Bioenergiefassade 2.0
Erinnern Sie sich noch an das IBA Hamburg-Projekt mit der grünen Fassade aus lebenden Algen? 2013 experimentierten die Ingenieure von Arup Deutschland zusammen mit Colt International am grünen BIQ-Haus unter dem Label „Smart Materials“ erstmals an einer Bioreaktor-Fassade mit Mikroalgen (siehe auch DBZ 9 | 2012). Das Pilotprojekt anlässlich der IBA hatte damals weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Auf der Glasstec stellte das Forschungsteam FABIG, ein Verbundprojekt von Arup Deutschland GmbH, der TU Dresden sowie von SSC GmbH, Pazdera AG und ADCO Technik GmbH, eine neue Generation der Bioenergiefassade vor. Das Funktionsprinzip ist weltweit immer noch einmalig: In den von einer Nährstofflösung durchströmten Glasfassadenelementen werden Mikroalgen gezüchtet und so Wärme und Biomasse gewonnen.
2013 konnte mit dem Prototyp am BIQ unter Beweis gestellt werden, dass das Fassaden- und Energiekonzept funktioniert. Während beim BIQ die Rahmen der Glas-elemente noch geklemmt waren und die Bioreaktoren außenliegend realisiert wurden, sind die Glaselemente der Bioenergiefassade von heute geklebt und die Reaktoren in die thermische Hülle eingebunden. Die gesamte Konstruktion wird dadurch schlanker, leichter und gestalterisch flexi-bler einsetzbar. „Uns ging es nicht nur darum, die Bioenergiefassade technologisch zu optimieren, sondern auch den Gestaltungsspielraum für Architekten und Planer zu erweitern“, erläutert Dr.-Ing. Jan Wurm, Leiter Research & Innovation bei Arup und einer der Entwickler der Algenfassade. „Unser Ziel ist, die Bioenergiefassade als skalierbares Element zur Fassadengestaltung zu etablieren, um geschlossene Stoffkreisläufe auf Gebäude- und Stadtteilebene umzusetzen.“ Drei Fassadenelemente erweitern den Gestaltungsspielraum: Bei der transluzenten Variante ist die Grünfärbung des Bioreaktors von innen sichtbar, bei der opaken von außen. Das transparente Fassadenelement gewährleistet ungestörte Durchsicht. Changierende Farben bei unterschiedlichem Lichteinfall sowie aufsteigende Gasblasen lassen die Glaselemente lebendig erscheinen. „Die Bioenergiefassade verleiht Gebäuden einen hohen ästhetischen Wert“, ist Jan Wurm überzeugt. Eine vierte Option ergibt sich durch die Montage der Glaselemente vor einer gedämmten Wand.
„Vereinfacht ausgedrückt, sind die Glaselemente der Bioenergiefassade Teile einer solarthermischen Anlage, mit der zusätzlich Mikroalgen zur Erzeugung von Biomasse und zur Absorption von CO2 gezüchtet werden“, erläutert Timo Sengewald, Energieexperte bei Arup. „Mit einer thermischen Effizienz von 38 % und einer Konversionseffizienz der Biomasse von 8 % ist die Bio-energiefassade mit herkömmlichen solaren Systemen vergleichbar.“ Um die Bedingun-gen für das Algenwachstum in den Reaktoren zu verbessern und gleichzeitig den Aufbau der Glaselemente zu optimieren, wurden Computational-Fluid-Dynamics (CFD) Simulationen angewendet, die die Strömungs- und Mischungsvorgänge innerhalb der Bioreaktoren abbilden. Außerdem verbesserten die Entwickler die Ausbildung der Bioreaktoren und die Integration der haustechnischen Systemkomponenten in marktübliche Fassadensysteme. Durch Verklebung der Elemente konnte das Gesamtgewicht bei deutlich vergrößerten Maximalabmessungen wesentlich reduziert werden. Die Funktion und die Wirtschaftlichkeit der Anlage werden über ein Betreiberkonzept sichergestellt. Die geernteten Algen werden in der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie verwendet. Die Bioenergiefassade wird als Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden und den Projektpartnern Arup Deutschland GmbH, SSC GmbH, Pazdera AG und ADCO Technik realisiert. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und soll im April 2019 mit der Erstellung eines Prototypen für ein Glasfassadensystem mit integrierten Photobioreaktoren im Maßstab 1:1 abgeschlossen werden.