Pre-opening: James Simon Galerie in Berlin
Chipperfield Architects liefern antikisierenden Neubau mit perfektem zeitgenössischem Interior 04.07.2019Nun wurde die James Simon Galerie am Kupfergraben schon gefühlte hundertmal eröffnet, am vergangenen Montag war es dann wieder einmal so weit: Pre-opening. Für die Presse, mit allen Verantwortlichen von der Museumsinsel, Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin/Staatssekretärin, und auch Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Natürlich auch die Architekten von Chipperfield Architects, David Chipperfield, Alexander Schwarz und Martin Reichert, die dieses Projekt über Jahrzehnte entwickelt und eben jetzt beinahe fertiggestellt haben. Am kommenden Mittwoch (10. Juli 2019) wird das Galerie genannte Eintrittsgebäude auf der Museumsinsel in Anwesenheit der Kanzlerin dann endgültig der Öffentlichkeit übergeben, allerdings sind ein paar Funktionen noch nicht freigeschaltet ... so der Übergang zum Pergamonmuseum, das noch ein paar Jahre umgebaut und saniert wird.
Was haben wir lange drauf gewartet! Das Neue Museum, ebenfalls von Chipperfield Architects (mit Julian Harrap Architects LLP), war schon fertig und schaute mit seiner alles erklärenden Westfassade ungehindert über den Kupfergraben auf Berlin, auch auf eine Galerie an der Straßenecke, die ebenfalls von Chipperfield entworfen war (heute "Haus Bastian", seit geraumer Zeit im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Vor dem Neuen Museum also lange eine Baustelle, die eher einem Übungsplatz für Taucher ähnelte, denn einer Baugrube. Hier wurde mit viel Zeit und viel Geld ein Fundament hergestellt, das den Galeriebau für die nächsten Jahrhunderte tragen soll: Wasser, Sand und historisches Pfahlfundament machten die Sache schwierig und teils auch undurchsichtig.
Aber dann ging es schnell, der Sockelbau mit Foyers, Kassenbereich, Shop, Garderoben und WC und einem großen Saal für Wechselausstellungen wurde auf ca-Höhe des alten Packhofs hochgezogen, Beton unter hellweissem, sandgestrahlten und mit Zuschlägen grob geriebenem Beton. Auf diesem langgestreckten, den Kupfergraben begleitenden Sockel, der von großen Fenstern und einer kleinen Treppe hinab zum Wasser des Kupfergrabens in seiner monumentalen Anmutung gestört wird, erhebt sich monumental und mit klarem Antikengestus ausgestattet eine Kolonade. Leicht zurückgesetzt strebt die Reihe der 70 schlanken, im Querschnitt quadratischen Betonstäbe rund 10 m in die Höhe. Der zarte Schleier verdeckte die Glaseinbauten dahinter: Fensterfront vor dem Raum, der zum Pergamonmuseum überleiten soll in nächster Zukunft. Ebenfalls die Glasfront des Cafés, das schmal und langgestreckt als zweite Schicht hinter der Terrasse auf Besucher wartet. Neben dem Café ein überdachter Terrassenraum mit Ausblick und dem gläsernen Fahrstuhleingang, welcher den barrierearmen Zutritt des Eingangsbaus von der Straße aus ermöglicht.
Das ist die Seite am Kupfergraben, über den hinweg nun die Westfassade des Neuen Museums nicht mehr bestaunt werden kann. Angeblich war das schon im Masterplan so angelegt, man möchte schreiben: ein Fehler!
Die den Architekten wichtigere Ansicht ist die Blickachse von Süden her auf den Neubaubau, am besten von der Schlossbrücke aus. Von hier ist die Platzierung des hell leuchtenden Zubaus theoretisch nachvollziehbar, praktisch wird er nur dem Connaisseur Spass machen. Aber dennnoch: die majestätisch sich als öffentlicher Raum anbietende (berlinische) Treppe überzeugt, wer sie hinaufschreitet kann im Rückblick bis zur Schlossreplik schauen, in den neuen Hof zwischen Neubau und Neues Museum oder auf all die, die hier demnächst sitzen werden (hoffentlich lässt man sie).
Am Ende der Treppe angelangt durchschreitet man eine Art von Vestibulum das gleich in einem Windfang mündet, der sich ins obere Foyer öffnet. Der langgestreckte Raum führt zwischen verglasten Außen- und Binnenwänden zur Kasse/Info an seinem Ende, vorher kann man in einer 180 Grad Wende eine Treppe hinabgehen, auf deren Zwischenpodest der Zugang zur Garderobe/Shop/WC etc. liegt.
Wer von unten kommt, die JS Galerie also über den Hof betritt, kann gleich nach dem Kartenlösen ins Neue Museum abbiegen (vorbei an einem als Exponat behandelten Holzpfahl, der hier einmal den Grund für das Historische gesichert hatte, nun von Betonpfähle ersetzt wurde). Oder man geht in den großen Saal für Wechselausstellungen, dessen Außenwandknick den Knick des Kupfergrabens nachfolgt.
Der gigantisch großflächig anmutende Shop ist - deutlich abgesetzt vom Sichtbeton im Rest des Hauses - mit dunklem Holzfurnier eingepackt, ebenso die Garderoben und das ebenfalls vom Erdgeschoss aus zugängliche Auditorium mit 300 Sitzplätzen (es liegt unter der großen Treppe draußen).
Chipperfield Architects wäre nicht eben diese, wenn das Innere mit seinem Raumfluss, den eigenen Möbeln, dem Licht- und Schattenspiel, den kleinen wie feinen und eben wohl nur bei international tätigen Büros vorhandenen Details eine Klasse hätte, die mehr ist, als nur gekonnter Standard (Vorhänge, Einbauten oder das große Fenster am Ende des oberen Foyers, des Pfosten-Riegel-Konstruktion mit dünn geschnittenen Steinplatten gefüllt und damit von der Fassade des Pergamonmuseums abgesetzt ist). Dass sich das Büro nach dem Aufschrei von ICOMOS, der Berater-Organisation der UNESCO, die hier das Weltkulturerbe Museumsinsel durch einen Stahl-Glas-Bau des Wettbewerbsgewinners gefährdet sah und nach Schmerzensschreien in der überregionalen Presse gedrängt sah, das Zeitgenössische durch ein zeitlos antikes Baumuster zu ersetzen, ist sehr bedauerlich, gerade auch mit Blick auf das, wie souverän innen drin gestaltet wurde. Aber es ist nun leider so geworden, die Antike endet einfach nie. In der Bundeshauptstadt ganz offenbar am wenigsten. Seis drum, wir müssen es nur immer wieder erzählen, die ganze Geschichte von den "Giganten", die die Museumsinsel bis heute geformt haben und wohl noch lange formen werden. Be. K.