Wofür stehen Sie?
In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin bin ich für die Steuerung von Stadt­entwicklungsprojekten privater und öffentlicher Bauherr*innen sowie für die baukulturelle Qualifizierung dieser und vieler weiterer Verfahren zuständig. In einer Stadt, die maßgeblich durch eine politisch sehr wirksame, aber auch sehr kreative Zivilgesellschaft mit Kampf- und Projekterfahrung seit den 1970er-Jahren geprägt ist, pflegen wir produktiv Netzwerke und unterstützen auch in Modellprojekten innovative Ansätze für die Kooperation dieser Akteur*innen mit kommunalen Wohnungsbau- und Immobiliengesellschaften sowie mit privaten Projektentwickler*innen. Nach einer langen Phase des Ausverkaufs von Liegenschaften im öffentlichen Besitz zur Sanierung des Berliner Landeshaushalts können so wichtige Impulse für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung auch in zentralen Innenstadtlagen ermöglicht werden.
Mit welchen Mitteln setzen Sie Ihre Ideen um?
Auch in Berlin ist die Grundstücksvergabe über Konzeptverfahren ein bewährtes Mittel. Wir haben aktuell darüber hinaus das politische Mandat, im Rahmen einer gemeinwohlorientierten Lie­gen­schaftspolitik Grundstücke und Gebäude zu ­erwerben. In Modellprojekten erproben wir die ­gemeinsame Planung sowie die langfristige Bewirtschaftung und Nutzung im Verbund von kommunalen Wohnungsbau- und Immobiliengesellschaften sowie Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Aktuelle Schlüsselprojekte sind die Quartiere „Dragonerareal“ in Kreuzberg und „Haus der Statistik“ am Alexanderplatz, wo schon beim Projektbeginn „Pioniernutzungen“ eingezogen sind. Wir erproben aber auch Spielräume in einem kooper­ativen Erdgeschossmanagement mit Projektentwicklern in der „Europacity“ am Hauptbahnhof und können über das „Hochhausleitbild“, das für neue Hochhausprojekte in Berlin auch gemeinwohlorien­tierte Nutzungen verbindlich gemacht hat, standortspezifische Spielräume aushandeln.
Welche Rolle spielen Architekt*innen bei der Koproduktion?
Architekt*innen haben in der Entwicklung einer projektbezogenen Kooperationskultur in Berlin wiederholt Schlüsselrollen gespielt. Wegbereiter waren die Bürgerinitiativen- und Hausbesetzerbewegung der 1970er­ und 80er-Jahre, die maßgeblichen Einfluss auf das Konzept der „Behutsamen Stadterneuerung“ der IBA 1987 in Berlin genommen haben. Weitere Impulse erbrachten Anfang der 2000er-Jahre von Architekt*innen gesteuerte Baugruppenprojekte, die beispielweise am Blumengroßmarkt und am Holzmarkt zu experi­mentellen Projekten mit großer Strahlkraft führten. Planer*innen wurden aber auch unmittelbar politisch aktiv, um den Runden Tisch zur Liegenschaftspolitik im Abgeordneten­haus oder den Ankauf des Areals „Haus der Statistik“ durchzusetzen. Sie sind deshalb heute in Berlin in wechselnden Rollen von zivilgesellschaftlichen Initiativen bis hin zur klassischen Planungsdienstleitung zu finden. Dabei können sie einen vielfältigen professio­nellen Erfahrungsschatz zum kos­tenbewussten, kooperativen, und aneignungs­fähigen Bauen liefern sowie spezifische Typologien und Gestaltungskonzepte anbieten und umsetzen.
Was kann mit Koproduktion in Ihren Augen erreicht werden?
Im Sinne einer gemeinwohlintegrierten Planung ist sie ein hoch produktives Instrument, um in Projekten vielfältige und vitalisierende Akteur*innen mit niedrigen Budgets, die schon ansässig sind oder sich ansiedeln wollen, als Ideengeber*innen zu gewinnen. So wird ganz besonders die Chance erhöht, erfahrungsbasiert vorhandene Gebäude und Freiflächen auf ihre Entwick­lungs­perspektive zu prüfen. Typologisch und gestalterisch anspruchsvolle Lösungen können so auch bei begrenzten Budgets begünstigt werden.
In einer Stadt, wo gemäß der „Leitlinien Bürgerbeteiligung“ sehr häufig widerständige Nachbarschaften in die Planung einzubeziehen sind, kann überzeugen­der belegt werden, dass Neubau nicht immer vollständig renditeorientiert sein muss und stattdessen Bedarfe lokaler Nutzer*innen auch langfristig Berücksichtigung finden können. Damit können die in Berlin seltensten und kostbarsten Ressourcen wesentlich gestärkt werden – Akzeptanz oder gar Affirmation.
Manfred Kühne
ist Architekt, Stadtplaner und seit 2008 Leiter der Abteilung Städtebau und Projekte der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Nach seinem Studium der Architektur in Kaiserslautern und Berlin war er als freiberuflicher Stadtplaner in Berlin tätig. Danach arbeitete er als Leiter der Stadtplanung von Stralsund und der Obersten Denkmalschutzbehörde in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin.
Partizipation und Pandemie Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gab im Herbst 2020 die Broschüre Partizipation und Pandemie heraus, eine Handreichung zu kontaktlosen Beteiligungsmethoden. Sie liefert Planer*innen und anderen Akteur*innen der Stadtentwicklung einen Überblick über 25 digitale und analoge Formate der Beteiligung, die trotz Pandemie und Hygieneregeln umsetzbar sind, wie beispielsweise Online Hackathons, Pads, Podcasts und Beteiligungs-Kits. Jede Methode wird mit einem Text vorgestellt und ergänzt durch Referenzen und Angaben zu Herausforderungen, zeitlichem Umfang, Zielgruppen und technischen Anforderungen. Die Broschüre kann unter www.stadtentwicklung.berlin.de heruntergeladen werden.
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