Buchrezension: Miroslav Šik, Eva Willenegger (Hrsg.), Analoge Altneue Architektur – Miroslav Šik

Jetzt geht er also: Miroslav Šik. In den Ruhestand. Oder wahrscheinlicher: Er verlässt schlicht seinen Arbeitsplatz an der Hochschule, denn arbeiten wird er weiter. Am Gebauten, sei es analog oder altneu. Oder vielleicht noch einmal ganz anders. Wie viele seiner Kollegen hat auch Miroslav Šik die Emeritierung für eine abschließende Publikation genutzt, doch anders als bei den meisten der Kollegen ist dieser Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte der Lehre. Ein Rückblick auf Arbeiten, die andere angefertigt haben. Allerdings unter seinem theoretischen und praktischen Architektenprofessorenüberbau. Kann man das dann am Ende nicht ebenfalls eine Werkschau nennen? Muss man das nicht sogar?

Der Quart Verlag in Luzern, also sein Verleger, Heinz Wirz, hat das große Glück – und sicherlich auch das Verdienst – mit Miroslav Šik und Peter Märkli (ebenfalls aktuell emeritiert, ebenfalls mit Monografie dazu) zwei Architekten unter dem Dach zu haben, die zu den interessantesten und wohl auch einflussreichsten in der Schweiz aber natürlich auch darüber hinaus gehören. Beide haben gerade durch ihre Lehre, die sich jeweils in ihrem sehr dichten und noch gut überschaubaren Werk abzubilden scheint, den größten Einfluss. Der Blick auf die heute schon bekannten Namen ehemaliger Studenten zeigt das: Zu nennen sind beispielhaft Valerio Olgiati, Andreas Hild, Quintus Miller, Christian Kerez oder Christoph Mathys.

Sechzig Semester Lehre an der ETH Zürich liegen im Sommer 2018 hinter Miroslav Šik und damit möglicherweise das Ende einer kleinen aber höchst interessanten Lehrabteilung. Mit ihm, der als Revolutionär des Denkens angetreten war und der als radikal an der Baupraxis orientierter Reformer die Hochschule verlässt, geht die Entwicklung einer ganz eigenen Position an der ETHZ zuende. Man habe, so ein ehemaliger Student und heutiger Architekt, einfach alles anders zu machen versucht, als es Anfang der 1980er-Jahre an der Züricher Hochschule üblich war.

Diese extrem spannende Geschichte in ein Buch zu fassen, ist eigentlich kaum möglich, den Herausgebern mit ihrem Verleger ist es allerdings gelungen. Und das auf allen Druck-, Binde-, Satz-, Papierauswahl- und Aufbau-Ebenen und ohne Abstriche! Das mag man vom Quart Verlag erwarten (und auch mit Blick auf den hohen Preis). Darüber hinaus – und allein das buchherstellerische Können wäre ja zu wenig – erschließt sich uns Lesern relativ einfach, was sich hinter der Analogen Architektur und Altneuen Architektur verbirgt – deren Essenz man so schnell begriffen zu haben glaubt und dann doch wieder herum irrt zwischen den Begriffen und Bildern. Die Geschichte der Lehre von Miroslav Šik wird anhand von sehr persönlichen wie zugleich inhaltsreichen Texten von Lukas Imhof, Alberto Dell’Antonio, Andreas Hagmann, Christoph Mathys und Miroslav Šik selbst (der Professor allerdings bescheiden kurz), über Gespräche zwischen den „Damaligen“ und natürlich über die hier abgedruckten, insgesamt 135 ausgewählten studentischen Projekte wunderbar handgreiflich deutlich. Die Bilder – denn in der Entwurfsmethode Analoge Architektur Altneue Architektur ist der Ausgangspunkt jedes Entwurfs das Bild vom irgendwann fertigen Haus – erinnern überraschend häufig an realisierte Arbeiten Miroslav Šiks. Und haben eine extrem große Kraft, Irritation, Identifikation oder beides zugleich auszulösen.

Am Ende, nach allen Gesprächen, Bildern und dem Blick in die spezielle Maltechnik (Jaxon-Kreide) folgt ein umfangreiches Stichwortregister, das diese Summa analogica altneu noch einmal und ganz von vorne erschließt; für alle die, die am Ende des mächtig schönen Werks angekommen noch einmal starten wollen. Be. K.

Miroslav Šik, Eva Willenegger (Hrsg.), Analoge Altneue Architektur – Miroslav Šik. Quart Verlag,  2018, 450 S. ca. 618 Farbabb. u. 200 Pläne, 116 €, ISBN 978-3-03761-153-1 (es gibt auch eine engl. Ausgabe)

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