Interferenzen. Eine Ausstellung

Die Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt a. M. befasst sich mit deutsch-französischer Architektur- und Geschichte ...

Wieder einmal eine großartige Ausstellung im DAM, und wieder einmal kommen einem Zweifel, ob das von Oswalt Mathias Ungers geplante Raumkonstrukt für Ausstellungen wie diese überhaupt geeignet ist. Dämmrig müssen die Räume auf der Erdgeschoss- und OG-Ebene sein, damit die teils höchst empfindlichen Exponate keinen Schaden nehmen.

Aber wer an einem dämmrigen Tag - und davon haben wir jetzt bis Januar 2014 sicher noch eine Menge - ins DAM sich aufmacht, wird das Tageslicht nicht vermissen. Ohnehin wird das ansonsten vorherrschende Weiß der gar nicht so neutralen Räume in der aktuellen Ausstellungsinszenierung durch klassische Ausstellungsfarben überflüssig gemacht: gebrochenes Rot, Blau, Grau, Ocker oder Gelb markieren Stellwände und Hängefläche und die Themen, die die Kuratoren aus Deutschland und Frankreich ihrer Untersuchung der deutsch/französischen Verflechtungen zugrunde gelegt haben; und nicht nur die in der Architektur(geschichte).

Die deutsch-französische Freundschaft, geboren aus erbfeindschaftlicher Vergangenheit und einem bis heute anhaltenden hegemonialen Anspruch in Europa, soll Brücke sein und den immer unsicher seienden Frieden in Europa nach dem Weltkrieg 1939-45 endgültig einfrieren. Kunsthistorisch geschaut gibt es viele Untersuchungen, die die Verflechtungen und gegenseitigen kulturellen Einflüsse untersucht haben, für etwas Gemeinsames in der Architektur fehlte bis jetzt eine umfassendere Sicht.

Die liegt jetzt vor und ist, wie bei solch komplexen Themen zwingend nötig und - mit Blick auf die weitverzweigte Entstehungsgeschichte - erwartbar, durch einen großartigen Katalog ergänzt. Die mit 400 selten oder noch nie gezeigten Exponaten sehr umfangreiche Ausstellung „Interferenzen \ Interférences. Architektur – Deutschland \ Frankreich, 1800–2000“, die zuerst in Straßbourg gezeigt wurde, vermittelt tatsächlich einen ersten Überblick über die architektonischen und städtebaulichen Interaktionen zwischen Frankreich und Deutschland. Und zwar von den Jahren nach der Französischen Revolution und dem Ersten Kaiserreich bis in die Gegenwart.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Stadt, Denkmäler, Diskussionsschwerpunkte und bedeutende Intellektuelle: Karl-Friedrich Schinkel, Gottfried Semper, Viollet-le-Duc, Le Corbusier oder Rudolf Schwarz und viele weitere wichtige Architekten und Künstler. Sie alle haben an der Schnittstelle der deutschen und französischen Kultur gewirkt und wirken noch immer nach über Schulen und Schüler, oder schlicht durch ihr immer noch Dasein. Besonderes Augenmerk widmet die Schau im DAM der wechselseitigen Beeinflussung großer Städte wie Paris und Berlin sowie der Situation von Grenzregionen, deren Gestalt – wie im Falle von Straßburg, Metz, dem Rheinland und dem Saarland – durch Annexion und Besetzung nachhaltig geprägt wurde.

Die Schau beleuchtet die Auseinandersetzungen über Gotik und Klassik, das Industriezeitalter, dokumentiert neue Siedlungsformen und den Nationalismus zu Ende des 19. Jahrhunderts. Reformstil ist ein Stichwort, moderne Architektur zwischen den beiden so genannten Weltkriegen, die Besatzungszeit und der Wiederaufbau, die Inszenierung von Baukunst, die Krise der Moderne und die Rückkehr der Urbanität zwischen 1960 und 1980. Abgeschlossen wird der Überblick durch eine kursorische Betrachtung der europäischen Entwicklungen seit dem Mauerfall.

Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Musée d’Art moderne et contemporain de Strasbourg und des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Élysée -Vertrages (Der als Élysée-Vertrag bezeichnete deutsch-französische Freundschaftsvertrag wurde am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast unterzeichnet). Be. K.

INTERFERENZEN \ INTERFÉRENCES. Architektur – Deutschland \ Frankreich 1800–2000
Noch bis zum 12. Januar 2014, EG + 1. OG, Führungen samstags und sonntags, 15 Uhr.
Mit riesigem Begleitprogramm, dazu ausführlich auf der Website des DAM.

Katalog bei Wasmuth, Rezension demnächst unter DBZ.de, Bücher.

Thematisch passende Artikel:

Zeitgenössische französische Architektur

Vortragsreihe L' Architecture d' Aujourd' hui ab 12. Oktober 2010, München

Am 12.Oktober 2010 startet die Hochschule München Fakultät Architektur eine neue Vortragsreihe unter dem Titel: L' Architecture d' Aujourd' hui. Prof. Holzscheiter, Dekan der Fakultät und...

mehr

25 Jahre DAM

Das Deutsche Architekturmuseum, Frankfurt feiert sein Jubiläum mit Ausstellungen über Ben Willikens und das Deutsche Architektur Jahrbuch

Das Deutsche Architekturmuseum wurde vor 25 Jahren als erster Neubau in einer Reihe von Ausstellungshäusern am südlichen Mainufer eröffnet. Mit seiner Sammlung und einem breit gefächerten...

mehr

DAM Preis für Architektur in Deutschland geht nach Dessau

Die 22 besten Bauten in\aus Deutschland ab Januar 2016 im DAM, Frankfurt a. M.

Die Gewinner des DAM Preises für Architektur in Deutschland 2015 sind die Neuen Meisterhäuser in Dessau des Architekturbüros Bruno Fioretti Marquez.. Die Rekonstruktionsdebatte wurde erneut...

mehr
Ausgabe 10/2013

Termine 10/2013

Weiterbildung 24.10.2013 Oberhausen Die HOAI-Novelle 2013 – Vertragsgestaltung und Honorarabrechnung www.akademie-aknw.de Das Seminar vermittelt Kenntnisse, die für eine korrekte Honorarabrechnung...

mehr
Ausgabe 02/2020

The Playground Project im DAM

Noch bis zum 21. Juni können große und kleine Kinder im Erdgeschoss des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt a.?M. spielen. Nicht, dass die Ausstellungsmacher jetzt auf ein Verbot reagiert...

mehr