Fachklassentrakt Schubart-Gymnasium, Aalen
Der Neubau des Fachklassentrakts für Biologie und Chemie des Schubart-Gymnasiums in Aalen sollte ursprünglich als Passivhaus realisiert werden. Liebel/Architekten und Transsolar Energietechnik konnten jedoch mit einem integralen Nullenergie-Konzept überzeugen, das auf der aktiven Nutzung natürlicher Ressourcen basiert und fast ohne Technik auskommt.
Schon in ihrem Entwurf für den Schulersatzneubau, mit dem Liebel/Architekten und Transsolar den Wettbewerb für sich entscheiden konnten, hatten sie Nullenergie als Klimaziel anvisiert. Bei der Beauftragung äußerte die Stadt Aalen dann den Wunsch, das Projekt im Passivhaus-Standard zu realisieren. Als Architekten und Klimaingenieure zusammen in die konkrete Planung einstiegen, unterzogen sie das Thema Dämmung einer intensiven ganzheitlichen Analyse. Mit ihren Simulationen konnten die Klimaexperten nachweisen, dass das tatsächliche Energieeinsparpotential einer zusätzlichen Dämmung nur gering ist, ganz im Gegensatz zu dem hohen Kostenmehraufwand, den eine dickere Dämmschicht erfordert. Gebaut wurde schließlich ein Gebäude mit gutem Dämmstandard und einem Architektur- und Klimakonzept, das auf der aktiven Nutzung der vorhandenen natürlichen Ressourcen basiert.
Seit ihrem ersten gemeinsamen Wettbewerb vor 12 Jahren pflegen Liebel/Architekten und Transsolar eine gute Zusammenarbeit, die sich für beide auszahlt: zahlreiche gewonnene Wettbewerbe, viele Preise und noch viel mehr gemeinsam gemachte Erfahrungen auf dem Gebiet integraler Architektur- und Klimakonzepte. Bei der Planung und Projektentwicklung verfolgen die beiden Büros die gleichen Ziele: hohe architektonische und städtebauliche Qualität, die den Nutzer im Fokus hat, und ein integrales Klimakonzept, das auf natürlichen Prinzipien basiert und den technischen Aufwand minimiert.
„Klimakonzepte müssten eigentlich ein wesentlicher Bestandteil jeder Entwurfsaufgabe sein,“ findet Steffen Kainzbauer, Projektleiter bei Liebel/Architekten. „Das sollte auch in Wettbewerben schon so gefordert und genau wie städtebauliche und funktionale Rahmenbedingungen geprüft werden. Bisher steht das Energiekonzept im Kriterienkatalog von Wettbewerben meist ganz unten auf der Liste. Damit ist dann leider nicht einmal gesichert, dass es überhaupt mitbeauftragt wird.“
Ganzheitliches Klimakonzept
Liebel/Architekten arbeiten immer schon in der Entwurfsphase sehr früh mit Transsolar zusammen, denn die klimatische Konzeption ist für beide etwas, das im Entwurf mitgedacht werden muss. Die Ausrichtung des Gebäudes und die Belichtungsfrage sind dabei wichtige Eckpunkte. Dazu kommt die Belegzeit der Gebäude, denn diese ist in einer Schule eine ganz andere als in einem Bürogebäude oder in einem Wohnhaus. „Wir haben uns gleich am Anfang darüber unterhalten, wie wir das Gebäude stellen, wo wir welche Räume hinlegen, und uns für eine Nord-/Südausrichtung entschieden,“ erinnert sich Markus Krauss von Transsolar.
Um die Sicht auf das denkmalgeschützte Hauptgebäude des Gymnasiums nicht zu verstellen, wurde der Neubau zum Teil in das Erdreich versenkt. Das Grundgerüst bildet ein Holz-Beton-Hybridbau mit einer ausgewogenen Verteilung von umweltfreundlichen Holzelementen und den wärme- bzw. kältepuffernden Betonbauteilen. Für eine hohe Tageslichtausbeute wurden verschiedene Dachvarianten simuliert. Bei der nordorientierten Sheddach-Variante war die Tageslichtausbeute bei gleichmäßiger Verteilung am höchsten. Durch die Oberlichter in den Sheds konnte der Tageslichtquotient von 2,9 auf 4,3 erhöht werden. Das entspricht 50 % mehr Tageslicht und entsprechend weniger Energie(-kosten) für Beleuchtung.
Integrale Lüftung
Neben der kompakten Bauweise und dem energiesparenden Gebäudedesign ist das integrale Lüftungskonzept für das Klimakonzept entscheidend. Das hybride Lüftungssystem kombiniert Fensterlüftung mit einer sogenannten Schublüftung. Durch letztere werden um 80 % geringere Luftgeschwindigkeiten erreicht als mit einer konventionellen Lüftung, was zu erheblichen Energieeinsparungen führt. Die zugeführte Außenluft wird außerdem über einen 45 m langen Erdkanal vortemperiert, winters wie sommers um 5 K noch oben oder unten. Laut der Simulation von Transsolar beträgt die Energieeinsparung durch diese Maßnahme 17 %.
Die Nachtauskühlung basiert auf rein natürlichen Prinzipien und wird über Lüftungsöffnungen erreicht, die die verbrauchte Luft auf den Flur oder das Foyer und von dort durch den natürlichen Luftzug zum Dach nach draußen führen. Der Kamineffekt funktioniert über große Fensterquerschnitte und die natürliche Luftströmung. „Im vergangenen Jahr war der 24. Juli der wärmste jemals in Deutschland gemessene Hitzetag. In Aalen lagen die Außentemperaturen bei über 40 °C. Im Fachklassentrakt haben wir damals nachgemessen: Da hatten wir im Erdgeschoss 23,6 °C und im Obergeschoss 24,5 °C – ganz ohne Technik,“ erinnert sich Bernd Liebel. Das Konzept beruht auf der effektiven Nachtlüftung und den Speichermassen im Gebäude, die tagsüber die Wärme aufnehmen und nachts an die Luftströmung abgeben. „Bei so einer großen Frischluftmenge kann man die Speicher ohne Probleme in einer Nacht wieder entleeren. Das bringt für den Tag wieder den nötigen Puffer. Im vergangenen Jahr gab es hier nie höhere Innenraumtemperaturen als 26 °C“, erklärt der Architekt.
„Das Obergeschoss war ursprünglich als reiner Holzbau geplant,“ erläutert Klimaingenieur Markus Krauss. „Über unsere Simulationen mussten wir jedoch feststellen, dass wir im Obergeschoss zusätzliche Speichermassen benötigen, um die Nachtauskühlung zu gewährleisten.“ Der Betonanteil in der Konstruktion wurde daher in Leistungsphase 3 aufgrund der Simulationsberechnungen erhöht und durch Außenwandelemente aus Betonfertigteilen ergänzt.
Nullenergie-Status
Der Neubau des Fachklassentrakts war von Anfang an als Nullenergie-Gebäude konzipiert. Über das ganze Jahr wird auf Basis der Primärenergiebilanz mindestens so viel Energie lokal und regenerativ erzeugt, wie der Neubau verbraucht. Für die aktive Energiegewinnung wurden die nach Süden ausgerichteten Dachsheds mit 192 Photovoltaik-Modulen á 300 Wp belegt. Da Energiegewinnung und Verbrauch in einer Schule zeitgleich stattfinden, kann im Sommer auf die unwirtschaftliche Einspeisung in das Netz verzichtet werden. Stattdessen findet ein energetischer Austausch mit dem Altbau statt, dem der überschüssige Strom zur Verfügung gestellt wird. Im Winter übernimmt dafür die BHKW-Anlage des Altbaus den geringen Heizwärmebedarf des Neubaus. Für die Stadt Aalen als Bauherr ein Ergebnis, das sich rechnet: ein zusätzliches Schulgebäude bei gleichbleibenden Stromkosten.
„Die Simulationen zeigen, dass wir sogar besser abschließen, als Nullenergie,“ resümiert Steffen Kainzbauer. „Wir mussten uns jedoch auf der rechtssicheren Seite halten und die Energiegewinne auf Basis der EnEV berechnen. Damit durften wir die Überschüsse nicht mitbilanzieren. Hier geht die EnEV an der Realität vorbei.“ Mit einem Monitoring sollen Erfahrungswerte gesammelt werden, um die unterschiedlichen Parameter besser aufeinander abzustimmen. Das Ziel ist größtmögliche Effizienz und eine Feinjustierung für den späteren Gebäudebetrieb. Zurzeit wird geprüft, ob die gesammelten Daten bis Februar dieses Jahres ausreichen oder ob der Ermittlungszeitraum wegen der Corona-Krise verlängert werden muss. Schon jetzt ist jedoch klar, dass der Betrieb nach den Werten des ersten Halbjahres mit einer aufs Jahr gerechneten Ersparnis von 5 t CO2 klimapositiv ist. Inga Schaefer, Bielefeld
Baudaten
Objekt: Fachklassentrakt Schubart Gymnasium Aalen
Standort: Aalen
Bauherr: Stadt Aalen
Architekt: Liebel/Architekten BDA, Aalen, www.liebelarchitekten.de
Team: Steffen Kainzbauer, Valentin Schmied, Helen Deli (Wettbewerb)
Bauleitung: Steffen Kainzbauer
Bauzeit: 08.2017 – 04.2019
Fachplaner:
Klimaengineering: Transsolar Energietechnik GmbH, München, www.transsolar.com
Tragwerk: Ohligschläger, Ribarek, Roll, Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, Aalen, www.statikaalen.de
TGA: Jelli & Burkhard GmbH & Co. KG, Planungsgesellschaft für Technische Gebäudeausrüstung, Giengen, www.jelli-burkhard.de
Brandschutz: Brandschutzsachverständiger Herr Gaisser, Stadt Aalen
Projektdaten:
Nutzfläche: 832 m²
Technikfläche: 69 m²
Verkehrsfläche: 199 m²
Netto-Grundrissfläche: 1 100 m²
Brutto-Grundfläche: 1 287,5 m²
Brutto-Rauminhalt: 5 595 m³
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 52 kWh/m²a nach EnEV 2016
Endenergiebedarf: 70 kWh/m²a nach EnEV 2016
Gebäudehülle
Dach: Holzdach aus Hohlkastenelementen 36 cm, PU-Dämmung 20 cm i. M., extensives Gründach auf ebenen Flächen, Photovoltaik auf geneigten Dachflächen
Außenwand Beton: Sichtbetonwände 25 cm, Mineralwolle-Dämmung 16 cm, hinterlüftete Betonfertigteile 13 cm
Außenwand Holzbau: Holzrahmenbau-Wand mit Holzfaser-Dämmung, hinterlüftete Holzschalung
Fenster: Alu-Pfosten-Riegel-Konstruktion, 3-fach verglast
Boden: Dämm- und Installationsschicht, Calciumsulfat-Fließestrich, Kautschukbelag
U-Wert Außenwand = 0,14 kWh/m²a
U-Wert Bodenplatte = 0,20 kWh/m²a
U-Wert Dach = 0,10 kWh/m²a
Uw-Wert Fenster = 0,82 kWh/m²a
Ug-Wert Verglasung = 0,50 kWh/m²a
Luftwechselrate = 0,68 1/h
Haustechnik/Energiekonzept
Hocheffiziente Wärmerückgewinnung, Wirkungsgrad 75 %; Schublüftung mit extrem niedrigen Luftgeschwindigkeiten und Verzicht auf Abluftnetz: ca. 80 % Einsparung gegenüber konventioneller Lüftung; Vorkonditionierung der Zuluft mittels 45 m langem Erdkanal: Sommer -5 K, Winter +5 K; Regenwasserzisterne 42 000 l mit Grauwassernutzung 24 00 l; Versorgung mit Nahwärme aus dem Hauptgebäude (BHKW); MSR-Technik zur Überwachung und Regelung für Temperatur, CO2, Lüftung, Fenster, Licht, Medien, Jalousien; Monitoring zur Optimierung des Verbrauchs im Betrieb; PV-Anlage mit ca. 58 kWp zur internen Versorgung der Gebäude auf dem Campus
Hersteller
Hohlkastenelemente/Holzdach: Lignatur AG, www.lignatur.ch
Systemtrennwände: feco-feederle GmbH, www.feco.de
Fassade: Schüco International KG, www.schueco.com
Leuchten: Glamox GmbH, www.glamox.com