Auszeichnung
Salzlagerhalle Geislingen

Durch geänderte Logistik im Streusalzvertrieb entsteht für neue Salzlagerhallen die Anforderung einer lichten Durchfahrtshöhe von 10 m für Sattelschlepper mit gekippter Liefermulde. Gleichzeitig erhöhen sich häufig aus Platzgründen auch die gewünschten Schütthöhen auf 5 – 7 m. Dies führt zu hohen Horizontalkräften an den Schüttwänden, für die angemessene Konstruktionen gefunden werden müssen, die den für die meisten Baustoffe aggressiven chemischen Eigenschaften des Salzklimas in der Halle Rechnung tragen. Deswegen besteht das Gebäude aus einer „Lagermulde“ und einer darauf aufgesetzten „Wetterschutzhülle“.


Tragwerk

Holz und Stahlbeton, die Materialien der Tragkonstruktionen, sind jeweils dort eingesetzt, wo sie für die konstruktiv-statischen Erfordernisse die besten Eigenschaften bieten. So sind die Bauteile mit direktem Kontakt zum Salzklima des Innenraums in Holz ausgeführt, da Salz einen konservierenden Effekt auf Holz hat. Die großen Momente aus den Horizontallasten der Schüttwände und aus der Gebäudeaussteifung wiederum werden durch außerhalb der Halle angeordnete Stahlbetonlisenen aufgenommen. Diese sind über Stahlbetonfundamentbalken miteinander verbunden. Die dreiecksförmige Geometrie der Stelen folgt dem Momentenverlauf und führt so zu einem optimierten Bewehrungsanteil. Zugleich entsteht auf der Außenseite ein ungewöhnliches Fassadenbild, das, vielleicht auch über Assoziationen zu Lagermulden, die besondere Aufgabe des Gebäudes spürbar macht.

Hülle

Die Aussteifung der Wetterschutzhülle, die als Holzkonstruktion auf den Stelen aufsitzt, erfolgt lediglich über eingespannte Stützen und die Dachscheibe. Auf sonst übliche Stahlverbände wird verzichtet. Die Stützen sind über jeweils zwei Edelstahlschraubbolzen an die ­Betonlisenen angeschlossen. Es gibt keine aufwendigen Fußpunktkonstruktionen oder Verbinderbauteile zur Erzeugung einer steifen Rahmenecke.

Das am häufigsten auftretende Problem bei Salzhallen älteren Typs ist, dass Salz in Konstruktionshohlräume gelangt und dort zu Bauschäden führt. Alle Bauelemente der neuen Halle sind daher vollständig offen und hohlraumfrei konzipiert. Eventuelle Schäden können frühzeitig erkannt und beseitigt werden.

Die einzelnen Betonlisenen sind durch die 15 cm starke Schüttwand aus Brettschichtholz untereinander verbunden. Die Schüttwandflächen sind je Seite lediglich horizontal, parallel zur Faserrichtung zweimal gestoßen, um Eindringen von Salz in Hirnholzflächen zu vermeiden, wodurch längerfristig die Faserstruktur aufgeweicht würde. Die einzelnen Brettschichtholzelemente sind daher bis zu 23 m lang. Die Dachplatte aus 5 cm starken Brettschichtholzplatten bildet im Verbund mit den Attikaaufkantungen aus Konstruktionsvollholzprofilen eine aussteifende Scheibe.

Salz wirkt auf Stahl besonders aggressiv. Selbst Edelstahl sollte nur in aufwendigen, hochvergüteten Qualitäten verwendet werden. Die gewählte Konstruktion zielt daher darauf ab, die Anzahl von Metallverbindungen zu minimieren.
Die Hülle dient als Schutz vor Witterung und Verschmutzung. Wärmedämmung und damit verbundene mehrschalige Konstruktionen sind nicht erforderlich. Öffnungen in den Fassadenanschlüssen und im Tor ermöglichen eine gute Belüftung der Halle und verhindern Kondensatbildung. Salzbeständige, transparente Kunststoff-Wellplatten gewährleisten die natürliche Belichtung und den erforderlichen konstruktiven Holzschutz der Schüttwand, die sich ansonsten ohne weitere Verkleidungen im Kontakt mit der Außenluft befindet.

Beurteilung der Jury

Eine Salzlagerhalle ist eine ungewöhnliche Architekturaufgabe. Sie ist nicht deshalb selten, weil man nur so wenige Salzlagerhallen braucht, sondern weil ­gewöhnlich System­lösungen ohne architektonischen Anspruch gewählt werden. Dass dieser sich in herausragendem Maße bei der Beschäftigung mit einem solchen „Zweckbau“ einzustellen vermag, beweist das Beispiel der äußerst gelungenen Salzlagerhalle in Geislingen an der Steige auf beeindruckende Weise.

Eine Salzlagerhalle ist nicht besonders groß, ihre Raumorganisation denkbar einfach und die gebäudetechnische Ausrüstung verschwindend gering. Trotzdem ist die Bauaufgabe nicht ganz unkompliziert: Das Streusalz muss aus ökonomischen Gründen möglichst kompakt zu einem Haufen aufgeschüttet werden können, was große Horizontalkräfte auf die Außenwände bringt, und das Salz ist Gift für den Baustoff Stahl, der deshalb nur sparsam eingesetzt werden darf. Zudem muss die Halle sehr gut durchlüftet sein, um die Bildung von Kondenswasser auszuschließen.

Aus diesen Anforderungen haben die Autoren des Projekts eine überzeugend simple Lösung von hohem ästhetischen Reiz entwickelt. Die begrenzenden Wände des Salzhaufens sind dem Druck der Schüttmasse und dem Momentenverlauf der Stützkonstruktion entsprechend schräg gestellt. Sie bestehen aus nur zweimal in der Höhe gestoßenem, 23 m langen Brettschichtholz, das durch den Kontakt mit dem Salz konserviert wird. Die eingespannten, dreiecksförmigen Betonlisenen, welche die Schüttwände stützen, geben der Fassade eine markante Gliederung. Die mit minimierter Edelstahlverbindung aufgesetzten Holzstützen tragen das Dach, das angenehm einfach als Pultdach nach hinten entwässert.

Der Salzhaufen wird mit einer vor Witterung schützenden „Haube“ umhüllt, die erst oberhalb der Betonlisenen beginnt und mit einer Fuge unter dem Dach abschließt. Konstruktiver Holzschutz der Schüttwände und optimale Durchlüftung der Halle sind auf einfachste Weise gegeben. Die transparente Hülle versorgt das Innere mit Tageslicht, so dass der Kunstlichteinsatz minimiert wird.

Auch wenn hier keine hochkomplexe
Aufgabe im schwierigsten Miteinander der Bereiche Architektur, Tragwerk und Gebäudetechnik zu bewältigen war, steht die Salzlager­­halle in Geislingen an der Steige vorbildhaft für die gute Zusammenarbeit der am Bau beteiligten Disziplinen. Der hohe Wert der Arbeit liegt in der intelligenten und architektonisch überzeugen­den Lösung für eine scheinbare Allerweltsaufgabe.

Projektbeteiligte

Bauherr: Staatliches Hochbauamt Ulm (für den Bund), www.hba-ulm.de
Architekten: vautz mang architekten bda, Stuttgart, www.vautzmang.de
Tragwerksplanung: Furche Geiger Zimmermann, Köngen, www.fuzi-tragwerke.de
Bauphysik: OFD Karlsruhe, Bundesbau BW Betriebsleitung, www.ofd-karlsruhe.de
Verkehrs- und Tiefbauplanung: Ingenieurbüro Bürkle, Göppingen, www.buerkle-ingenieure.de

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