Zukunft der Backsteinarchitektur
Am 8. September 2023 wurden in Berlin die diesjährigen Sieger des Erich-Mendelsohn-Preises für Backstein-Architektur bekannt gegeben 05.09.2023Die Jury setzte bei ihrer Bewertung der eingereichten Projekte aus dem In- und Ausland zwei Schwerpunkte: auf sozialen Wohnungsbau sowie Sanierung. Die Clos Pachem Winery des katalanischen Büros HARQUITECTES überzeugte das Gremium mit ihrem wegweisenden Ansatz, ästhetische und technische Elemente miteinander zu verweben, und wurde entsprechend mit der höchsten Auszeichnung, dem Grand Prix, geehrt.
Das Material Backstein begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden. Nahezu jede Region rund um den Globus hat mit der Zeit eine eigene Backstein-Tradition entwickelt. Immer wieder gab und gibt es innovative Ansätze, die den Traditionsbaustoff zum Baustoff der Zukunft machen. Hinter all diesen Wendepunkten stehen Personen mit mutigen Ideen. So wäre zweifelsohne das Gesicht der Moderne ein anderes ohne die einflussreichen Bauten Erich Mendelsohns. Die Fragestellung, wie wir in Zukunft bauen wollen, hat heute andere Prämissen, doch es sind immer noch die kreativen Ideen von Architektinnen und Architekten, die Antworten liefern und neue Wege einschlagen.
Erich-Mendelsohn-Preis
Foto: Carsten Krohn
Der Erich-Mendelsohn-Preis für Backstein-Architektur sucht genau solche Architekturbüros, die sich in die Tradition der Innovation einreihen. Er würdigt Projekte, die die Eigenschaften des Backsteins nutzen, um ökologisch wie ästhetisch nachhaltige Gebäude zu schaffen. Auf die diesjährige sechste Ausschreibung des Preises folgten 584 Projekteinreichungen aus über 30 Ländern. Die international renommierte Jury um die Grand Prix Gewinner Fabrizio Barozzi und Andrés Solíz, die im Juni in Berlin tagte, wählte unter allen Einreichungen die besten Arbeiten aus. 76 Projekte schafften es in den Hauptkategorien auf die Shortlist, zehn in der Kategorie Newcomer. Aus dieser Vorauswahl wurden wiederum die finalen Sieger ermittelt, die sich nun über eine Auszeichnung freuen dürfen.
Der Grand-Prix-Winner HARQUITECTES ist kein neues Gesicht beim Preis für Backstein-Architektur. Mit ihrem unverkennbaren Stil der unverputzten Backsteinwände im Inneren haben die Architekten aus Barcelona schon die Jurys der drei Vorrunden begeistert. Die technisch wie ästhetisch überzeugende behutsame Sanierung der Clos Pachem Winery bringt dem Büro nun zum ersten Mal den Grand Prix. Der Umgang mit dem Bestand und dem Material, das vor Ort vorhanden ist, ist einer von zwei Schwerpunkten, den die Jury nicht nur beim Grand Prix, sondern in allen Kategorien gesetzt hat. Daneben ist die zweite große Frage der Architektur diejenige nach bezahlbarem Wohnraum für alle. Vor diesem Hintergrund hat die Jury in der Kategorie Wohnungsbau zum ersten Mal drei Auszeichnungen in Gold verliehen: Drei herausragende Beispiele in drei europäischen Städten demonstrieren mustergültig, wie Backstein Wohn- und Lebensräume mit Bedeutung und Charakter schafft.
Winner Grand Prix: Clos Pachem Winery, HARQUITECTES
In der Clos Pachem Winery ist dank der materialtypischen Qualitäten des Backsteins eine außergewöhnlich inspirierende Architektur entstanden. Durch den innovativen Einsatz des traditionellen Baumaterials ist ein Sanierungsprojekt realisiert worden, das sich ästhetisch in seinen historischen Kontext einfügt und gleichzeitig die hohen technischen Anforderungen des Weingutes erfüllt. Die Backsteinwände mit Hohlräumen für Luftzirkulation sowie das Bewässerungssystem der Gründächer sorgen für ein optimales Raumklima. Das Gebäude selbst wird Teil der biodynamischen Weinherstellung.
Clos Pachem Winery, HARQUITECTES, Winner Grand Prix beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Jesús Granada
Clos Pachem Winery, HARQUITECTES, Winner Grand Prix beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Jesús Granada
Winner Gold Öffentliche Bauten: Jojutla Central Gardens, Estudio MMX
Die Neugestaltung der Jojutla Central Gardens schlägt eine Brücke zwischen gestern und heute: Ein ehemals durch Erdbeben zerstörtes Areal wurde wiederbelebt und durch traditionelle sowie neu interpretierte Architektur zu einem Ort der Gemeinschaft und Identifikation gestaltet. Der mit markanten Backsteinbögen gestaltete Platz ist Ausdruck der regionalen Handwerkskunst, bietet den Bürgern einen Ort für Begegnung und lässt dabei genug Raum für die Pflanzen- und Tierwelt.
Jojutla Central Gardens, Estudio MMX, Winner Gold Öffentliche Bauten beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Rafael Gamo
Jojutla Central Gardens, Estudio MMX, Winner Gold Öffentliche Bauten beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Dane Alonso
Winner Gold Einfamilienhaus: Blockmakers Arms, Erbar Mattes
Im ehemaligen Gasthaus Blockmakers Arms gehen Vergangenheit und Gegenwart eine zeitgemäße und gleichermaßen zukunftsweisende Symbiose ein. Die neuen Anbauten sind aus handgefertigten graubraunen Backsteinen errichtet und ergänzen das verwitterte Backstein-Mauerwerk aus dem 19. Jahrhundert, ohne mit der verzierten Fassade des bestehenden Gebäudes zu konkurrieren. An die Stelle der zweckmäßigen Treppe an der Rückfassade tritt eine Loggia, die mit tragenden Mauersäulen ein Gefühl von Dauerhaftigkeit und Solidität vermittelt, das sich stark auf das ursprüngliche Backsteinvolumen bezieht.
Blockmakers Arms, Erbar Mattes, Winner Gold Einfamilienhaus beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Simon Menges
Blockmakers Arms, Erbar Mattes, Winner Gold Einfamilienhaus beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Simon Menges
Winner Gold Wohnungsbau: Social Atrium, PERIS+TORAL ARQUITECTES
Das SOCIAL ATRIUM schafft nicht nur eine innovative Verbindung zur früheren Bebauung an dieser Stelle mit inzwischen verfallenen Reihenhäuschen. Neue Orte für soziales Miteinander wie das zentrale bioklimatische Atrium sowie eine außergewöhnliche Nachverdichtung urbanen Raumes zeichnen dieses Projekt aus.
Social Atrium, PERIS+TORAL ARQUITECTES, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Jose Hevia
Social Atrium, PERIS+TORAL ARQUITECTES, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Jose Hevia
Winner Gold Wohnungsbau: Quartier Heidestraße Core, ROBERTNEUN Architekten GmbH
Eine Wiederbelebung mit verspielten Details: Wo früher Bahn- und Infrastrukturgebäude standen, leitet nun das Quartier Heidestraße Core im Westen der Europacity einen Paradigmenwechsel ein. Entstanden ist ein richtungsweisender Mix aus Arbeits- und Wohntypologien.
Quartier Heidestrasse Core, ROBERTNEUN Architekten GmbH, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Annette Kisling Berlin
Quartier Heidestrasse Core, ROBERTNEUN Architekten GmbH, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Annette Kisling Berlin
Winner Gold Wohnungsbau: "Gleistribüne" Wohn- und Geschäftshäuser, Esch Sintzel GmbH, Architekten ETH BSA SIA
Wie der brachliegende Rand von Gleisfeldern in attraktiven Wohnraum verwandelt werden kann, zeigt sich eindrucksvoll am Züricher Hauptbahnhof. Durch die „Gleistribüne“ wird das ehemals ignorierte Areal privilegiert.
«Gleistribüne» Wohn- und Geschäftshäuser, Esch Sintzel GmbH, Architekten ETH BSA SIA, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Philip Heckhausen
«Gleistribüne» Wohn- und Geschäftshäuser, Esch Sintzel GmbH, Architekten ETH BSA SIA, Winner Gold Wohnungsbau beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Philip Heckhausen
Winner Gold Sanierung: Theater at Domain De Hoge Rielen, dmvA
Einst Militärlandschaft, heute ein Haus der Kultur: Im Theater at Domain De Hoge Rielen konserviert der Backstein die Vergangenheit des Gebäudes und fügt zugleich der Geschichte ein neues Kapitel hinzu.
Theater at Domain De Hoge Rielen, dmvA, Winner Gold Sanierung beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Stijn Bollaert
Theater at Domain De Hoge Rielen, dmvA, Winner Gold Sanierung beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: Stijn Bollaert
Winner Gold Newcomer: Luise 19E, undjurekbüggen (ETH Zürich)
Luise 19E sollte eigentlich abgerissen werden. Doch mit dem aus dem Rückbau gewonnenen Backstein ist in einem partizipativen Prozess ein neues Haus entstanden – getreu dem Motto: von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft.
Luise 19E, undjurekbüggen (ETH Zürich), Winner Gold Newcomer beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: undjurekbrueggen
Luise 19E, undjurekbüggen (ETH Zürich), Winner Gold Newcomer beim Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Foto: undjurekbrueggen
Über den Erich-Mendelsohn-Preis 2023 für Backstein-Architektur
Der erstmals 2008 unter dem Namen Fritz-Höger-Preis für Backstein-Architektur ausgelobte Wettbewerb findet alle drei Jahre statt und wird seit 2011 partnerschaftlich vom Bund Deutscher Architekten BDA unterstützt. Seit 2022 firmiert er unter dem Namen Erich-Mendelsohn-Preis für Backstein-Architektur. Die große Bedeutung des Preises in der Welt der Architektur unterstreichen nicht zuletzt die renommierten Namen der ausgezeichneten Büros vergangener Runden. Zu den Grand-Prix-Projekten gehören der Siza-Pavillon auf der Insel Hombroich (2014) und die Bremer Landesbank aus der Feder von Caruso St John Architects (2017). Erstmals zwei Grand Prix-Winner wurden 2020 gekürt: das Musée Cantonal des Beaux-Arts in Lausanne von Barozzi Veiga sowie das Nakasone House in Mexiko-Stadt von Escobedo Soliz.
Preissystematik
In diesem Jahr wurden ein Grand-Prix-Projekt sowie 17 weitere Arbeiten mit dem Erich-Mendelsohn-Preis für Backstein-Architektur in Gold, Silber und Bronze prämiert. Zudem erhielten 15 ausgewählte Projekte die Auszeichnung Special Mention. Damit würdigt die Jury vorbildliche Details, die sich in besonderem Maße hervorheben.
Die Jury 2023
Die unabhängige Jury des Erich-Mendelsohn-Preises 2023 für Backstein-Architektur setzte sich aus folgenden fünf Architekturexpertinnen und -experten zusammen: Fabrizio Barozzi (Grand Prix Winner 2020), Ulrich Brinkmann (Redakteur des Architektur-Magazins Bauwelt), Silvia Schellenberg-Thaut (Atelier ST), Andrés Solíz Paz (Grand Prix Winner 2020) sowie Susanne Wartzeck (Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA).
Die dreiköpfige Newcomer-Jury bestand aus: Franziska Käuferle (Winner Newcomer-Award 2020), Benedikt Hotze (Pressereferent Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA), sowie Dr. Fabian Peters (Chefredakteur des Architektur-Magazins Baumeister).