Abriss ist keine Lösung
Dreischeibenhaus
Düsseldorf

Die Fassadensanierung des Dreischeibenhauses steht beispielhaft für einen neuen Umgang mit 1960er-Jahre Bauten. Statt Abriss Erhalt: Aufgrund eines überzeugenden Konzepts einer Doppelfassade, welche die neue Fassadenkonstruktion mit der Bestandsfassade verbindet. Ökonomisch und denkmalschutzgerecht.

Zwei Jahre stand das Dreischeibenhaus leer. Grund genug über einen Abriss des ersten Hochhauses Düsseldorfs nachzudenken. Dass es dann doch anders kam und das Gebäude immer noch neben dem Düsseldorfer Schauspiel von Bernhard Pfau steht, ist dem Architektenbüro HPP zu verdanken. Die Frage, warum eine Ikone wie das Dreischeibenhaus zwei Jahre leersteht, ist schnell beantwortet: „Die Fassade war komplett geschlossen. Auf dem Immobilienmarkt in Düsseldorf lassen sich Büroräume nicht vermieten, wenn sie keine öffenbaren Fenster haben“, erklärt Claudia Roggenkämper, Projektpartnerin bei HPP und Hauptverantwortliche für die Sanierung des Dreischeibenhauses. Aber alles auf Anfang.

Nachdem ein Investor das Gebäude erworben hatte, erstellte HPP ein erstes Konzept zur Modernisierung des Hochhauses und der Sanierung der Fassade. Der Besitzer wechselte, das Konzept jedoch nicht. Da das Gebäude seit 1988 unter Denkmal steht, waren den Architekten bei der Sanierung enge Grenzen gesetzt, weswegen die Architekten die Erscheinung des Gebäudes weitestgehend unverändert ließen. In der 20. Etage des Dreischeibenhauses ließen die Architekten frühzeitig eine Musterfassade nach den neuen Plänen bauen, um ihre Idee zu überprüfen. Die Musteretage und eine Vorstudie zur technischen Umsetzung von den Fassadenplanern von DS-Plan überzeugten den neuen Investor. Auch das Denkmalschutzamt war letztlich von dem Konzept der Doppelfassade begeistert, so dass im Jahr 2012 die Sanierungsarbeiten an der Fassade des Dreischeibenhauses anfingen.

Erhalt der Fassade

Die Idee der Architekten war, eine neue, raumhohe Fassadenkonstruktion mit öffenbaren Fenstern hinter die bestehende Fassade zu stellen sowie Kühlung und Abluft, die bis zur Sanierung in 20 cm tiefen Kanälen vor den Fenstern verliefen, zu demontieren und in die Rippendecke zu verlegen. So verbinden die Architekten nicht nur die Fassaden­kons­­­truk­tion mit der bestehenden Fassade zu einem einschaligen System, sie schaffen zusätzlich 1 200 m² Mietfläche.

Damit umgingen die Architekten einen Abriss der Fassade, der unökonomisch gewesen wäre, zumal die Fassade 19 Jahre zuvor saniert worden war. Zudem wäre ein kompletter Rückbau der Fassade, aufgrund der Verankerungen in die Bestandsfassade, ein gravierender Eingriff in den Rohbau des Gebäudes gewesen. Denn die Verankerungen sind vergossen. Das hätte zur Folge gehabt, dass alle Konsolen demontiert worden wären, was wiederum den Brandschutz negativ beeinflusst hätte, denn die Brüstungen der Fassade sind Brandschutzpaneele mit einer verdeckt integrierten Rückverankerung. Die Paneele bleiben im Brandfall stehen.

Eine weitere Herausforderung war, die Dichtigkeit der gekoppelten Fassade zu gewährleisten. „Wir haben einen Gürtel mit
Hosenträgern geplant“, erklärt Jürgen Einck, Fassadenplaner bei DS-Plan, die Fassadenentwässerung. Die Idee war, zwei Entwässerungssysteme im Bereich der Fassade zu integrieren. In der Umsetzung heißt das: Einck plante mit seinem Fassadenteam unter dem Laibungsfutter, das die beiden Fassaden verbindet, eine zweite Ebene für eventuell eintretendes Kapillarwasser. Diese Ebene wird über den Falz der Bestandsfassade belüftet und kontrolliert entwässert. Aufgrund der Profilgeometrie war diese Lösung konstruktiv besonders anspruchsvoll.

Erhalt der Erscheinung

Die schmalen Gebäudeseiten sind von der Sanierung verschont geblieben. Denn die im Jahr 1960 verwendeten Materialien waren 52 Jahre später, also im Jahr 2012, immer noch intakt und mussten deswegen nicht ersetzt werden. Die ehemalige Pfosten-Riegel-Fassade der Längsseiten, an der sich Brüstungs- und Fensterband horizontal abwechseln, ist in ihrer unverwechselbaren Ästhetik erhalten geblieben. Dabei half die Musteretage: Mit dem zunächst anstelle der alten Verglasung vorgesehenen Weißglas für die Prallscheibe waren weder Architekten noch Denkmalamt zufrieden, weswegen das Weißglas einem Normalglas wich. „Abgesehen von der Kos-tenersparnis hat das Normalglas naturgemäß eine grüne Färbung, die den ursprünglichen Zustand herstellt“, berichtet Claudia Roggenkämper.

Die Fassadensanierung konnte beginnen. Um eine natürliche Lüftung zu gewährleis-ten, setzten die Architekten die Prallscheibe oben und unten 12 cm vom Fensterrahmen ab. Hinter der Prallscheibe sitzen nun nach innen öffenbare Fenster. Doch in jeder dritten Achse steht eine Betonstütze. Das beeinträchtigt das Öffnen des Fensters, weswegen DS-Plan einen „Sonderwechselflügel“, wie ihn Einck nennt, entwickelte und einbauen ließ. Er kann rechts und links angeschlagen werden. Somit ist es möglich, das Fenster bei Grundrissveränderungen jederzeit hinsichtlich seines Bandanschlages auszuwechseln. So ist das Fenster leicht zu warten und zu reinigen.

Von Einrüsten keine Spur

Während der gesamten Bauphase war das Dreischeibenhaus nicht eingerüstet. Die ursprüngliche Idee, Klettermastbühnen für die Fassadensanierung zu verwenden, wurde fallen gelassen, da aufgrund der Gebäudehöhe von 95 m und der daraus folgenden Verankerungen an die Bestandsfassade erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz unumgänglich geworden wären. Die Fahrkörbe der vorhandenen Befahranlage waren jedoch nicht effizient genug. Die Sanierung hätte sich nicht innerhalb der zwei Jahre realisieren lassen. Stattdessen wurden an der Fassade tem­porär Arbeitshängebühnen hinabgelassen. Sechs Bühnen bei einer Länge von 15 bis 20 m entlang der West- und Ostfassade
waren mitunter der einzige Hinweis auf die
Sanierung des Dreischeibenhauses während der Bauphase. Ein weiteres Indiz auf eine Sanierung war der an der schmalen Nordseite des Gebäudes nach Öffnung der Fassade angebrachte temporäre Lastenaufzug. Er transportierte die vorgefertigten Fassaden­elemente auf die entsprechenden Etagen.

Anforderung erfüllt

Nach der Sanierung werden die Anforderungen der EnEV 2009 mehr als 30 % unterschritten. Vor der Sanierung lag der Ucw-Wert bei 1,95, nun ist er auf 1,05 reduziert. Die Dreifach-Isolierverglasung und das hochwärmedämmende Fassadenprofil tragen dazu bei. Auch dass der Sonnenschutz nun im hinterlüfteten Zwischenraum der Bestandsfassade und der Prallscheibe liegt, verringert nachhaltig den Wärmeeintrag ins Gebäude.

„Abriss ist die allerletzte Lösung“, sind sich die Architekten und Einck einig. Denn oftmals wird das Baurecht für einen Neubau nicht mehr erlangt. Das Dreischeibenhaus ist geblieben und steht nun für einen beispielhaften Umgang mit den modernen Stahlbauten der Nachkriegszeit. S.C. 

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