Bilinguale Montessori Schule, Ingelheim
Moderne Architektur und ansprechendes Design gepaart mit hohem akustischen Niveau für moderne Unterrichtsbauten unter Einhaltung eines engen Kostenrahmens zeichnen die Bilinguale Montessorischule in Ingelheim aus. ⇥DBZ Heftpate Steffen Czychi
Was für ein Blick vom Schulgelände der Montessorischule in Ingelheim am Rhein: hinten die Pfälzer Weinberge, vorne das Rheingau. Einfach war das Grundstück nicht, wie Petra Gunst, Projektleiterin bei a|sh architekten, sagt: „Sein winkelförmiger, schmaler Zuschnitt und der Hang gaben die Ausrichtung und Form des Gebäudes vor.“ Die Architekten überlagern den dreigeschossigen Riegel, die beiden oberen Geschosse entlang des Hangs mit Fensterbändern zu den Panoramaseiten. Hier liegen die Klassenzimmer und Fachräume, erschlossen über einen Mittelgang. Das unterste Geschoss ist quer zum Hang gestellt und schiebt sich auf einen Vorplatz hinaus. Hier im Souterrain befindet sich der Haupteingang und die öffentlich frequentierten Bereiche: der Speise- und Veranstaltungssaal, ein Pausenflur, der Musikraum und die Lehrküche. Dahinter versteckt liegen Technik- und Nebenräume.
Dem klar ablesbaren Grundriss folgt eine klar ablesbare Materialität: Sichtbetonwände und Treppen und Geschossdecken aus unverkleideten Betonfertigteilen. Fenster und Außentüren aus Metall, Innentüren aus Eichenholz. Böden in schwarzem und hellgrauem Linoleum, teilweise nur ein grau gestrichener Estrich. Die Einfachheit bei Material und Grundriss gehört zum Montessori-Konzept. Danach sollen Lernorte wandelbar sein, eine klare äußere Ordnung und „eine ästhetische Qualität in der Schlichtheit“ haben, nachzulesen auf www.montessoribay-ern.de. Das und der Verzicht auf komplexe Gebäudetechnik wirken auch positiv auf die Gesamtkosten: Die lagen bei nur 10 Mio.€, aber Petra Gunst sagt: „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir irgendwo schmerzlich sparen mussten.“
Mit guter Akustik lernen
Jetzt in den Winterferien steht die Schule still, keine Schüler, keine Bastelarbeiten an den Fenstern oder Spielgeräte im Garten. Der Kontrast der weißen Putzflächen und schwarzen Metallfenster wirkt ernst und sachlich. Umso auffälliger sind die kiwigrünen Farbflächen, die die Strenge innen und außen durchbrechen, immer da, wo sich die Gemeinschaft verdichtet: Außen betont die grüne Fassade des Souterrains den Speise- und Veranstaltungssaal. Im Innern betonen grüne Linoleumflächen im Boden und ebenfalls grüne Absorbersegel aus Holzwolle die Garderoben- und Gemeinschaftsflure eines jeden Lernclusters. Die Montessori-Pädagogik setzt explizit auf ein rücksichtsvolles Miteinander der Schüler. Die Räume müssen trotzdem akustisch viel leisten. „Denn für Montessori“, so der kaufmännische Leiter der Schule, Peter Kohl, „braucht es die Fähigkeit, sich sehr gut zu konzentrieren“. Eine schlechte Akus-tik mindert die Konzentrationsfähigkeit, die Sprachentwicklung und die Sozialkompetenz der Schüler hat Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Stuttgart herausgefunden.
Verstehen, um zu lernen
Jonas Wolf aus dem Ingenieurbüro Dahlem in Rodenbach beriet die Architekten bei der Planung der Raumakustik. Die Betonkonstruktion war für den Schallschutz eigentlich vorteilhaft. Die schweren Wände dämpfen den Schallübertrag von Raum zu Raum, und auch der Fassadenanschluss, bei Betongebäuden mit vorgehängter Fassade oft eine Schwachstelle für den Schallschutz, war hier dank Lochfassade kein Problem. „Die Herausforderung lag bei der Nachhallzeit in den Klassenräumen“, wie Wolf erzählt, „das Hauptziel war dabei die gute Sprachverständlichkeit.“ Die ist besonders wichtig für Grundschüler, die Worte erst noch verstehen lernen. Die Akustik berechneten die Bauphysiker mit der Annahme eines minimal möblierten und besetzten Klassenraums, gemäß DIN 18041, 2004. Tatsächlich wird die Nachhallzeit geringer sein als errechnet, denn in einer Montessoriklasse gibt es zahlreiche, mit Arbeitsmaterial gefüllte Regale und kleine Teppiche für die Arbeit auf dem Boden. Die Architekten planten für jeden Klassenraum eine ca. 43 m² große Absorberfläche: eine naturfarbene Holzwolleplatte, die wie ein Baldachin entlang der Decke und über die obere Hälfte der Rückwand verläuft, wo sie zusätzlich als Pinnboard dient. Wolf erklärt: „Absorber vor der Wand vermeiden, dass sich zwei schallharte Oberflächen gegenüberliegen und Flatterechos entstehen. Plant man nur Deckensegel, kann trotz eigentlich guter Nachhallzeit die Sprachverständlichkeit schlecht sein. Das wird in der raumakustischen Planung gerne vergessen.“
Architektur und Akustik
In den Fluren des Gebäudes geht es dagegen vor allem um eine Lärmdämpfung. Hier dienen abgehängte Mineralfaserplatten als Absorber und als Abdeckungen für die Gebäudetechnik. Eine Herausforderung war der Speisesaal, dessen Nutzung unterschiedliche Geräusche zu Lärm vermengt: Geschirrklappern, Stühlerücken und sich überlagernde Gespräche. Deshalb sind hier die Anforderungen, die die Ingenieure für die Fläche und den Schallschutzwert der Absorber ansetzen, besonders hoch. Die Architekten montierten Deckensegel in verschiedenen Grautönen zwischen die Betonunterzüge. Die Farbigkeit, aber auch der Zuschnitt der Segel sorgen dafür, dass ein großer Teil der Deckenfläche zwar akustisch wirkt, dass die Absorber aber trotz ihrer Anzahl nicht erdrückend flächig erscheinen. Bei jedem Raum mussten die Architekten zwischen Akustik, Gestaltung und Budget abwägen. So wählten sie z. B. für den Bewegungsraum und die Fach- und Werkräume herkömmliche Akustikdecken und erreichen damit sehr niedrige Nachhallzeiten. Im Saal, im Flur und in den Klassenräumen dagegen bleiben sie zugunsten der Gestaltung unter dem akustisch Möglichen: Sie planen Absorber nur auf Teilflächen, damit die Architektur als Ganzes ablesbar bleibt. Kein Problem, findet Wolf: „Wir haben auf der einen Seite die DIN 18041, die für Neubauten eine optimale Raumakustik sichert. In diesem Bereich sind Unterschiede zwischen guter und sehr guter Akustik im Schulbetrieb kaum hörbar. Das Hauptproblem sind die vielen Bestandsgebäude, die oft keine akustischen Maßnahmen und damit eine sehr schlechte Akustik haben.“ Hier hohe, neue Standards, dort ein maroder Bestand, das ist das Dilemma von Schulen in Deutschland, nicht nur bei der Akustik. Kein Wunder also, wenn die Montessorischule, kaum da sie fertiggestellt ist, schon ihre Erweiterung plant. Die Nachfrage nach anderen Lernräumen steigt von Jahr zu Jahr. ⇥Rosa Grewe, Darmstadt
Baudaten
Objekt: Bilinguale Montessori Schule
Standort: Ingelheim
Typologie: Schulbau
Bauherr: Montessori Fördergemeinschaft Ingelheim e. V., Ingelheim
Nutzer: Bilinguale Montessori Schule
Architekt: a|sh sander.hofrichter architekten GmbH, Ludwigshafen, www.a-sh.de
Mitarbeiter: Linus Hofrichter, Torsten Petroschka, Petra Gunst, Stefan Peters, Christopher Gütter, Michael Matthes, Nadine Nagel
Bauleitung: Christopher Gütter
Bauzeit: Mai 2015 – Oktober 2016
Fachplaner
Akustikplaner: Ingenieurbüro Dr. Dahlem Bauphysik und Energieberatung, Rodenbach,
Tragwerksplaner: IBC Ingenieurbau-Consult GmbH, Mainz,
TGA-Planer: Reichelt Ingenieurgesellschaft für Elektrotechnik mbH & Co. KG, Langelonsheim,
HLS-Planer: Planungsbüro Stoffel Versorgungs-u. Haustechnik GmbH, Heidesheim am Rhein
Lichtplaner: Lichtkonzept a|sh sander.hofrichter architekten und Reichelt Ingenieurgesellschaft für Elektrotechnik mbH & Co. KG
Energieberater: a|sh sander.hofrichter architekten, Jens Rieksmeier
Brandschutzplaner: a|sh sander.hofrichter architekten, Heinrich Sadowski
Projektdaten
Grundstücksgröße: 6 330 m²
Grundflächenzahl: 0,5
Nutzfläche gesamt: 3 230 m²
Technikfläche: 429 m²
Verkehrsfläche: 950 m²
Brutto-Grundfläche: 4 450 m²
Brutto-Rauminhalt: 18 930 m³
Baukosten
Gesamt brutto: 10 Mio. €
Hersteller
Fenster: neuform-Türen,
www.neuform-tuer.com, Schüco, www.schueco.com, Akotherm GmbH, www.akotherm.de
Fassade : Caparol, www.caparol.de, SCHWENK Putztechnik AG,
ww.schwenk-putztechnik.ch
Akustikplatten: Troldtekt,
Boden: DLW Flooring, www.slw.de
Dämmung: Weber Saint Gobain, www.saint-gobain.de, Giessener Dämmstoffe GmbH, www.giessener-daemmstoffe.de
Türen / Toren: Dorma, www.dormakaba.com, Assa Abloy,
Beleuchtung: GIRA, www.gira.de
Trockenbau: Dorring GmbH,
Software / CAD / BIM: Allplan Nemetschek, www.allplan.com, alltool GmbH, www.alltool.de, Solibri Model Checker, www.graphisoft.de, Nevaris, www.nevaris.com