Blickfänger
Wohnhaus in Weinheim

Schmal, steil, felsig und dazu noch verschattet: Eigentlich schien das Grundstück am Stadtrand von Weinheim unbebaubar. Doch das Wohnhaus des Architekten Dirk Helwig blendet die Schattenseiten des Ortes aus und fängt stattdessen seine Qualitäten ein. Ein kluges Technik- und Energiekonzept steigert zudem den Wohnkomfort und senkt die Energiekosten.

Weinheim an der Bergstraße ist eine malerische Kreisstadt mit mittelalterlichem Stadtkern, Gassen und Fachwerkhäusern. Der Odenwald zieht sich bis ins Zentrum der Stadt. Die attraktive Lage führt jedoch zu schwindelerregenden Immobilienpreisen: Bauherren eines Einfamilienhauses zahlen allein fürs Grundstück nicht selten zwischen 250 000 und 300 000 € – für Normalverdiener unbezahlbar.

Dass Architekt Dirk Helwig hier trotzdem ein Wohnhaus für sich, seine Lebensgefährtin und seine sechsjährige Tochter baute, verdankt er einem Tipp von Freunden. Das Grundstück am Stadtrand schien auf den ersten Blick nicht bebaubar: eine 220 m2 kleine, schmale Parzelle an einem steilen, felsigen und durch Wald verschatteten Nordhang. Nachdem der Bau eines Sechsfamilienhauses an den Mehr­kosten für die Gründung scheiterte, ergatterte Helwig das Grundstück zum Schnäppchenpreis. Sein Entwurf schafft es trotz schwieriger Licht­­verhältnisse die Qualitäten des Ortes hervorzuheben.


Reflecting Cube

Der Metallkubus des Hauses ruht auf einem zurückgesetzten Natursteinsockel. Die Fassade besteht aus blankem, in der Sonne glänzen­dem Aluminium-Streckmetall. „Das Haus reflektiert Licht, statt es zu schlucken“, sagt Dirk Helwig. „Schließlich ist das Grundstück dunkel genug.“ Selbst die Fenster der Bäder überdeckt die Metall­haut. Das Licht sickert durch den Vorhang aus Streckmetall, wirft Licht- und Schattenmuster auf den Boden. Einzig an den beiden Vorderecken sind Fensterbänder tief in die Fassade eingeschnitten. Sie lenken den Blick auf die Schauseiten der Umgebung: die mittelalterliche Burg­ruine Windeck und das Gorxheimertal.

Wegen der Hanglage stellte Helwig den Grundriss auf den Kopf: oben der allseitig belichtete Wohnraum mit offener Küche und einer Holzterrasse im Rücken, darunter Schlafräume und Bäder, im Sockelgeschoss Eingang, Haustechnik, Garage und ein Besprechungszimmer. Wenige Materialien bestimmen den Innenraum: Massivparkett aus Räuchereiche, sandfarbener Granit in den Bädern und als Einfassung für Schränke und Regale. Weiße, selbst entworfene Einbaumöbel lassen die Räume heller erscheinen. Durch eine Glaswand zur Terrasse und ein breites Treppenauge dringt Licht bis in die Untergeschosse. Die Eckfenster in den Wohn- und Schlafräumen sind verschieden plat­ziert und die Brüstungen unterschiedlich hoch, um Blicke gezielt zu lenken: Vom Schlafzimmerbett sieht man über die Dächer hinweg einzig auf Wald und Himmel, vom Wohnzimmertisch nach Osten ins Tal. Beide Glasbänder fangen die Morgensonne ein.


Lichtszenarien auf Knopfdruck

Den offenen Wohnraum gliedern eine Liegecouch, ein Esstisch, eine U-förmige Küche und eine Leseecke. Ein Natursteinband fasst Küchen­arbeitsplatte, Theke, die beiden mittigen Stützen und die Bibliothek optisch zusammen. In einer der Stützen sitzen zwei Displays, über die sich Licht, Heizung, Lüftung und Alarmanlage steuern lassen – vor Ort oder von unterwegs über das Internet oder ein Smartphone. Das BUS-System zeigt an, wenn vorm Verlassen des Hauses Türen offen stehen, eine Kamera überwacht den Eingang. Zudem lassen sich verschiedene Lichtszenarien einstellen – von gedimmtem Licht über Standard- bis zur Festbeleuchtung. Flure und Treppenhäuser haben Bewegungsmelder, so dass man nach dem Einkauf nicht mit vollgepackten Armen den Lichtschalter suchen muss.

Auch die Temperatur einzelner Räume lässt sich theoretisch je nach Tages- oder Jahreszeit regeln. Da eine Fußbodenheizung die Räume temperiert, hat Dirk Helwig darauf aber verzichtet. „Wir wollten es nicht übertreiben. Haustechnik kann den Komfort steigern, sie sollte aber auch zum Lebensstil der Bewohner und zum Entwurfskonzept passen.“ Bis auf wenige Schalter und Displays verbirgt sich die Technik dezent hinter Einbauschränken oder Regalfächern. Nur wenn es darum geht Lichtakzente zu setzen, rückt sie in den Vordergrund. So lassen Lichtfugen das Elternbett als schwebende Scheibe erscheinen oder umfassen die Schränke im Bad. An manchen Abenden setzt Helwig auch die Außenfassade als Lichtkunstwerk in Szene: Hinter den Metallpaneelen montierte LED legen rot glühende Lichtbänder rund um den Metallkubus.

Wärme aus der Tiefe

Da die solaren Wärmegewinne durch die Lage am Nordhang gering ausfallen, ging es beim Planen von Haustechnik und Konstruktion vor allem darum Wärmeverluste zu minimieren. Dreifachverglaste Fenster, luftdicht verpackte Außenwände und eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung halten die Wärme im Haus. Für vorgewärmte und im Winter vorgekühlte Luft sorgt ein Erdwärmetauscher. Zwei 70 m tiefe Erdsonden holen je nach Bedarf Wärme bzw. Kälte aus dem von Wasseradern durchzogenen Fels. Im Winter wärmt sich die zirkulierende Kühlflüssigkeit im Kontakt mit dem Boden von -10 auf +5 Grad auf. Im Sommer holen die Sonden Kälte aus der Tiefe, die zur Kühlung verwendet wird. Dass passt zum Gesamteindruck eines Hauses, das selbst aus eingeschränkten Möglichkeiten noch eine Menge Energie zieht.

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