Der „Kuschelbeton“ kommt ohne Wärmedämmung aus
Wohnhaus in Berlin

Das Wohnhaus eines Ingenieurs und einer Architektin in Berlin wird Versuchsobjekt für einen recht neu entwickelten, das heißt verbesserten, Beton: Den Infraleichtbeton.

Architekten lieben den Beton. Die Ursache dafür ist noch nicht erforscht und muss wohl im tiefenpsychologischen Bereich zu suchen sein, denn alle anderen Zeitgenossen hassen den fahlgrauen Baustoff und pflegen betonsichtige Bauten reflexartig als „Betonbunker“ abzuqualifizieren. Nur hin und wieder gelingt es Stararchitekten, Betonbauten zu erstellen, die auch in der allgemeinen Bevölkerung Respekt erfahren. Doch für Normalarchitekten gilt (zumindest in unseren Breiten und so lange der Klimawandel sich noch nicht merklich Platz gegriffen hat): Der Beton hat, bei allen Vorzügen den entscheidenden Nachteil der enormen Wärmeleitfähigkeit. Das ist der Grund, weshalb der schöne Beton allenthalben hinter Wärmedämmung und hässlichen Verkleidungen verhehlt wird.


Die Entwicklung des Infraleichtbetons

Doch nun zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont ab. Der Ingenieur Mike Schlaich, Inhaber des Lehrstuhls für Entwerfen und Konstruieren - Massivbau der TU Berlin hatte von dem Schweizer Architekten Patrick Gartmann gehört, der sich 2003 in Chur ein Haus aus „Isolationsbeton“ gebaut hatte, einschalig, ohne zusätzliche Wärmedämmung. Dieser Leichtbeton besteht aus einer Mischung aus Zement und Blähtonperlen sowie Blähglasperlen aus Recyclingglas-Granulat und hat etwa die Dichte von Buchenholz und wesentlich bessere Wärmedämmeigenschaften (U = 0,32 W/mK). Diese Werte genügen jedoch noch nicht, um ein Passivenergiehaus zu errichten.

In langen Versuchsreihen entwickelte Schlaich deshalb in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Baustoffe und Baustoffprüfung der TU Berlin einen verbesserten Beton, den er „Infraleichtbeton“ nannte, weil er noch leichter ist, als die Definition für Leichtbeton nach DIN 1045-1 mit einer Trockenrohdichte von 800-2 000 kg/m³ vorsieht.

Viele Versuchsreihen mit unterschiedlichen Rezepturen und Fließdichten waren notwendig, um unterschiedlichste Probleme zu lösen. Das Ergebnis war schließlich ein Beton mit 760 kg/m³ Trockenrohdichte und einer Wärmeleitfähigkeit von nurmehr 0,181 W/mK. Der Wärmestromdurchgang einer 50 cm starken Wand (U = 0,34 W/m³K) entspricht etwa dem einer gleich starken Ziegelwand mit Wärmedämmverbundsystem. Schwind- und Kriechverhalten, Druck- und Biegezugfestigkeit und andere Parameter unterscheiden sich teilweise erheblich. Schon die erhebliche Rissbildung macht Bewehrung notwendig. Wegen der geringeren Wasserdichtigkeit werden allerdings keine rostgefährdeten Baustahlmatten für die Bewehrung eingesetzt, sondern Glasfaserstäbe . Gleichwohl sind tragende Decken mit größeren Spannweiten in Infraleichtbeton nicht möglich. Andererseits kann man problemlos Nägel in die Wand schlagen um seine Bilder aufzuhängen. Tragende Innenwände und Decken werden jedoch aus Normalbeton sein müssen, auch wegen der Wärmespeicherfunktion. Mike Schlaichs dreigeschossiger Einfamilienhaus-Prototyp in Pankow besitzt 50 cm starke Außenwände. Die Anschlüsse der Geschossdecken und Innenwände sind jedoch neu entwickelt worden, denn sie können nicht eingespannt werden. Die Normalbetondecken stechen 25 cm tief in die Wände und lagern auf Moosgummi, die Stirnseiten sind mit Schaumglas zusätzlich gedämmt, ähnlich wie der Anschluss der Metallfassaden. Kleine Fenster sind konstruktiv sehr einfach in die Öffnungen eingestellt. Durch hinterlüftete hölzerne Innenlaibungen wird die notwendige Wärmedämmung erreicht.

Auf diese Weise nutzt das Haus die jeweiligen Vorzüge von Normalbeton und Infraleichtbeton aus und kann sich als Traum des Architekten präsentieren: in wunderbarem Sichtbeton, innen wie außen.

Falk Jaeger, Berlin

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