Aussegnungshalle Waldfriedhof Heidenheim
In den 1950er-Jahren erhielt Heidenheim einen neuen Friedhof im Wald. Das äußere Erscheinungsbild seiner Aussegnungshalle stand bisher im Kontrast zu seinem düsteren Inneren. Nun haben kaestle&ocker die Räumlichkeiten in Trockenbauweise hochwertig neu gestaltet.
Zwischen den Linien der Baumstämme zeichnet sich weiß das Gebäude ab. Sein Außenputz zeigt handwerkliche Spuren, seine Oberfläche ist mineralisch rau. Eine goldene Wand rahmt den Eingang um eine breite, kupferfarbene Tür. Hell und freundlich ist die Aussegnungshalle auf dem Waldfriedhof Heidenheim nun auch im Innern ausgekleidet. Der Raum umfängt Besucher mit natürlichen Materialien. Die plastischen Wände, die Reihen der Bänke und der cremig weiße Boden bilden einen schützenden Rahmen. In ihre bewegte Oberfläche schneidet die reinweiße Decke ein und leitet den Blick in Stufen hinunter zu dem entrückten Hof. Obwohl der Raum klar und leicht zu überblicken ist, verändert sich der Raumeindruck je nach Standpunkt, Blickrichtung und Tageslicht.
Düsterer Altbau
1957 erbaute Ludwig Gruber die Aussegnungshalle mit Aufbahrungsgebäude auf dem neu geschaffenen Waldfriedhof Heidenheim. Sie liegt im östlichen Bereich des Friedhofs, markiert durch einen stämmigen Turm. Drei Pultdächer mit einfacher Deckung schließen abgestuft daran an. Der asymmetrische Bau hat ein rundes Fenster nach Süden und ein markantes Drillingsfenster über dem Eingang. Niedrige Natursteinmauern verzahnen den Vorbereich mit der Natur. Im Ganzen eine äußere Erscheinung mit hoher Qualität. „Als wir das das erste Mal sahen, war klar, wir unterstützen die Stadt Heidenheim, die Halle zu halten“, erinnert sich Marcus Kaestle, einer der beiden Geschäftsführer von kaestle&ocker. „Was nicht gut war, war der Innenraum.“ Auf ausgemauerten Stahlbetonstützen lagerten sichtbare Unterzüge. Licht fiel spärlich durch hohe Fenster von Norden, gedämpft durch farbige Gläser. Das nach Osten abfallende Dach leitete auf eine Wand mit dunklem Vorhang. Zur Bauzeit wurde in dem dunklen Annex dahinter der Sarg präsentiert. Direkt vor dem Umbau war er nur noch ein Abstellraum, der Sarg wurde vor dem Vorhang präsentiert. „Den Raum, den wir vorgefunden haben, war Ausdruck einer Sprachlosigkeit beim Umgang mit dem Tod“, fasst es der Architekt heute zusammen.
Licht und Naturmaterial
Um die Belichtung zu verbessern, gestalteten die Architekten den Annex in einen offenen Lichthof um. Sie ließen das Dach dort zurückbauen und verkürzten die Halle. Eine weite Öffnung mit breiter Festverglasung und zwei Schiebeflügeln zum Querlüften liegt nun im Osten. Dahinter ist ein leerer Lichthof. „Die Aussegnung orientiert sich nun in den Außenraum und nicht mehr in ein dunkles Loch“, sagt Marcus Kaestle.
Um dem Innenraum mehr Qualität zu verleihen und ihn zu differenzieren, entwickelten die Architekten einen Vorhang aus Holzstäben in einem deutlichen Abstand von den Wänden. Aber nachdem dieser Entwurf schon ausgereift war, gab es am Ende zu viele Bedenken.
Ihr zweiter Entwurf kleidet die Innenwände plastisch mit Holz aus, ein Faltenwurf mit einer nach oben strebenden Geometrie. Der Rhythmus der Faltung passt sich dem Bestand von verstärktem Dachtragwerk und Fensteröffnungen an. Auch die Decke sinkt im gleichen Rhythmus in Kaskaden von horizontalen und geneigten Flächen zum neuen Lichthof ab.
Die eigens für den Raum entworfenen Sitzbänke und der Ambo sind ebenfalls aus Weißtanne, wie die Wände. Von den Bänken geht der Blick nun über die Hofmauer in die Wipfel der Bäume. Zu Anfang war die Hofwand reinweiß gestrichen, Reflektionen blendeten die Trauernden. Inzwischen ist das Weiß gebrochen.
Über dem Eingang schob sich die Empore als Kreissegment nach vorne. Ihre Grundfläche wurde verkleinert, die Brüstung ist jetzt gerade. Auch das angrenzende Aufbahrungsgebäude wurde umstrukturiert und von acht kleinen auf vier größere Aufbahrungsräume reduziert. Hier gibt es nun einen kleinen Raum für die Urnenbestattung, ebenfalls mit einer plastischen Wandbekleidung neu gestaltet. In sie ist eine Nische für die Urne integriert. Der ehemalige Nebeneingang von Norden ist nun Auszugsbereich, den von außen drei auskragende Pilzstützen aus rauem Beton markieren.
Astfreie Weißtanne
Der Boden in der Aussegnungshalle ist aus regionalem, rahmweiß gebänderten Jurakalk. Der weiße Verputz der akustisch dämpfenden Decke ist leicht gekörnt. Die Wände sind mit massiven Bohlen aus Weißtanne ausgekleidet – im Prinzip astfrei. Die Bretter in drei Breiten sind in einem unregelmäßigen Verbund auf der Unterkonstruktion verschraubt. Während der Anfang einer Reihe in der Nut und damit nicht sichtbar verschraubt wurde, sind die entstandenen Löcher am Ende einer Reihe verspachtelt. Ihre leicht strukturierte Oberfläche ist sauber geschliffen. Durch Holzlauge und Hartwachsen mit ca. 5 % weißem Pigment ist das Nadelholz noch einmal aufgehellt und vergilbt weniger. „Es ist ein Spiel zwischen einer Immaterialisierung und einem ganz warmen, haptischen Material“, erklärt Marcus Kaestle die Aufhellung.
Handwerklich gekonnt
Für die Wandverkleidung hatte die Stuttgarter Schreinerei Furch ein 1:1 Mockup in der Größe von 3 x 2,5 m im Auftrag des Bauherrn erstellt. Von den zur Angebotsabgabe eingeladenen Firmen erhielt Schreinerei Klaus Zitzmann aus Poppenhausen den Zuschlag. „Das Architekturbüro hat uns von Anfang an die Ausführung zugetraut“, erinnert sich Klaus Zitzmann. „Zum ersten Vororttermin habe ich gleich meinen Meister mitgenommen, damit er sich die ganze Sache ansehen kann. Die eigentliche Herausforderung war, die Bretter in diesen dreidimensionalen Formen auf die Unterkonstruktion zu sägen und aufzuschrauben.“ Während der Boden eingebaut wurde, fertigte er die Tragkonstruktion aus Elementen in Fichte-Dreischichtplatte in der Werkstatt vor.
Nach dem Abdecken des Bodens baute er sie ein. Nur die Eingangsseite fertigte er vor Ort. Mit Richthölzern auf der Unterkonstruktion gab er dem Trockenbauer vor, wie dieser an die Wand anschließt. „Diese Schnittstelle war ganz wichtig“, betont der Architekt. Weitspannprofile tragen nun die neue Decke aus reflektierenden und dämpfenden Platten. Lichtvouten sind an den Übergängen
integriert. Erst dann wurden die Wände bekleidet. „Wir haben das Holz vorsortiert, entsprechend zugeordnet und montiert“, erinnert sich der Schreiner. „Man muss schon sehr aufmerksam und wach bei der Arbeit sein. Sonst ist das nicht möglich, so etwas zu bauen.“ Durch die kurzen Knicke konnte er Reststücke verwenden und hatte weniger als 10 % Verschnitt. Das runde Fenster auf der Empore überbretterte er und fräste den Kreis aus. Für die Laibung setzte er einen Holzreifen ein. Sein Fazit: „Das war mit Sicherheit eine Arbeit für einen guten Schreiner.“ Zu Recht erhielt der Umbau die Hugo Häring Auszeichnung des BDA Ostwürttemberg 2017, den Materialpreis 2017 sowie best architects 18. Die BDA-Jury lobte: „Die Halle ist [...] durch ordnende Eingriffe wesentlich gestärkt worden. [...] Es ist eine angemessene, die Sinne berührende Atmosphäre geschaffen.“ Achim Pilz, Stuttgart
Baudaten
Objekt: Waldfriedhof Heidenheim, Umbau Aussegnungshalle und Aufbahrungsgebäude
Standort: Heidenheim
Typologie: Sakralbau
Bauherr: Stadt Heidenheim
Nutzer: Stadt Heidenheim
Architekt: kaestle&ocker, Marcus Kaestle, Andreas Ocker, Stuttgart,
www.kaestleocker.de
Mitarbeiter (Team): Lena Heinkele, Hannes Stark
Bauleitung: Andreas Ocker
Schreinerarbeiten: Schreinerei Klaus Zitzmann, Poppenhausen,
www.schreinerei-zitzmann.de
Bauzeit: April 2015 – Mai 2016
Fachplaner
Tragwerksplaner: Ingenieurbüro für Bauwesen Holz, Heidenheim
HLS-Planer: Ott Ingenieure, Langenau, www.ott-ingenieure.de
E-Planer: Ingenieurbüro für Elektrotechnik Kummich & Weißkopf, Bopfingen, www.ibkummich.de
Bauphysik: IBW Aalen, Aalen,
Projektdaten
Nutzfläche gesamt: 373 m²
Nutzfläche: 373 m²
Technikfläche: 103 m²
Verkehrsfläche: 143 m²
Brutto-Grundfläche: 620 m²
Brutto-Rauminhalt: 3 900 m³
Baukosten
KG 300 (brutto): 1 140 000 €
KG 400 (brutto): 272 000 €
KG 500 (brutto): 200 000 €
KG 600 (brutto): 165 000 €
Hersteller
Dach: Eternit GmbH,
Fenster: Wicona – Sapa Building
Systems GmbH, www.wicona.com
Fassade: Skyframe,
Wand: Habisreutinger,
Decke: Sto SE & Co. KGaA,
Boden: Solnhofen Stone Group GmbH, www.ssg-solnhofen.de
Sanitär: Villeroy & Boch AG,