Außen Ziegel, innen Sichtmauerwerk
Einfamilienhaus,
Lembeek/BE

Der belgische Ort Lembeek liegt rund 30 km nordöstlich von Brüssel. Das schwarze, freistehende Einfamilienhaus wurde von dem jungen, belgischen Architekturbüro lezze geplant. Das Backsteinhaus zeichnet sich durch seine markante Form aus, die durch eine streng gegliederte Fassade mit einer horizontalen Struktur aus versetzt angeordneten Ziegelschichten betont wird.

Der Kauf des Grundstücks verschlang bereits einen Großteil des Budgets des Auftraggebers, ein junges Paar mit zwei Kindern. Auf der Suche nach einer kostengüns-tigen Lösung für den Neubau eines Hauses und nach der Konsultation verschiedener Architekten lernten sie Roland Piffet, den Gründer von lezze architecten kennen. Die Bauherren waren vom Enthusiasmus des Architekten für eine derartige Bauaufgabe mitgerissen, jedoch vorsichtig reserviert gegenüber ihrem experimentellen, unkonventionellen Zugang. Die Nachbarschaft des Neubaus ist im Allgemeinen durch zweigeschossige Einfamilienhäuser entlang der Straße charakterisiert, mit breiten Straßenfassaden, Giebeldächer, einer seitlichen Garage und einem rückwärtigen Garten.

Das Backsteinhaus von lezze architecten verschließt sich hingegen mit einer fenster- und türlosen, ebenerdigen Fassade und dem steil ansteigenden und mit Eternitschindeln gedeckten Giebeldach zur südwestlich gelegenen Zufahrt am Kasteelbrakelsesteenweg. Die Ausrichtung des Hauses parallel zur Grundstücksgrenze und der Grenzabstand von 4 m ergab sich aus den Baurichtlinien. Die Architekten nützten ebenso die maximal zulässige Dachneigung von 45 ° aus, um gut begehbare Schlafräume unter der Dachschräge zu schaffen. Die Traufenhöhe zogen sie auf die minimal zulässigen 3 m herab. Unter Einhaltung des 90 °-Winkels zwischen den beiden Satteldachflächen entstand letztlich ein ebenerdiges Haus mit zwei Dachgeschossen.

Kompaktes Wohnhaus

Das Haus mit seiner Länge von 15 m und einer Breite von 5,71 m besitzt eine Bruttogrundfläche von 85,65 m². Das Erdgeschoss des nicht unterkellerten Gebäudes wird von einem 15 m² großen Abstellraum, der Eingangszone mit dem WC und dem Wohnbereich eingenommen. Die Eingangszone wird vom rund 48 m² großen Wohn-Essbereich mit der offenen Küche durch eine tragende, unverputzte und bis unters Dach aufsteigenden Ziegelwand getrennt, an der gleichzeitig die Holztreppe liegt, die die beiden Obergeschosse erschließt. Die exzentrisch gelagerte Treppe erlaubt eine bessere Erschließung der Obergeschosse und eine ideale Grundrisseinteilung mit drei Schlafräumen im ersten und einem zusätzlichen Schlafraum im zweiten Obergeschoss.

Im Zentrum des ersten Obergeschosses und über der Küche liegen das Badezimmer, das separate WC und ein zusätzlicher, kleiner Abstellraum. Die Wände dieser kompakten Box, um die ein Gang verläuft, sind Holzständerwände, die mit Polycarbonat-Platten gefüllt sind, so dass das Badezimmer als nach außen strahlender Lichtkörper fungiert oder indirekt vom Tageslicht erhellt wird, das durch die großformatigen Fenster fällt. Die großen Fenster der Schlafräume an der breiten Nordwest- und Südostfassaden sind scheinbar zufällig und versetzt platziert.

Intelligente Detaillösungen

Das Projekt ist eine ideale Synthese zwischen der Verwendung kostengünstiger Baumaterialien und der Umsetzung einfacher technischer Details. Die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den engagierten Bauingenieuren von Beginn des Planungsprozesses an führte dazu, dass die Technik integrierter und ästhetischer Bestandteil des Entwurfs wurde.
So empfahl Dirk Jasper vom Tragwerksbürobüro BAS die Ausbildung der gangseitigen Wand und der Trennwand zwischen den beiden kleinen Schlafzimmern im ersten Obergeschoss als biegesteife Verbundwand mit Holzständern und einer beidseitigen, zweilagigen Beplankung aus Multiplexplatten. Damit konnte das Erdgeschoss ohne Zwischenstützen mit Standard-Holzbalken überspannt werden. Diese Zwischenkonstruktion trägt gleichzeitig den Boden des zweiten Obergeschosses.
Ein anderes Resultat dieser engen Zusammenarbeit zwischen Tragwerksplanern  und Architekten ist die Verwendung von bewehrten und betonverstärkten Fenster- und Türüberlegern als „versteckte“ Ringbalken zur notwendigen Aussteifung der Ziegelwände. Die Standard-Überleger der Tür- und Fensterstürze wurden einfach über die gesamte Gebäudelänge durchgezogen und damit optisch zu einem harmonischen Teil des sichtbar belassenen Ziegelverbandes an der Gebäudeinnenseite. Die Flächen zwischen den Unterkanten der Fenster- und Türöffnungen und den Fensterstürzen wurden mit Standard-Hohlziegeln ausgemauert. Um hier kos-ten- und zeitintensive Zuschnitte der Ziegel zu umgehen, entschloss man sich schlichtweg, drei 14 cm dicke Ziegelformate zu verwenden, die übereinandergestapelt genau der Höhe der Öffnungen entsprachen.

Die gesamte Holzkonstruktion für die Decken, Böden, und Wände wurden nach der Fertigstellung des Rohbaus und der Ziegelwände montiert. Abgesehen vom Betonboden im Erdgeschoss sind alle Böden der Obergeschosse, ebenso wie die Wände mit lasierten Sperrholzplatten ausgeführt. Auch für die Anbringung der notwendigen Steckdosen und Lichtschalter wurde eine einfache Lösung im Verband mit den an der Innenwand des Gebäudes montierten Fenster- und Türrahmen gefunden, ohne die Ziegel anzutasten. So wurden die elektrischen Leitungen von den Zwischendecken aus in den breiten Verblendungen der Fensterrahmen hochgezogen. Durch die Montage der Fenster- und Türrahmen an der Gebäudeinnenwand konnten im oberen, horizontalen Rahmenteil von außen nicht sichtbare Lüftungsschlitze eingebaut und gleichzeitig die Wärmeisolierung verborgen werden.

Da die Architekten auch die Bauaufsicht machten, war es möglich, vor Ort noch Anpassungen vorzunehmen. So wurde unter anderem die Mauerung der Außenwand kurzerhand umgedreht und die bündige Ziegel-oberfläche an die Innenseite, zur Wärmeisolierung hin, verlegt.

Ähnlich wie bei den Innenwänden kamen bei der Fassadengestaltung drei verschiedene Ziegelformate – alle mit demselben, schwarzen Farbton – zum Einsatz, wodurch die unterschiedliche Schichtung und die Versprünge entstanden. Um auch hier Kosten zu sparen, wurden Steine unterschiedlicher Qualitäten verwendet und in einem Dünnbettmörtelbett verlegt. Als logische Konsequenz der Verwendung verschiedener Ziegelformate sahen sich die Architekten allerdings gezwungen, alle Ziegellagen im Detail durchzuzeichnen.

Das Projekt zeigt, dass es trotz eines sehr limitierten Budgets und Dank der geschickten und innovativen Verwendung von Standard-Baumaterialien und der notwendigen Handwerkskunst möglich ist, anspruchsvolle, interessante und funktionelle Architektur mit Liebe zum Detail zu machen. Michael Koller, Den Haag

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