Beton mit Mehrwert
Photokatalytisch aktive Oberflächen von Beton­waren und -fertigteilen

Betonoberflächen sind seit mehr als einem Jahrhundert die weltweit häufigst hergestellten mineralischen Oberflächen. Mit Beton werden nicht nur höchste bautechnische Anforderungen wie Tragfähigkeit und Langlebigkeit gelöst, immer stärker rücken neue Aufgabenstellungen wie ästhetisches Aussehen und in jüngster Zeit auch die Umwelt verbessernde Aufgaben in den Mittelpunkt.

Der Gedanke ist faszinierend: Baustoffe aus Beton wie bspw. Pflastersteine oder Fertigteile, die nicht nur funktional und optisch ­attraktiv sind, sondern die sich darüber

hinaus auch noch selbst reinigen und dabei messbar und nachhaltig Luftschadstoffe abbauen. Was ist daran Wunschdenken und was bereits Realität? Nachfolgend ein aktueller Sachstandsbericht zu photokatalytisch aktiven Betonoberflächen – von den theoretischen Grundlagen bis zu den schon heute verfügbaren prakti­schen Anwendungen.

Das Phänomen der Photokatalyse

Was zunächst so unglaublich klingt, ist alles andere als Zauberei, sondern normale Photochemie. Der Schlüssel hierfür ist die durch das Weißpigment Anatas Titandioxid (TiO2)nachweislich stattfindende Photokatalyse an Betonoberflächen, die u. a. umweltschädliche Stickoxide oxidieren und in unschädliche Verbindungen (Nitrate) umwandeln kann.

Da­neben kann Photokatalyse auch zur Selbst­reinigung von Oberflächen und somit zur Re­duzierung von Oberflächenver­schmut-z­un­gen beitragen (zur genauen Wirkungsweise s. Kasten). Das ist ein schon lange beobachtetes Phänomen von TiO2-Pigment-haltigen Baustoffoberflächen. Bereits vor über einem halben Jahrhundert wurde Titandioxid erfolgreich zur Aufhellung von weißem Markierungsbeton im Straßenbau eingesetzt. 1965 wurde Titandioxid als Weißpigment mit einer deutlichen Langzeitbrillanz in der Fachliteratur beschrieben und ab dann wegen seiner selbstreinigenden Effekte zunehmend als Weißpigment, insbesondere bei zementären Baustoffen mit Weißzement, eingesetzt.

Auch in der Wissenschaft sind die Phänomene der Photokatalyse schon seit langem bekannt und wurden erstmals 1956 durch japanische Forscher als „Autooxidation by TiO2 as a photocatalyst“ auch so benannt. Die besondere Untersuchung des oxidativen Abbaus von Kohlenwasserstoffen und oxidierbaren Luftschadstoffen sowie die Ausbildung von Hydrophilie insbesondere auf Baustoffoberflächen begann in den 1990er-Jahren und ist bis heute noch nicht abgeschlossen.

Herstellung von photokatalytisch aktiven Betonoberflächen

Die photokatalytische Reaktion ist immer ein Oberflächeneffekt. Im Inneren von Baustoffen vorhandene Photokatalysatoren, an die kein Licht kommt, wirken nicht. Deshalb wird bei der photokatalytischen Ausrüstung von Baustoffoberflächen immer versucht, möglichst viele aktive Titandioxid-Minerale an der Oberfläche anzureichern. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen.

Einbringen der Photokatalysatoren in die Baustoffmatrix

Die Zugabe von Titandioxid in die Baustoffmatrix ist heute neben der später noch beschriebenen Anwendung von Beschichtungen die am häufigsten verwendete Applikationsmethode. Die für die photokatalytische Effektivität der Baustoffoberfläche notwendige sehr gute Dispergierung lässt sich durch den Einsatz von vorgefertigten Spezialzementen erreichen, die im Zementwerk in besonderen Misch- und Mahlaggregaten hergestellt werden, sowie durch Hochleistungszwangsmischer in Beton- und Mörtelwerken. Diese Technologien sind heute bereits im Markt verfügbar und werden sporadisch eingesetzt. Grundsätzlich größtes Hindernis ist dabei die Wirtschaftlichkeit derartiger Bauverfahren, da der Einsatz von insbesondere nanoskaligen Titandioxid-Partikeln zum einen sehr teuer ist, zum zweiten die überwiegende Menge dieser aktiven Partikel im Inneren der Betone nicht zur Oberflächenaktivität beitragen.

Modifikation durch Anreicherung der Photokatalysatoren in der Baustoffoberfläche

Durch besondere Technologien lassen sich Betonoberflächen mit Photokatalysator an­reichern und tragen damit zur Oberflächen­ak­tivität bei:

– Einsatz von mit Titandioxid-Photokatalysatoren modifizierten Betontrennmitteln
– Aufstäubung von Titandioxid-Photokatalysatoren auf frische Betonoberflächen mit ggf. nachträglicher Einarbeitung
– Einsatz von mit Titandioxid-Photokatalysatoren modifizierten Farbbeschichtungen - diese Maßnahme hält nur solange, wie die Farbbeschichtung dauerhaft ist.

Praktische Anwendungen von Boden bis zum Dach

So aktuell das Thema ist, so unterschiedlich geht die Betonwaren- und Betonfertigteil-Branche damit um. Während sich bei einigen Unternehmen das Schlagwort „Photokatalyse“ noch nicht mal als Link auf ihrer Homepage findet, haben eine ganze Reihe von Herstellern – speziell aus dem Bereich der Betonwaren – entsprechend ausgelobte Produkte schon seit geraumer Zeit im Angebot und kommunizieren das Thema auch aktiv gegenüber ihren Endkunden.

So gibt es bereits Betonwaren und Betonelemente unter Bezeichnungen wie Airclean,
BlueAir-Technology, Ökostar-Technologie, p.a.b.- Technologie, wo auf den Zusatznutzen der Photokatalyse abgehoben wird. Im Bereich der Faserzement-Fas­saden bzw. Dachplatten und mineralischen Putze sind es Produktbezeichnungen wie ­Activa und Nanopor. Die Fokussierung auf den Produktnutzen ist hierbei uneinheitlich. So finden sich Aussagen wie „… der eleganteste Beitrag zu sauberer Luft“ genauso wie „… Selbstreinigung mit den Kräften der Natur“. Diese unvollständige Aufzählung soll ­zeigen, dass das Thema photokatalytisch wirksamer Oberflächen in vielen Bereichen bereits in der Praxis angekommen ist.

Beton-Demonstrationswand sorgt für neue Erkenntnisse

Die Erstellung einer freibewitterten Beton-Demonstrationswand, an der die Anwendungsmöglichkeiten demonstriert und in den nächsten Jahren auch deren nachhaltiger und dauerhafter Einsatz dokumentiert werden, stellt einen wichtigen Meilenstein für die Zukunft der Anwendung des photokatalytischen Effekts auf Betonoberflächen dar.

Diese im Rahmen des Forschungsprojektes „HelioClean“ 2012 auf dem Gelände des Dyckerhoff Zementwerks Amöneburg errichtet Betonwand ist 6 m lang und 2 m hoch. In Ost-West-Richtung ausgerichtet, besteht sie aus zwei Segmenten Transportbeton und vier Segmenten Fertigteilbeton mit unterschiedlich photokatalytisch modifizierten Oberflächen. Die Abdeckung der Betonwand wurde mit neutralen und photokatalytisch aktiven Ziegeldachsteinen ausgeführt. Umgeben ist die Wand durch eine 9 x 5 m² große Betonpflastersteinfläche mit und ohne photokatalytische Aktivierung.

An allen Oberflächen sollen in den nächs-ten Jahren regelmäßig und systematisch die photokatalytischen Aktivitäten durch Messung des NO-Abbaus überprüft werden, um so exakte Daten und Hinweise auf die Wirkungsweise und Dauerhaftigkeit derartiger Maßnahmen zu erhalten. Auf Basis dieser Erkennt­nisse wird die Photokatalyse dem Werkstoff Beton mit Sicherheit weitere praktische Anwendungen und damit auch neue Chancen eröffnen.

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