Bilanzieren mit eLCA – Ökobilanzierung von Gebäuden Teil II

Nachdem im ersten Teil (DBZ 12 | 2019) die Grundlagen der Ökobilanzierung von Gebäuden vorgestellt wurden, vertieft nun der zweite Teil die praktische Anwendung. Am Beispiel von eLCA, dem kostenlos verfügbaren Berechnungstool des BNB Systems, ist das Erstellen einer Gebäudeökobilanz, also die Berechnung der Umweltwirkungen aus dem Baumaterial plus der Umweltwirkungen aus dem Energiebedarf, einfach und transparent möglich. Die Bewertungsmethode wird in den Bewertungssystemen des nachhaltigen Bauens seit längerer Zeit verpflichtend gefordert und ist ein dementsprechend etablierter und erprobter Nachweis. Die Anwendbarkeit wurde in den letzten Jahren mit eLCA massiv vereinfacht und steht jedem Anwender von eLCA kostenlos und uneingeschränkt zur Verfügung.

Die Funktionsweise von eLCA Bauteile modellieren

Die zentrale Komponente in eLCA ist der sogenannte Bauteileditor. Der Bauteileditor unterstützt den Anwender bei der sehr einfachen Erfassung von Bauteilen bzw. Baukonstruktionen. Die Eingaben im Bauteileditor werden von einer dynamischen Grafik begleitet, so dass jederzeit eine visuelle Kontrolle der erfassten Komponenten gegeben ist. Die Grafik zeigt das sich in der Bearbeitung befindliche Bauteil einschließlich aller Bauteilschichten in einem eigenen Kontrollfenster an. Sie bildet die erfassten Bauteile maßstäblich inklusive der verwendeten Materialien mit den dazugehörigen Materialstärken, den Schraffuren und Füllmustern ab und ermöglicht so eine sofortige visuelle Überprüfung der Eingabe. Die Bauteilgrafik wird automatisch um eine Legende ergänzt, die zusätzlich alle Materialen und Schichtdicken der sich in der Bearbeitung befindlichen Konstruktion auflistet.

Die Transparenz der Berechnung war ein Leitmotiv bei der Entwicklung von eLCA. Alle relevanten Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse müssen für den Anwender nachvollziehbar sein. Für die in eLCA modellierten Bauteile werden die errechneten Umweltwirkungen (graue Energie) nach Lebenszyklusphasen gegliedert, „just in time“ im Hintergrund errechnet und direkt am Bauteil angezeigt.

Bauteilvorlagen

Um dem Nutzer den Einstieg in die Welt der Ökobilanzierung von Gebäuden so einfach wie möglich zu gestalten, hält eLCA bereits eine umfängliche Auswahl von vorgefertigten Bauteilen als sogenannte öffentliche Bauteilvorlagen bereit. Diverse Beispielkonstruktionen liegen nach Bauteiltypen gegliedert in den Kostengruppen der DIN 276 vor und lassen sich problemlos in jedes Projekt übernehmen. Projektspezifische Anpassungen im Bauteilaufbau sind jederzeit einfach und nachvollziehbar möglich. Da eLCA nicht alle erdenklichen Baukonstruktionen und Materialkombinationen vorhalten kann, ist es jedem Anwender überlassen, die vorhandenen öffentlichen Bauteilvorlagen um eigene Konstruktionen als sogenannte „private“ Bauteilvorlagen uneingeschränkt zu ergänzen. Die eigens erstellten „privaten“ Bauteilvorlagen stehen im Gegensatz zu den „öffentlichen Bauteilvorlagen“ nur dem Ersteller für seine weitere Projektbearbeitung zur Verfügung.

Assistenten

In der praktischen Anwendung hat sich gezeigt, dass es Bauteile gibt, die sich nicht so einfach modellieren lassen, wie man es von den Standardbauteilen gewohnt ist. Um auch diese Bauteile einfach und vor allem vollständig erfassen zu können, bietet eLCA Assistenten an, die den Nutzer bei der Erstellung unterstützen. Alle für diese Bauteile notwendigen Materialinformationen werden in speziellen Formularen abgefragt und durch Beispielskizzen ergänzt. Aktuell bietet eLCA diese Assistenten für das Modellieren von Fenstern, Treppen, Stützen und Streifenfundamenten an.

Variantenvergleich

Versierte Anwender nutzen eLCA neben der Berechnung einer Gebäudeökobilanz zur Nachweisführung in den Bewertungssystemen auch für die Optimierung des Gebäudeentwurfs. Mit der Möglichkeit, den Entwurf in beliebig vielen Varianten anlegen und vergleichen zu können, steht dem Planer ein mächtiges Instrument für die Optimierung des Bauwerks und der weiterführenden Kommunikation mit den Projektbeteiligten zur Verfügung.

Einfach lassen sich diverse Entwurfsvarianten anlegen und gegenüberstellen. Der Austausch einzelner Materialschichten, ganzer Materialbündel (z. B. Außenwandbekleidungen) oder kompletter Bauteile ist problemlos mit der eLCA-typischen transparenten Ergebnisdarstellung möglich. Die ökologischen Auswirkungen der einzelnen Gebäudevarianten können umgehend analysiert werden und bieten sich als Grundlage einer weiterführenden Optimierung an.

Synergien nutzen – digitale Schnittstellen im Workflow der Gebäudeplanung

Tabellenkalkulationsprogramme

Um den Aufwand für die Erstellung der Gebäudeökobilanz weiter reduzieren zu können, müssen verstärkt Synergien über den Planungsverlauf genutzt werden. Informationen, die aus dem Planungsprozess bereits an anderer Stelle erhoben wurden, sind als Grundlage für die Weiterverarbeitung zu erhalten und lediglich um die fehlenden Informationen zu ergänzen.

– Ökobilanz aus Bauteilliste

Eine Schnittstelle zu Tabellenkalkulationsprogrammen stellt eine neue Funktion zur Verfügung, die dem Architekten den Einstieg in die Gebäudeökobilanzierung erheblich vereinfacht. Sie ermöglicht die anwenderfreundliche Erstellung einer Ökobilanz auf Basis bereits vorhandener Gebäudedaten und kann so die Realisation beschleunigen und demzufolge die Akzeptanz steigern. Mit eLCA ist es nun möglich, vorhandene Informationen, die eigentlich in einem anderen Kontext der Planung erhoben wurden, digital weiterzuverarbeiten.

Als Grundlage können die Tabellen dienen, die in Form von Bauteillisten in der Planung von Gebäuden erstellt werden. Sie bilden die Grundlage

der einfachen Weiterbearbeitung. Den Schwerpunkt von Bauteillisten in Tabellenform bildet üblicherweise ein ausgearbeitetes Mengengerüst, das Bezüge von Massen und Mengen zu Materialien herstellt. Das Problem dabei ist, dass diese in Tabellen aufgearbeiteten Daten keiner Standardstruktur folgen, da sie individuell erstellt werden. Demzufolge variiert auch der Informa­tionsgehalt und die Struktur der Bauteillisten je nach Gewerk und Anwendungsfall in Abhängigkeit der zugrundeliegenden zeitlichen Einordung (Leistungsphasen) erheblich. Grundsätzlich liegt jedem Bauprojekt ein Katalog mit detaillierten Baukonstruktionen zu Grunde, die zwischen den Fachplanern z. B. hinsichtlich statischer und bauphysikalischer Aspekte bzw. unter Kostengesichtspunkten genehmigungsfähig abgestimmt wurden.

Glücklicherweise ist die Bearbeitung von Tabellen sehr einfach. Sie lassen sich unkompliziert und schnell an geforderte Strukturen anpassen. Um eine vorhandene Bauteilliste weiter nutzen zu können, muss der Tabellenaufbau an die eLCA-Vorgabe angepasst werden. Inhaltlich erwartet der eLCA-Tabellen-Import mindestens die Felder Bauteilname mit der dazugehörigen Menge und Bezugsgröße. Für die Berechnung einer vollständigen Gebäudeökobilanz fehlt als ergänzende Angabe nur noch eine eLCA-Bauteil-ID, die an jedem eLCA Bauteil bzw. an jeder eLCA Bauteilvorlage angezeigt wird. Enthält eine Tabelle bereits diese Information, z. B. als Attribut aus einem CAD-Programm, stehen nach dem Einlesen die Bauteile schichten­genau für eine Auswertung in eLCA zur Verfügung.

– Listen aus CAD-Programm

Alle modernen CAD-Programme sind in der Lage, Bauteillisten in Tabellenform zu exportieren. Die CAD-Programme kennen jedoch nicht die Bauteilaufbauten aus eLCA. Werden den CAD-Bauteilen die eLCA-Bauteil-IDs bereits während der CAD-Eingabe als Attribut zugewiesen, können diese in einer für den eLCA-Import vollständigen Bauteilliste ausgegeben werden. Ein so aufbereitetes Gebäudemodell enthält demzufolge bereits alle für die Gebäudeökobilanz wichtigen Informationen und kann ohne Nachbearbeitung importiert und gemäß der Vorgaben der Bewertungssysteme des nachhaltigen Bauens ausgewertet werden.

– EnEV2eLCA

Bisher musste fast jeder am Projekt beteiligte Fachplaner für seinen Aufgabenbereich das Gebäude für seine Planungsleistung neu erfassen, da eine Durchgängigkeit in der Datenverarbeitung, wenn überhaupt, nur eingeschränkt gegeben ist. Die aktuelle Version von eLCA setzt genau an diesem Punkt an und integriert über eine weitere Schnittstelle die Gebäudeökobilanzierung in den digitalen Workflow der Bauplanung.

Viele der für die Gebäudeökobilanz benötigten Daten (Wandaufbauten in Materialschichten mit den dazugehörigen Flächen) bilden auch die Grundlage des verpflichtenden EnEV-Nachweises und wurden in diesem Zusammenhang bereits erhoben. Um diesen Aufwand nicht erneut unter dem Aspekt der Ökobilanz betreiben zu müssen, wurde über eine Schnittstelle die weitere Verwendung dieser bereits erfassten Daten realisiert. Sie ermöglicht die Weiterverarbeitung der bereits für den EnEV-Nachweis erfassten Daten als Grundlage für eine Gebäudeökobilanz und sichert eine einheitliche Datenbasis. Die für die EnEV-Berechnung erfassten Daten können so an die Ökobilanzierungssoftware eLCA übergeben werden und stehen unmittelbar zur weiteren Bearbeitung bzw. Auswertung zur Verfügung. Diese Synergie reduziert den Arbeitsaufwand für die Gebäudeökobilanz erheblich. Nach der Entwicklung und Erprobung in einem Pilotprojekt mit der Firma BKI steht diese Möglichkeit des Datentransfers nun allen interessierten Softwareherstellern frei zur Verfügung.

Zur Bautec 2018 wurde in eLCA eine prototypische Schnittstelle für den Import der Eingabewerte aus EnEV-Berechnungen implementiert. Als erste Software stellte die Schnittstelle der BKI-Energieplaner in der Version 17 zu Verfügung. Mittlerweile unterstützen weitere EnEV-Programm-Hersteller, u. a. ENVISYS mit EVEBI, Hottgenroth mit dem Energieberater, DÄMMWERK mit seiner Bauphysik- und EnEV-Software und das ZUB Kassel mit dem Energiepass Helena die EnEV2eLCA Export-Schnittstelle mit Ihren Programmen. Da die Schnittstellendokumentation frei verfügbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass weitere Hersteller nachziehen und ihre Software mit dieser Schnittstelle ausstatten.

Grundsätzlich ist für die Bearbeitung einer Gebäudeökobilanz mit eLCA diese Schnittstelle nicht erforderlich; aber es ist über diese Anbindung möglich, Synergien zu nutzen und bereits erfasste Daten weiter im digitalen Workflow zu nutzen.

EnEV-Import

Nach einem initialen Projektimport ordnet eLCA die aus der EnEV-Berechnung übergebenen Materialdatensätze automatisch den entsprechenden Ökobilanzdatensätzen zu. Nicht automatisch zuzuordnende Datensätze werden farblich hervorgehoben und sind komfortabel über den eLCA-Auswahldialog projektspezifisch zu ergänzen. Nach der erfolgten Materialzuweisung wird der abschließende Projektimport gestartet. eLCA erstellt auf Basis dieser Daten ein Projekt mit allen übergebenen Bauteilen der KG 300, den Haustechnik-Komponenten der KG 400 sowie den ­Energiedaten für den Gebäudebetrieb.

Die Bauteile werden der eLCA-Struktur (in Anlehnung an die DIN 276) zugeordnet und stehen dem Nutzer schichtengenau zur weiteren Bearbeitung bzw. Bewertung zur Verfügung. Die eLCA-Bauteilgrafiken werden automatisch erzeugt und dokumentieren das Importergebnis anschaulich. Alle weiterführenden Bearbeitungsschritte können, wie sonst auch, einfach und uneingeschränkt im eLCA-Modell durchgeführt werden. Sollten Bauteile über diesen Workflow nicht erfasst worden sein, können diese wie gewohnt, z. B. über die integrierten Bauteilvorlagen, ergänzt werden.

Bewertung/Auswertung

Die für ein Gebäude errechneten Ergebnisse sind für den ungeübten Anwender nicht einfach zu interpretieren. Um dem Nutzer dennoch eine schnelle Einordung seiner Ergebnisse zu ermöglichen, können in eLCA die Richtwerte der relevanten deutschen Zertifizierungssysteme des Nachhaltigen Bauens als Vergleichsmaßstab eingeblendet werden. Damit ist sofort ablesbar, wie sich der ökologische Fußabdruck des Gebäudes in den gewählten Bewertungsmaßstab, z. B. das BNB-System, einordnet. Neben der Standardauswertung für die Bewertungssysteme hält eLCA diverse weitere Auswertungen bereit, die den Anwender bei der Ergebnisanalyse unterstützen und gezielt eine Optimierung des Projekts ermöglichen. Für die Gebäudeanalyse ist es z. B. wichtig, den Bauteilgruppen die Verteilung der Umweltwirkungen zuzuordnen, um Optimierungspotentiale identifizieren zu können.

Bestandsbilanzierung

Neben der Bewertung von Neubauten können auch Bestandsgebäude mit eLCA aussagekräftig ausgewertet und BNB-konform bewertet werden. Dazu muss man wissen, dass die deutschen Systeme des nachhaltigen Bauens Bestandsgebäude auf Basis unterschiedlicher Detaillierungsgrade bewerten. Der einfachste Ansatz ist, alle Bestandsmaterialien gleich Null zu setzen und nur die neu in das Gebäude verbrachten Materialien zu bilanzieren. Da der Bestand nicht erfasst werden muss, spart dieses Vorgehen zwar Zeit in der Erfassung, generiert jedoch keine Argumente für den Bestandserhalt, da dieser außerhalb der rechnerischen Betrachtung liegt. Das BNB-System geht hier umfassender vor, da die weitergenutzten Bestandsmaterialien zu erfassen sind. Hintergrund ist, dass auch das Bestandsmaterial am Lebenszyklusende eines Gebäudes zu bewerten ist. eLCA hat diesen Bewertungsansatz um eine zusätzliche Auswertung ergänzt, nämlich um die Aussage, wieviel Umweltwirkung über das weitergenutzte Material im Vergleich zu einer Neuproduktion eingespart werden kann. Das ist zwar aus Sicht des Bewertungssystems nicht ­relevant, liefert jedoch die entscheidenden Argumente in der Diskussion Neubau vs. Bestands­erhalt.

Fazit

Mit eLCA stellt der Bund allen interessierten Nutzern ein frei zugängliches Ökobilanzierungstool für Gebäude zur Verfügung. Mit dem hier vorgestellten Workflow wird die arbeitsaufwendige und komplexe Erstellung einer Gebäudelebenszyklus­analyse erheblich vereinfacht. Der zeitaufwendige Prozess der Zusammenstellung und Erfassung von Bauteilen mit den dazugehörigen Flächen konnte über die Weiterverwendung der bereits in Bauteillisten oder aus dem EnEV-Nachweis vorhandenen Gebäudedaten weiter erheblich reduziert werden. Mit der Integration der Lebenszyklusanalyse in den digitalen Workflow der Gebäudeplanung unterstützt der Bund die Vereinfachung und weitere Verbreitung der Gebäudeökobilanz und Nachhaltigkeitsbewertung.

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