Bettenhaus Charité, Berlin
Auf den ersten Blick wirkt sie wenig spektakulär: die neue, von SAA Schweger Architekten, Hamburg, entworfene Fassade des 1982 eingeweihten Bettenhochhauses der Berliner Charité. Doch bei näherer Betrachtung offenbart sie ihre hohe Funktionalität und große Nutzerfreundlichkeit.
Anfangs ist es nicht leicht, die im Berliner Zentrum kaum zu übersehende, neue Fassade des 82 m hohen Bettenhauses der Charité ins Herz zu schließen. Aus der Entfernung ähnelt das strenge Raster aus Glas und Aluminium sehr vielen anderen Rasterfassaden Berliner Neubauten. Aus der Nähe betrachtet zeigt die im September 2016 nach nur einem Jahr Bauzeit fertiggestellte Außenhaut jedoch überraschende Qualitäten. Diese sind nicht nur das Ergebnis des Entwurfs von SAA Schweger Architekten, Hamburg, die 2012 siegreich aus dem Fassaden-Architekturwettbewerb hervorgingen. Sie sind mindestens ebenso der Vorplanung der Berliner Architekten von Ludes Generalplaner GmbH – Part of Sweco Architects zu verdan-
ken, die schon 2011 im Rahmen eines VOF-Verfahrens mit der Sanierung des Bettenhauses beauftragt wurden.
Strenges Raster, differenziert gegliedert
Als erstes fällt bei Annäherung an das Bettenhaus die differenzierte Gliederung der neuen Fassade auf. Den 21 Stockwerke hohen Baukörper unterteilten SAA Schweger Architekten in einen mit dunkelgrauen Aluminiumblechen verkleideten, viergeschossigen Sockel, der Behandlungsräume aufnimmt, und die darüber liegenden, hellgrau aluminiumbekleideten Pflegegeschosse mit 615 Betten in 327 Zimmern. An den Breitseiten des Baukörpers betonten die Architekten die letzten fünf, pilasterartig hervortretenden Fensterachsen zusätzlich durch Blindfenster.
Die Sockelgeschosse gliederten die Architekten stark horizontal, indem sie längsrechteckige Blechformate verwendeten und die Fens-terbleche zu einer leicht aus der Fassadenhauptebene hervortretenden Bänderung zusammenfassten. Die Bekleidung der ersten vier Geschosse wirkt außerdem flächiger als die der Obergeschosse, da es beim Sockel mit den Aluminiumtafeln und den Fenstergläsern im Wesentlichen nur zwei Fassadenebenen gibt. Kleinteiliger und stark vertikal orientiert gestalteten SAA Schweger Architekten dagegen die neue Außenhaut ab dem fünften Geschoss. So fassten sie die Aluminiumbleche zwischen den schmalen, hochrechteckigen Fenstern zu geschossübergreifenden Lisenen zusammen. Hinter diese Fassaden-ebene treten die Brüstungsbleche und – noch ein paar Zentimeter weiter zurückgesetzt – die Verglasung der Fenster zurück. „Wie ein weißer Arztkittel sollte die neue Fassade sich über den bestehenden Baukörper stülpen“, erklärt Rolf Meyer, Projektleiter für SAA Schweger Architekten das Entwurfs- und Farbkonzept.
Kostengünstig, schnell montiert
Der Entwurf, mit dem SAA Schweger Architekten 2012 den Fassadenwettbewerb gewannen, unterschied sich jedoch in wesentlichen Punkten von der letztlich ausgeführten Fassade. So sollte der Sockel ursprünglich mit backsteinfarbener Keramik verkleidet werden, um auf die historische Bebauung des Charité-Campus Bezug zu nehmen. Die Keramik sei leider dem knappen Budget von nur ca. 20 Mio. € für 26 000 m2 zu sanierender Fassade zum Opfer gefallen, erklärt Meyer die kostengünstigere Ausführung in Aluminium.
Auch Peter Schmiedgen, Projektleiter für Ludes Generalplaner GmbH - Part of Sweco Architects, stimmt zu, dass der enge Kostenrahmen eine der großen Herausforderungen des Projekts war. Diese haben die Planer gut gemeistert, blieben sie doch innerhalb des vorgesehenen Budgets.
Darüber hinaus wirkt die realisierte, elementierte Aluminiumfassade keineswegs billig. Dies verdankt sie vor allem ihren präzisen Details, die durch die Entscheidung für eine Elementfassade und einer damit möglichen Vormontage begünstigt wurden. Auf der Baustelle hoben Kräne die 2 470 einzelnen, 1,80 m hohen und in den Sockelgeschossen 4,20 bzw. in den Obergeschossen 3,30 m breiten Fassadenelemente nur noch an die richtige Position, wo diese von den Monteuren an den Halterungen befestigt wurden. Auf diese Weise war die Montage eines Geschosses pro Tag möglich. Ungewöhnlich war dabei jedoch die Montagerichtung. Anders als üblich wurden die Elemente oben beginnend und dann sukzessive nach unten fortschreitend angebracht.
„Die Waschbetonfertigteile der alten Fassade konnten aus Sicherheitsgründen und wegen ihrer Verbindungen ausschließlich von oben nach unten demontiert werden“,
begründet Peter Schmiedgen diesen Ablauf.
Licht und Luft
Auch die anderen, komplexen Anforderungen an die neue Fassade haben die Planer hervorragend bewältigt. So sollte die Fassade energieeffizient sein, schnell zu montieren, leicht zu reinigen und – das war das Wichtigste – nutzerfreundlich. „Wir wollten keine Fassade, die bei den Patienten ein Sick-Building-Syndrom verursachen könnte“, sagt Fassadenplaner Wolfgang Priedemann. Daher hätten sie sich für Fenster mit Drehflügeln entschieden, die sich grundsätzlich alle – mit Ausnahme sensibler Behandlungsräume – von Mitarbeitern und
Patienten öffnen lassen. Das überrascht und erfreut zugleich, finden sich individuell zu öffnende Fenster doch mittlerweile immer seltener beim anhaltenden Trend zu automatisierter Haustechnik. Diese ist dennoch vorhanden und stellt die hygienisch notwendige Lüftung der Räume sicher.
Komplett lassen sich die Fenster jedoch nur für Reinigung und Wartung öffnen. Für die Standardnutzung begrenzten die Planer den Öffnungswinkel auf 12 Grad. „Die Öffnungsbegrenzung ist als Absturzsicherung notwendig“, sagt Peter Schmiedgen. Denn, so Schmiedgen weiter, die Brüstungshöhe in den Krankenzimmern oberhalb des Sockels betrage nur 45 cm, damit Patienten auch liegend, vom Bett aus die Aussicht auf das Berliner Zentrum genießen könnten. Außerdem ermögliche die niedrige Brüstungshöhe, in den Patientenzimmern die verbreiterten Fensterbänke als Sitzgelegenheiten zu nutzen.
Nicht nur die Fenster können Gebäudenutzer selbstständig öffnen, auch der Sonnenschutz lässt sich individuell regeln. In den Sockelgeschossen übernehmen
außenliegende, windstabile Raffstores vor den einflügeligen Fenstern mit 2-fach-Isolierverglasung diese Funk- tion. In den stärkeren Winden ausgesetzten Obergeschossen entschieden sich die Planer für Jalousien, die sich zwischen den Flügeln der dort verwendeten Verbundfenster befinden. Durch den zusätzlichen außenliegenden, 1-fach-verglasten Verbundflügel in den Obergeschossen, der die Isolierverglasung ergänzt, verbessern sich die Fassadenkennwerte in Hinblick auf Wärme- und Schallschutz noch einmal deutlich und darüber hinaus lässt er sich leicht von innen reinigen.
Gegen Ende der Besichtigung hat sich tatsächlich
auch beim Autor dieses Beitrags der erste Eindruck einer durchschnittlichen, wenig komplexen Außenhaut gewandelt, hin zu einer differenziert gestalteten, funktionalen und nutzerfreundlichen Gebäudebekleidung. Deren fehlender Bezug zur postmodernen Original-Fassade und der Verzicht auf den noch im Wettbewerb vorgesehenen backsteinfarbenen Keramiksockel schmerzen dennoch.
Baudaten
Objekt: Bettenhaus Charité-Universitätsmedizin Berlin
Standort: Luisenstr. 64, 10117 Berlin
Typologie: Hochhaus
Bauherr: Charité-Universitätsmedizin Berlin,
Robert-Koch-Platz 9,10115 Berlin
Nutzer: Charité-Universitätsmedizin Berlin,
Robert-Koch-Platz 9,10115 Berlin
Generalplaner: Dipl.-Ing. Stefan Ludes BDA, Ludes Generalplaner GmbH – Part of Sweco Architects, www.ludes-generalplaner.de
Mitarbeiter (Team): Senior Projektleiter Dipl.-Arch. Peter Schmiedgen, Stellv. Projektleiter Dipl.-Ing. Arch. Patrick Hedwig
Fassadenplanung: SAA Schweger Architekten, Hamburg, www.schweger-architects.com
Mitarbeiter (Team): Dipl.-Ing. Rolf Meyer (PL), Dipl.-Ing. Karl-Michael Eggers, Dipl.-Ing. Jens-Peter Frahm, Dipl.-Ing. Ralf Hawer, Dipl.-Ing. Marc Schüler
Bauleitung: VAMED Management und Service GmbH Deutschland, Berlin, www.vamed.de; Ed. Züblin AG, Stuttgart, www.zueblin.de
Generalunternehmer: VAMED Management und
Service GmbH Deutschland/ Ed. Züblin AG
Planungs- und Bauzeit: Okt. 2011 – Dez. 2016
Fachplaner
Fassadenberater: Priedemann Fassadenberatung, Berlin, www.priedemann.de
Tragwerksplaner: Ing.-Büro Horn und Horn,
Neumünster, www.hornundhorn.de
TGA-Planer: Arge Ing.-Büro Liebert, Hüfingen,
www.liebert-ing.de/liebert-ingenieurbuero-fuer-versorgungstechnik; Ing.-Büro Ridder & Meyn, Berlin, www.ridder-meyn.com
Innenarchitekt: Ludes Generalplaner GmbH-Part of Sweco Architects
Landschaftsarchitekt: Neumann & Gusenburger Landschaftsarchitekten, Berlin, www.ng-landschafts-architekten.com
Energieplaner: Ing.-Büro Dr. Zauft, Potsdam,
www.drzauft.de
Brandschutzplaner: Ing.-Büro Dr. Zauft
Projektdaten
Grundstücksgröße: 51 630 m²
Nutzfläche: 27 000 m²
Technikfläche: 8 400 m²
Verkehrsfläche: 18 000 m²
BGF: 63 259 m²