgeschöpft werden kann. Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Anwendungen wie Spacemaker werden in Zukunft einen signifikanten Beitrag dazu leisten, anvisierte Klimaziele zu erreichen und den Grundstein für Quartiere zu legen, die den ambitionierten Nachhaltigkeitsansprüchen der Zukunft gerecht werden.