Kunsthalle Mannheim

Kunsthalle Mannheim eröffnet

Wir trafen uns nach der Eröffnung mit dem projektverantwortlichen Partner bei gmp, Nikolaus Goetze, zu Führung und Gespräch im Museumsneubau

Jetzt steht sie da, die neue Kunsthalle in Mannheim. Sitzt wie angegossen am südlichen Rand des Friedrichsplatz mit Rosengarten und Straßenrondell, einem schönen Platz, angelegt Ende des 19. Jahrhunderts am östlichen Stadteingang. Die leichte Drehung aus der West-Ost-Achse in Richtung Osten schenkt dem Kubenensemble hinterm Drahtgitterschleier schönes Morgenlicht und mindert die Direkteinstrahlung auf der Südwestfassade. Vor sechs Jahren gab es für den Neubau - heute schreibt man gerne Ersatzneubau - des 2013 abgerissenen "Mitzlaff-Baus" (von Lange-Mitzlaff-Böhm-Müller 1983 realisiert) einen spektakulär besetzten, nichtoffenen Wettbewerb. Der ergab drei gleichrangige erste Plätze mit Staab Architekten GmbH, Berlin, Gerkan, Marg und Partner, Hamburg, und Peter Pütz Architekten, Berlin. Fünf weitere Entwürfe erhielten Anerkennungen: Karl Hufnagel Architekten, Berlin, Schneider + Schumacher, Frankfurt a. M., Ortner & Ortner Baukunst, Berlin, Annette Gigon / Mike Guyer Architekten, Zürich, und Rafael Moneo Arquitecto, Madrid.

Durchgesetzt hat sich am Ende der Entwurf von gmp, Hamburg, mit dessen für das Projekt verantwortlichem Partner, Nikolaus Goetze, wir uns vor Tagen in Mannheim trafen. Für ein Gespräch, für einen Rundgang mit sehr vielen Eindrücken.

Eröffnet wurde der Neubau bereits im letzten Jahr, am 18. Dezember 2017, da wurde die Kunsthalle an die Stadt und ihre Bürger übergeben. Allerdings da noch ohne die Kunst. Dann, Anfang Juni 2018 gab es das "Grand Opening", in welchem der Neubau seine permanente Ausstellung in neuer Hängung und eine Wechselausstellung präsentiert (Jeff Wall mit „Appearance“). Und sich als zeitgenössisches Ausstellungshaus beweist.

Städtebaulich ist der Entwurf auf das Thema "Stadt in der Stadt" ausgerichtet. Unter der Hülle des bronzefarben beschichteten Edelstahl-Mesh-Vorhangs, der die Kuben zu einem großen Volumen zusammenfasst, sollen die Bewegungsrichtungen im Stadtraum - der hier (noch nicht?!) dem Fußgänger, dem Flaneur vorbehalten ist sondern den hier vorbeirauschenden Verkehrsindividualisten - aufgenommen und in den Bau implementiert werden: Ankommen, Orientieren, dem Licht (des gebäudehohen Atriums) folgen, im zentralen Atrium erste Blicke in Ausstellungsräume und Galerien erhaschen und dann vielleicht ein Ticket lösen. Für sagenhafte 10 Euro! Zuviel?! Zuwenig? Die 10 Euro werden die Tagestouristen zahlen, die den Jeff Wall anschauen wollen oder die grandiosen Arbeiten von Anselm Kiefer ganz oben. Oder sie werden sie nicht zahlen und sich einfach auf die Möbel setzen, die hier im Atrium bereitstehen. Um schauen und geschaut zu werden, um zu warten oder einfach den richtigen Moment zu finden, sich doch auf die Ausstellungslandschaft einzulassen. 10 Euro, ein Kinobesuch ist teurer. Und: Wer mehr als dreimal kommen möchte kann die Jahreskarte kaufen. 30 Euro. Das ist wenig im internationalen Vergleich. Und den muss die Kunst in der Kunsthalle nicht scheuen.

Mit dem Wettbewerbsentwurf haben gmp tatsächlich ihren ersten Museumsbau in Europa realisieren können! Man will es kaum glauben, doch die großen Ausstellungshäuser der letzten Jahre made by gmp stehen sämtlich in Asien wie das Maritim-Museum in Lingang New City, China, das Nationalmuseum in Peking, ebenfalls China, oder das Hanoi Museum in Vietnam. Der Neubau steht ungefähr auf dem gleichen Fußabdruck seines Vorgängerbaus, ist aber deutlich höher. Was angesichts der Verschleierung des Volumens aber kaum als mächtiger wahrgenommen wird. Wie sein Vorgänger erschließt die Kunsthalle den südlich anliegenden Querriegel des Jugendstil-Bau von 1907 (Hermann Billing Bau) über den Athene-Trakt. Hier ist eine Lichtarbeit von James Turrell installiert. Vom Atrium aus, in dem die Eintrittskarten, Informationen zur Ausstellung etc. an einem dezenten, kreisrunden Counter zu erhalten sind, geht der Weg im Erdgeschoss in die Kunstlichträume zu den Wechselausstellungen. Ober über die mittlerweile in jedem Museumsbau vorhandene große Treppe hinauf zu Galerien, Terrassen und Brücken und in die Ausstellungsräume in den sieben Ausstellungskuben. Immer wieder öffnet sich die Ausstellungslandschaft zwischen den Kuben zur Stadt hin. Auf diesen kleinen, in die Gebäudelandschaft verwobenen Plätze stehen die Möbel von Axel Kufus, der für die komplette Möblierung des Kunsthauses zuständig war.

Es gibt unterschiedlich gestaltbare Ausstellungshäuser (Kuben), die sämtlich mit Kunstlicht arbeiten. Ausnahme sind zwei Räume zur Nordseite, in der Teile der gewichtigen Skulpturensammlung gezeigt werden. Die fünf bis sechs Meter hohen Räume sind hier in der Höhe herunterskaliert. Die Dachterrasse zum Park hin ist in den Rundgang integriert, von hier aus bietet sich den Besuchern das Panorama des Friedrichsplatzes mit dem markanten Wasserturm; den man vorher schon vom "Platz der Freunde" in ersten Obergeschoss aus hat bestaunen können.

Die Fassaden sind von einem transparenten Metallgewebe – einem bronzefarben beschichteten Edelstahl-Mesh – umhüllt, das die Gesamtkubatur definiert und sich farblich an den rötlichen Sandstein der Umgebung anlehnt. Variierende Maschenweiten sorgen für unterschiedlich starke Transparenz. Nach außen bleibt die Lesbarkeit des Volumens gewahrt, sodass die einzelnen Baukörper bei Tag und Nacht sowie in der Nah- oder Fernwirkung graduell differenziert wahrnehmbar sind.

Ob der Museumsbau, wie von Architekten aber auch von der Direktion gewünscht, tatsächlich integraler Bestandteil der Stadt werden wird muss sich beweisen. Zu sehr ist die Durchwegung auf eine Richtung ausgelegt, zu wenig offen erscheint dann doch die Glaseingangsfront, die trotz aller Transparenz immer noch den Einstieg in ein Haus für Hochkultur signalisiert und weniger den Zutritt zu einem öffentlichen Platz, den ich von aussen, vom Eingang aus nur erahnen kann. Immerhin ist das Café rechts neben dem Eingang zur Straße hin offen, der Buchshop links vom Eingang dann aber wieder nur über den Haupteingang erreichbar. Der Mehrzweckvortrags-/Veranstaltungssaal zur Tattersallstraße im Westen über eine Glasfront mit Türen geöffnet, der Saal ist zudem zum Café zuschaltbar. Vielleicht gelingt in nächster Zukunft das, was sich Nikolaus Goetze für das Kunsthaus auch wünscht: freier Eintritt für alle, längere Öffnungszeiten und die Kontinuität im Wandel der kuratorischen Arbeit. Be. K.

Projektdaten

Internationaler Wettbewerb 2012 – 1. Preis
Entwurf Meinhard von Gerkan und Nikolaus Goetze mit Volkmar Sievers
Projektleitung Wettbewerb Di Miao-Weichtmann
Mitarbeiter Wettbewerb Ulrich Rösler, Mira Schmidt, Steffen Lepiorz, Liselotte Knall, Kai Siebke, Frederik Heisel
Mitarbeiter 3D und Visualisierung Markus Carlsen, Tom Schülke, Jens Schuster, Christoph Pyka, Kenneth Wong, Björn Bahnsen
Projektleitung Ausführung (bis LPH 5 + künstlerische Oberleitung) Liselotte Knall, Kerstin Steinfatt
Mitarbeiter Ausführung (bis LPH 5) Ulrich Rösler, Raimund Kinski, Amra Sternberg, Viktoria Wagner, Hanna Diers, Michèle Watenphul, Anna Falkenbach, Felix Partzsch, Dominika Gnatowicz, Nicola Knop
Bauleitung LPH 6-9 W+P Gesellschaft für Projektabwicklung Sven Lemke, Kevin Puhmann
Technische Gebäudeausrüstung IQ Haustechnik Giesen-Gillhoff-Loomans GbR Jörg Gillhoff, Heiko Giesen, Markus Loomans
Elektroplanung Bremer GmbH Peter Bremer
Tragwerksplanung schlaich bergermann partner GmbH Sven Plieninger, Rüdiger

Weitzmann, Sandra Küstner
Fassadenplanung DS-Plan GmbH Martin Lutz, Herwig Barf, Jochen Schindel
Lichtplanung ag Licht GbR Klaus Adolph, Daniel Walden, Ngurah Clifton Pinatih
Brandschutz hhpberlin Christoph Klinzmann, Isabelle Schatton, Gunnar Buhl
Bauherr Stiftung Kunsthalle Mannheim
BGF 17.366 m²

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