Ikea in deiner Nähe

In Hamburg-Altona hat sich der Senat eines Bürgerbegehrens positiv angenommen: Ikea zieht ins Viertel und kommt dir ganz nah

Warum sollten es die Hamburger leichter haben? Leichter, als die Frankfurter, die Münsteraner oder Kölner, Münchener oder Berliner? Fragt man die Menschen, die Bürger dieser Städte nach ihren Stadtträumen, dann sehen die meist grün aus; Gründerzeitvillenviertel, kleinteiliger Einzelhandel, verkehrsberuhigt, günstiger Wohnraum, Freiflächen für Kinder, Nachbarschaft. Natürlich sollten die Wohnflächen groß genug sein, die Ausblicke nicht auf Brandwänden oder über Parkplätzen enden, sollten die Autos vor der Haustür abzustellen sein und die Einkaufsmöglichkeiten so, dass das Preisniveau der Tante-Emma-Nachfahren dem der Discounter entspricht. Auch sollten mögliche Fachwerkhäuser hohe Decken haben, lichte Räume und nicht allzu steile Treppen. Ein Garten vielleicht noch vor der Tür, Abstand zum Nachbarn, vielleicht ein kleines Schloss, das fußläufig zu erreichen wäre, der Bahnhof, der Flugplatz und selbstredend die Lieblingskneipe, Bar, Thermalbad, Tennisplatz ... es gibt ja so viel zu träumen!

Disparat nennt man das, widersprüchlich. Alles wollen, aber wenig dafür (auf)geben. In Hamburg entschieden sich im letzten Jahr in einem Bürgerbegehren 77,2 Prozent von etwa 82.000 (von insgesamt 186.000) Wahlberechtigten in Altona für eine Ikea-Filiale in der Innenstadt. Das wäre – so schrieben die Kommentatoren vor Wochen noch – einmalig in Deutschland. Es ist einmalig, so muss man jetzt schreiben, denn aktuell hat der Hamburger Senat das Verfahren zum Bau der Ikea-Filiale in Altona an sich gezogen.

400 Arbeitsplätze soll der Einrichtungsladen, in welchem wegen seiner innerstädtischen Lage „nur Kleinmöbel“ (Ikea) angeboten werden sollen, der Hansestadt bringen. Untergebracht wird der Neubau auf dem Gelände des Frappant-Kaufhauses, das schon seit 2003 leersteht und erst in den letzten Monaten von rund 130 Künstler genutzt wurde, die hier u. a. ihre Arbeiten einem kaufwilligen Publikum anboten. Für die Künstler will die Stadt, sensibilisiert durch die jüngsten Auseinandersetzung im Verkauf und Rückkauf des Gängeviertels, Ausweichflächen in der ehemaligen Viktoria Kaserne beschaffen.

Das Frappant-Kaufhaus, ein Siebzigerjahre Betonklotz in der Bergstraße, ein paar hundert Meter östlich vom Altonaer Bahnhof entfernt, soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Ob die 62.412 Pro-Ikea-Stimmen sich – wie bei jedem anderen Ikea-Kaufhaus auch – in ihre Fahrzeuge setzen werden, um Billy und Co. im Kofferraum nach Hause zu fahren, möchte man nicht hoffen. Und zunächst gilt ja auch das Versprechen der Schweden, hier nur Kleinmöbelvieh zu verkaufen; aber das macht bekannterweise auch Mist.

Und nicht zuletzt: Es stimmt schon nachdenklich, wenn bei der Frage Ikea? Ja oder nein? mehr Bürger zur Wahl gehen, als bei der vergangenen Europawahl. Hier müsste man vielleicht einmal nachfragen, ob erstens der Wunsch nach Möbel- oder Multimediakonsum (Mediamarkt, Saturn u. a.) die Gehirnwindungen unserer mündigen Bürger stärker reizt als essentielle Umwelt- oder Sicherheitsdebatten im fernen und doch so direkt wirkenden Brüssel? Und zweitens: Gehört die Stadt der Mehrheit (Ikea-Konsumenten) oder einer auf Privatisierung setzenden Investorenklientel mit ihren Strohmännern/-frauen in den Stadtparlamenten? Wahrscheinlich beiden. Ikea, das ist immerin gewiss, wird bald noch näher an die Menschen im Lande gerückt sein. Die jetzt noch im Internet angeobtene Suche "Ikea in deiner Nähe" dürfte bald überflüssig werden, denn dann ist Ikea angekommen, endgültig vis-a-vis. Be. K.

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