Bürger:innenbeteiligung an der Stadtplanung
Jede Stadt ist nur durch ihre Bürger:innen in der Welt vorhanden. Ohne diese wäre eine Stadt sinnlos und tatsächlich nicht real. Dass Städte aber bis heute meist von nur wenigen Expert:innen geplant und weiterentwickelt werden, beruht auf zahlreichen Missverständnissen in der Vergangenheit sowie auf dem Umstand, dass schon immer diejenigen, die das Beste für ihre Stadt wollten, das Stadtmachen zunächst alleine und später dann ausschließlich mit einer ausgewählten Gruppe von Expert:innen bestimmt haben, ganz nach dem Motto: Mir gehört die Stadt, also plane ich sie auch.
Die Komplexität, die das Leben und Funktionieren von Städten kennzeichnet, gehöre nicht in die Hand von Laien, das hört man bis heute. Dabei sind die schönsten Städte dieser Welt von Bürger:innen durch ihr Bauen geformt worden, von Menschen, die von Stadtplanung als einer eigenen Disziplin gar nichts gewusst haben.
Länger ist man dabei, die Bürger:innen in die Planungsprozesse einzubeziehen. Schon, um Verantwortung zu teilen, aber auch, weil Planung im breiteren Diskurs zu nachhaltigeren, weil langlebigeren Lösungen führt. Die neue Art von Partizipation ist jetzt nicht mehr bloß ein Veröffentlichen von Bauvorhaben in Form von Plänen (seltener Modellen), gegen die die Bürger:innen theoretisch in einer knappen Frist Widerspruch einlegen können. Nein, bereits in Planungsausschreibungen können Bürger:innen ihre Interessen kundtun, in Planungsprozessen in Workshops o. ä. ihre Anliegen vortragen, Strittiges diskutieren oder auch einmal Planungsdetails verhindern.
Natürlich fehlt den Bürger:innen, die hier involviert sind, häufig der Überblick über das Ganze. Und die Erfahrung, dass Laienplaner:innen oft nicht das nötige Abstraktions- oder Vorstellungsmaß haben, das nötig ist, um Prozesse bis in konkrete Architektur zu Ende zu denken, ist eine vielfach gemachte auf Seiten der Profis.
Nun hat die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ein Forschungsprojekt gestartet, mithilfe dessen dieser Mangel über den Einsatz von virtueller Realität behoben werden könnte. Das Forschungsprojekt INSPIRER, das
zukünftig verstärkt partizipative Stadtplanungsprozesse ermöglichen soll, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Verbundprojekt aus der Programmlinie „Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen“ gefördert. Zahlreiche Kooperationspartner:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtplanung sind bundesweit unter der übergreifenden Projektleitung der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin involviert. Das Team möchte eine kooperative Mixed-Reality-Anwendung inklusive Demonstrator für die Stadtplanung entwickeln, ein punktwolkenbasiertes Trackingverfahren, das neuartige, umfassende Benutzerschnittstellen im Stadtraum herstellt. Ein Demonstrator wird im Rahmen eines tatsächlichen Stadtplanungsprozesses durch die kontinuierliche Einbindung von Bürger:innen bereits im Entwicklungsprozess ausprobiert und optimiert.
Die Entwickler:innen setzen auf einen Mix aus virtueller (Virtual, VR) und erweiterter (Augmented, AR) Realität, mit dem sich das Gegebene mit dem Zukünftigen zu einer Ansicht perfekt mischen lässt. Dabei setzen die Forscher:innen nicht nur auf die VR-Brille, auch Geräte wie Tablet, das Smartphone oder der Computer sind zu nutzen.
Prof. Dr. Heike Wiesner, Professorin für Betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme an HWR Berlin und unter anderem Expertin für partizipative Softwaregestaltung, ist tief in das Projekt involviert. Aus ihrer Sicht sind „die Entbürokratisierung und die digitale Vernetzung […] Stellschrauben für die Öffnung [der Planungsprozesse; Be. K.]. Die virtuelle Welt ist gerade für die junge Generation längst Realität. Auch deshalb könnte es funktionieren. Wenn dann noch unser digitales Angebot von älteren Bürger:innen zusammen mit jüngeren Bürger:innen zeitgleich getestet und weiterentwickelt wird, kann das richtig gut werden.“ Be. K.