Aktuelle Lichtarbeiten aus Mülheim + Gdansk
www.webblick.de, www.gdansk2016.eu/narracje

Es gibt den Begriff der „Lichtverschmutzung“, der sich eng anlehnt an den der „Umweltverschmutzung“. Gemeint mit Lichtverschmutzung ist die Aufhellung der Nacht durch Lichtglocken über Großstädten und Industrieanlagen, großen Verkehrsadern oder Freizeitanlagen weit außerhalb städtischer Bebauung. Finstre Nacht und damit auch die ganze und überwältigend großartige Schönheit des sternenfunkelnden Nachthimmels kennt kaum noch jemand, der in einer Stadt groß geworden ist.

Aber niemand möchte zurück in die Finsternis der vorelektrifizierten Zeit, doch Lichtbombardement und ausgeklügelte, variable Lichtkonzepte sind zwei ganz unterschiedliche Seiten des einen Aspektes: der Vertreibung der Dunkelheit. Wie das auch gelingen kann, zeigen Licht­installationen von Architekten und Künstlern.

Zum Beispiel die Videoprojektionen auf die Schaufenster eines unspektakulären Möbelladens in Mülheim an der Ruhr, die im September im Rahmen von Twilight Zone, RUHR.2010 gezeigt wurden (Mader Stublic Wiermann, Berlin). Hier wurden die Schaufenster flächendeckend mit Videoprojektionen über eine Rückprojektionsfolie bespielt. Drei Projektoren erzeugten ein großes Standbild, das dem an dieser Stelle an sich banalen Stadtraum eigenartige, eigentlich unmögliche Räume hinzufügt, die so als Teil der Architektur der Stadt etabliert werden. Licht dient hier einer Erzählung und kann – theoretisch – an jedem anderen Ort eine andere Geschichte erzählen.

Einen ganz anderen Zugang – mit vergleich­baren Mitteln – zur Stadtgestaltung durch Bildersetzung bietet das Kunstprojekt „Narracje – Zeitgenössische Visuelle Kunst im öffentlichen Raum“, ein Beitrag der polnischen Stadt Gdansk zur Bewerbung um die Kulturhaupt­stadt 2016. Kuratiert von Bettina Pelz suchen hier Künstler nach so genannten „Lost spaces“. Anders als in Mülheim nutzten hier die Künstler Architektur als reine Projektionsfläche – so Marek Frankowski mit seiner Projektion einer sich in unbekanntem Raum verlierenden Wendeltreppe.

Mülheim und Gdansk zeigen, wie mit Licht im Stadtraum zu arbeiten ist: In ersterer ist es die nach innen gerichtete Erzählung, in der zweiten offenbart sich die Geschichte als rein ästhetisches Moment. Beides aber funktionieren nur dort, wo man der Dunkelheit den Respekt zollt, der ihr eigentlich zusteht; mehr Nacht! Heinrich Lee

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