Centre Pompidou de la musique
Die "Philharmonie de Paris" von Studio Jean Nouvel ist (vorzeitig) eröffnet worden 22.01.2018Zur vorzeitigen Eröffnung der Philharmonie de Paris ist ihr Architekt nicht gekommen. Jean Nouvel jedenfalls kommentierte den Frühstart als genau diesen, seiner Auffassung nach ist der Bau, der aktuell mit sein Gala-Konzerten gleichsam inoffiziell der Stadt übergeben wurde, noch nicht fertig. Und das nicht bloß baulich, auch richtig eingestellt sei die Akustik der großen Konzerthalle noch nicht. Aber nicht allein die aus Architektensicht wohl eigenmächtige Eröffnung stört den Mann, der für seinen wunderbaren Kunst- und Kongress- und Musik-Bau am Luzerner See (1998 eröffnet) beste Kritiken erhalten hat. Es stört ihn auch, dass man ihn dafür verantwortlich macht, dass sich die Baukosten verdoppelt haben, von rund 200 Mio. € auf etwa 380 Mio. €. Verantwortlich dafür seien, so die Stadt Paris, die zweijährige Bauverzögerung und die rasant gestiegenen Baustoffkosten.
Gegen Entwürfe von Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au, MVRDV, Francis Soler und Christian de Portzamparc hatte Jean Nouvell 2007 den Wettbewerb gewonnen. Mit einem Entwurf, der sich direkt gegenüber der Cité de la Music (Christian de Portzamparc) im Parc de la Villette aufbaut, so als sei er zuerst da gewesen. Und nicht die Cité oder die 26 rot gestrichenen folies von Bernard Tschumi. Eigenartig gequetscht steht der massige Bau heute da, direkt positioniert an der Port de Pantin, einer dieser hochfrequentierten Auslässe des die Innenstadt umschließenden Boulevard Périphérique. Hier möchte Paris wieder einmal klar machen, dass es zwar ein soziales Gefälle zwischen binnen und außen gibt, das allerdings sei auch aufzulösen. Durch Kultur beispielsweise, Kultur für alle.
Dieser Anspruch ist Thema des Entwurfs von Nouvel, der die Öffentlichkeit seiner Architektur herausstellt wo er kann. Öffentlicher Platz, öffentliche Binnenzonen, eine öffentlich begehbare Hülle … Und: Der auf den ersten Blick nur für Symphonieorchester ideale Spielort ist tatsächlich anpassbar; für jeden Musikgeschmack eben, auch für den jenseits des Boulevards. Überhaupt der Große Saal: Platz für 2400 ZuhörerInnen, eine Mischung aus klassischem Schuhkarton und Weinbergprinzip. Unter seiner Decke schweben Beleuchtungs-, Klimatisierungs- und Akustiksegel, die wie manches andere auch an die Elbphilharmonie in Hamburg erinnern. Die Wände mit Gipsmodelierungen für einen optimalen Klang. Golden gelbe Farbtöne gegen klares Weiß und Schwarz, das Parkett ist für Rockkonzerte anpassbar, dann sollen bis zu 3600 Fans ihrer Band zujubeln können.
Rund um den großen Saal gibt es sechzehn Proberäume, der größte davon hat eine gleichgroße Bühne wie die im Großen Saal. 200 ZuhörerInnen könnten hier in möglichen öffentlichen Proben mit dabei sein. Zu den Musiksälen kommen 2000 m² Fläche für Bildungs- und Jugendarbeit, 800 m² Ausstellungsfläche, eine Bibliothek, ein Shop und ein Panoramarestaurant auf dem Dach. Und Technikräume jede Menge.
Die Fassadenhaut besteht aus 280.000 Aluminium- beziehungsweise Zementplatten. Ihre Form ist die eine Vogels im Flug und variiert lediglich 7 mal. Eine vergleichbare Haut findet man am Konzerthaus Erl (Faserzement. Arch.: Delugan Meissl). Die von Weitem wie geschuppte Haut soll das massige Volumen auflösen, das Flimmern draußen vom Flimmern spannungsvoller Kunst drinnen erzählen.
Mittlerweile ist die Cité de la Musique zur „Philhamonie 2“ ernannt worden, „Philharmonie 1“ wird ihren offiziellen Eröffnungstermin wohl erst im Sommer haben. Dann, wenn die Bauarbeiter das Haus verlassen haben und Jean Nouvel mit der Feinabstimmung der Äkustik zufrieden ist, die auf eine Planung durch Yasuhisa Toyota und abschließend durch den der Neuseeländer Harold Marshall zurückgeht. Yasuhisa Toyota ist auch der für die Elbphilharmonie zuständige Akustiker. Dann wird der Architekt auch schon beurteilen können, ob die Musikhalle tatsächlich mehr geworden ist, als eine Musikhalle für die an Statusfragen orientierten Pariser, nämlich ein „Centre Pompidou de la musique“, wie er sein neuestes Bauwerk in einem Interview anlässlich der Früheröffnung gerne bezeichnet. Ein Ort eben, nicht bloß eine Adresse im Veranstaltungskalender der Hochkulturbeflissenen. Be. K.