FUTURIUM

»Architektur ist Forschung!«

Im Gespräch mit Jan Muskowski über das Futurium und wie sich ein Haus der Zukunft bauen lässt, ohne dass es in 10 Jahren überholt wirkt.

Wie kommt man dazu, ein Haus der Zukunft zu planen?

Jan Musikowski: Man macht einen Wettbewerb, gewinnt und dann baut man. [lacht]

Das klingt recht einfach.

Es war nicht einfach. Aber ein bisschen Glück gehört auch dazu. Es war ein 2-phasiger, offener, internationaler Wettbewerb 2011/2012. Dort konnten wir als junges Büro mitmachen, weil keine Referenzen benötigt wurden. Wir haben teilgenommen, neben vielen anderen – 163 Einreichungen gab es. Dann haben wir die zwei Phasen durchgestanden und sind als Sieger aus dem Verfahren herausgegangen. Das war ein schönes Gefühl, aber auch viel Verantwortung. Denn wir wussten, dass ist ein prominenter Platz, an dem das Futurium stehen wird.

Wie stellt man ein Team für solch eine Bauaufgabe zusammen?

Wir waren am Anfang zu zweit. Ich habe in Dresden an der Technischen Universität Christoph Richter kennengelernt. Wir haben beide an der Uni gelehrt und gleich gemerkt, dass wir eine gemeinsame Ebene haben. Gemeinsam haben wir dann den Wettbewerb für das Futurium bearbeitet. Und das war dann auch gleich der erste, der funktionierte. Wir haben – im Anbetracht der großen Aufgabe – eine GmbH gegründet und Freunde und Kollegen aus Berlin und Dresden als Mitarbeiter beschäftigt.

Haben Sie schnell Fachplaner dazu geholt?

Schon im Wettbewerb haben wir mit Fachplanern zusammengearbeitet. Das Gebäude war also kein Fantasiegespinst. Das Schöne nach dem Wettbewerbsgewinn war, dass wir das Fachplanerteam mit in die nächste Planungsphase nehmen konnten. Man konnte also mit den Leuten, mit denen man eng zusammengearbeitet hatte, direkt weitermachen.

Wie baut man ein Gebäude, das für die Zukunft steht, damit es nicht in allzu kurzer Zeit überholt erscheint?

Allein daran, dass 163 Büros zu dem Wettbewerb ihre Unterlagen eingereicht haben, merkt man, dass es unterschiedliche Vorstellungen zu einem Haus der Zukunft gibt. Das Gebäude sollte erstmal städtebaulich gut verankert sein. Es ist wichtig für die Zukunft eines Hauses, das es städtebaulich gut funktioniert. Im Gegensatz zu den Bürobauten nebenan, sollte Raum für die Öffentlichkeit geschaffen werden. Das heißt, das Futurium springt mit seiner Bauflucht zurück und gibt 30 m Platz frei, auf dem man sich aufhaltet kann – mit Bänken, Bäumen und dem Vordach. Das war unser Beitrag für die Stadt, dort einen vernünftigen Raum entstehen zu lassen. Ein Platz mit großem Vordach wird auch noch in zehn Jahren einladend wirken und Schutz vor Wind und Wetter bieten. Außerdem wollten wir kein modisches Haus bauen. Wir wollten kein Gebäude, dem man ansieht, das es 2017 gebaut wurde, das aber in zehn Jahren total überholt aussieht:

Wie haben Sie das erreicht?

Indem man versucht, Effekte zu inszenieren, die sich später immer noch in Szene setzen lassen. Es gibt eine Wechselbeziehung zwischen Gebäude und Stadt. Auch wollten wir kein Haus schaffen, das unbedingt „State of the Art“ sein muss, sondern ein robustes Gefäß für die Zukunft. In das die Zukunft – oder ­sagen wir, die gerade aktuelle Zukunft – wie ein Windhauch hinein- und auch wieder herauswehen kann. Das interessante an der Bauaufgabe ist, dass das Gebäude bleibt – auch in 50 Jahren steht es noch dort – aber die Inhalte sollen wechseln. Deswegen haben wir eine atmosphärische Hülle kreiert, die diesen Wechsel der Zukunft aufnehmen kann.

Und welche Hülle kann Ihrer Meinung nach den Wechsel der Zukunft aufnehmen? Wie sieht die aus?

Wir hatten unterschiedliche Bilder vor Augen. Beeindruckt waren wir zum Beispiel vom keramischen Hitzeschild einer Raumfähre. Das ist wahnsinnig robust. Gleichzeitig war da die Suche nach einer gewissen Ungreifbarkeit, nach etwas Diffusem – das Bild einer gelandeten Wolke kam uns in den Sinn. Diese beiden Bilder brachten uns zur Kombination von Glas und den dahinterliegenden Metallreflektoren. Es entstanden einfache physikalische Effekte wie Lichtbrechung und Reflexion, die auch noch in 30 Jahren wirken können. Wir haben dann viel im Büro anhand von 1:1 Modellen geforscht und Fassadenelemente gebaut. Während dieser Phase haben wir mit Fachberatern evaluiert, was industriell tatsächlich baubar ist. Entschieden haben wir uns dann für das preiswerte und robuste Industrieprodukt Gussglas.

Für die Fassade musste eine Zulassung im Einzelfall (ZiE) erwirkt werden. Es ist die erste Fassade in Deutschland, in der alle Glasteile nur verklebt sind. Normalerweise benötigt man ab einer Höhe von 8 m eine mechanische Sicherung. Manchmal sind es also kleine Schritte, an denen man das Rad ein kleines Stückchen weiterdrehen kann.

Sie haben den „Raumfahrt-Hitzeschild“ angesprochen. Haben Sie Entwicklungen aus anderen Branchen adaptiert?

Wir sind Freunde von bildhaften Utopien. Wir haben gemerkt, wir funktionieren im Büro über Bildsprache. Wir haben uns viele Bilder angesehen. Darunter war auch das Bild des Hitzeschilds. Das hat so eine Faszination, die auch andere verstehen. Also auch Leute, die nichts mit Architektur zu tun haben. Wir haben uns atmosphärische Filmsets aus der Batman-Trilogie von Christopher Nolan angeschaut, stellvertretend für die Ausstellungsflächen. Das sind eigentlich nur Denkbilder, die uns dazu animieren sollten, von dem Klassischen wegzukommen und die dem Bauherrn helfen, mitzudenken. Aber wir mussten es auch baubar machen. Dafür gibt es dann ja die ganzen DIN-Normen und Fassadennormen zu beachten.

Haben Sie die Normen als einschränkend oder inspirierend empfunden?

Das schwankt immer. Regeln animieren uns, sie zu brechen. Dennoch ist es schwer, am Ende muss das Haus ja mit einer Firma oder einem Generalunternehmer gebaut werden. Der möchte natürlich auch sein Geld verdienen. Wenn man zu viele ZiE´s benötigt, wird man nicht fertig und es wird zu teuer. Es gibt schon viele spannende Punkte, an denen man sich mit den Fachplanern zusammensetzen musste. Nur diese kennen wirklich die Normen und man fängt an, Wege zu diskutieren, um an den Vorgaben vorbei zu finden.

Wie haben Sie das gemacht. Haben Sie eine Forschungsabteilung im Büro?

Also ich finde, Architektur ist Forschung an sich. Wir haben Spaß am Bauen und am Forschen. Es ist so, dass man Themen, die man selbst begreift, dann auch besser versteht. Wir haben z. B. ein Muster der Fassade vom Energiespeicher im Büro aufgebaut und es funktionierte. Dann kann man dem Haustechniker sagen: Schau bei uns im Büro vorbei. Es funktioniert! Und so etwas wollen wir auch im Futurium. Und dann weiß er, wovon man spricht. Das ist ja auch Forschung. Aber es ist auch ein kreativer Prozess. Das Projekt regt natürlich auch an, zu experimentieren. Das ist auch der Anspruch und der Kos-tenrahmen ist dazu da, einmal länger über Sachen nachzudenken.

Was haben Sie aus dem Projekt für die Zukunft Ihres Büros gelernt?

Da gibt es ganz viel. Erstmal haben wir gelernt, dass wir in dieser Größenordnung bauen können – aus einem Zweier-Team heraus. Das gibt einem Rückenwind. Es ist alles eine Frage der Zeit und eine Frage der Energie. Und man kann es schaffen, verrückte Ideen umzusetzen. Wir hatten den Glauben, dass wir kreativ genug sind, den Lösungsweg zu finden. Sich nicht abschotten, sondern öffnen, also gemeinsam am Projekt zu arbeiten. Dann wird es besser.

Wie stellen Sie sich die Zukunft des Bauens vor?

Das ist keine einfache Frage. Es gibt viele Diskussionen wie: „Wird Bauen digitaler?!“ In erster Linie stellt man Architektur an einen Ort und dann steht sie dort für lange Zeit. Und es ist egal, ob sie auf dem Reißbrett entworfen wurde oder mit dem Computer. Sie muss erstmal für die Stadt funktionieren. Und wenn man das nicht beachtet, dann hat die Architektur an dieser Stelle verloren. Und die Stadt an dieser Stelle ebenso. Erstmal ist es wichtig, dass man sich Mühe gibt bei der räumlichen Ausgestaltung der Gebäude. Da steht gar nicht mal so sehr die Technik im Vordergrund, sondern eine nachhaltige Gestaltung, im Sinne von Benutzbarkeit und Mehrwert. An dem Ort, an dem das Futurium steht, stehen lauter Gebäude in der Nachbarschaft, die sagen, „Ich bin das grünste Haus Deutschlands. Ich habe die tollste Technik eingebaut.“ Aber als Stadtbewohner können Sie mit dem Ort nichts anfangen. Sie kommen nicht in die Gebäude rein ohne Sicherheitskontrolle, es gibt kein Café.

Das Digitale bietet uns Neues, neue Werkzeuge, mit denen wir arbeiten können. Das Licht im Erdgeschoss des Futuriums wird zentral von einem Rechner interaktiv gesteuert. Das gesamte Gebäude wurde digital ertüchtigt. Das steht für uns deutlich für einen energetischen Mehrwert. Ganz klar erreicht man auch durch das digitale Berechnen eines Gebäudes über ein 3D-Modell eine Effizienz hinsichtlich der Statik und des Tragwerks. Ein komplexer Organismus, wie die ausgeklügelte Technik des Futuriums, lässt sich nur mit digitalen Werkzeugen erfassen und simulieren. Das waren Erkenntnisse und Werkzeuge, die wir dankbar als neue Methoden erkannt haben. Und trotzdem bleibt die Architektur am Ende haptisch und auratisch. Dementsprechend muss man sie für viele Sinne ­öffnen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte DBZ Redakteurin Sarah Centgraf am 8. Oktober 2018 via Skype.

Unter #Futurium findet man auf Instagram schon über 2500 Bilder. Dort fotografieren sich Menschen gerne in wichtigen Posen vor dem Gebäude. Die Architekten freut es!

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