Bürogebäude WDF 53 SAP, Walldorf
Die serielle Vorfertigung in Modulbauweise kann auch für den Neubau von Bürogebäuden interessant sein, selbst wenn es um größere Bauten geht. So haben Scope Architekten beim Softwarehersteller SAP in Walldorf bei Heidelberg ein Gebäude errichtet, das für die Mitarbeiter eine Fläche von gut 10 000 m² bereitstellt. Dank der Modulbauweise konnte der Rohbau des viergeschossigen Baukörpers aus einem vorgefertigten, teilausgebauten Stahlskelett in lediglich acht Wochen errichtet werden.
Das Bauen in vorgefertigten Modulen ist eine spannende Abwechslung zum herkömmlichen Bauen. Man muss mit der speziellen Systematik umgehen, sie für sich erschließen und daraus dann einen Entwurf entwickeln. Für uns als Architekten ergibt sich daraus eine „individuelle Serielität.« ⇥Mike Herud, Architekt
Der Individualisierungsgrad ist beim Modulbau eingeschränkt. Er bringt Zwänge mit sich, die man aber in der Architektur wieder nutzen kann.« ⇥Andreas Witte, Projektleiter
Den Softwarehersteller SAP kann auf eine Unternehmenshistorie zurückblicken, die bis ins Jahr 1972 reicht, eine Zeit also, in der man bei der Verarbeitung von Daten noch mit Lochkarten hantierte. SAP wagte damals den durchaus revolutionären Sprung in eine rein digitale Datenverarbeitung, was sich schließlich zu einem durchschlagenden Erfolg entwickelte. Gegründet in Weinheim (nördlich von Heidelberg), zog das Unternehmen bald ins 35 km entfernte Walldorf (südlich von Heidelberg), wo sich auch heute noch das Hauptquartier befindet. SAP ist einer der größten Player weltweit, mit knapp 100 000 Mitarbeitern. Die Unternehmenszentrale im kurpfälzischen Walldorf bildet mit den drei markant sternförmigen Bauten sowie einigen kleineren und größeren Ergänzungen mittlerweile einen eigenständigen Campus.
Dreidimensionaler Auftakt
Jüngste Entwicklungen machten es Anfang 2017 notwendig, einen Büro-Neubau in direkter Nachbarschaft zu den Sternbauten zu errichten. Allerdings – so der Wunsch des Bauherrn – sollte der Neubau bereits nach zwei Jahren bezogen werden können. Scope Architekten aus Stuttgart, die bereits zuvor verschiedene Projekte für SAP umgesetzt hatten, entwickelten für diesen Anspruch ein Konzept, mit dem sie bewusst bisherige Standards im Bauwesen zu hinterfragen und auf die Unternehmenskultur des international agierenden Unternehmens zu reagieren suchen, in der architektonischen Gestaltung wie auch in der Konstruktion. Der Neubau ist als Solitär konzipiert und nimmt städtebaulich gesehen eine Art Auftakt-Funktion ein, denn er ist (momentan noch) dem Campus vorgelagert, wenn man sich von der Autobahn her nähert.
Die Fassade des WDF 53 (so der offizielle Name im SAP-Jargon) gibt sich zunächst dreidimensional, geschosshoch verschachtelt, mit hellen und dunklen Flächen, durch die die Tiefe in der Kubatur noch einmal betont wird. Nähert man sich dem Gebäude weiter, erkennt man, dass die Außenhaut aus einer Lochblechfassade besteht, deren Lochung pro Stockwerk von oben nach unten fließend variiert, wodurch sich die Durchsichtigkeit nach oben hin vergrößert. Dieser Verlauf von 20 – 40 % der zusammen mit dem Klimatechnik-Büro Transsolar aus Stuttgart anhand des Sonnenverlaufs entwickelt wurde, bietet einen optimalen Sonnenschutz für die Fenster dahinter. Außerdem sind die Lochbleche teilweise horizontal individuell verschiebbar, wodurch auf Raffstoren verzichtet werden konnte.
Vorteil Rohbauphase
Man sieht es dem Gebäude nicht unbedingt an, aber es ist in Modulbauweise konstruiert. Die Architekten haben diesen Weg vor allem wegen der vom Bauherrn gewünschten kurzen Planungs- und Bauzeit gewählt. In der ersten Planungsphase waren verschiedene Bauweisen auf dem Tisch, etwa Holzmodulbauweise oder Betonfertigteile. Am Ende aber entschieden sie sich für eine Modulbauweise in Stahlbau, weil sich hier derzeit die besten und schnellsten Möglichkeiten bieten. „Im Stahlbau haben wir das ausgereifteste System gefunden“, erläutert Andreas Witte, Projektverantwortlicher bei Scope. Im konkreten Fall bedeutet das: Die gesamte Rohbau-Konstruktion besteht aus vorgefertigten Stahlrahmen-Modulen, deren Abmessungen von 18 bzw. 11 x 3 x 4,50 m sich vor allem an der Transportierbarkeit auf der Straße orientierte. Die Module besaßen ab Werk einen Vorfertigungsgrad von rund 60 %, waren bereits an Decken und Böden beplankt und mit den Fassadenfenstern ausgestattet. So war es möglich, den Rohbau für das Gebäude mit einer Bürofläche von gut 10 000 m² in lediglich acht Wochen zu errichten.
Gestaltungsfreiheit im Modulbau
Bei der architektonischen Gliederung des Gebäudes sind die Architekten im Grunde der Idee des Modulbaus so weit wie möglich gefolgt. Die einzelnen Module gruppieren sich zu vier Gebäudespangen in zwei unterschiedlichen Tiefen. In deren Drehpunkt befindet sich die verbindende Mittelzone mit Erschließung und gemeinschaftlichen Bereichen als Social Hub, wo spontane Begegnungen möglich sind. Zwischen jeweils zwei Spangen entstehen mit Glas überdachte, 17 m hohe Lichthöfe, die als vertikale Lufträume dienen und eine hohe Aufenthaltsqualität liefern. Die Flure und Wege in den Spangen verlaufen innerhalb der Module, wodurch dafür keine zusätzliche Konstruktion notwendig war. Durch das teilweise Verschieben der Module zueinander entstehen Rücksprünge, die als Balkone genutzt werden können.
Dass beim fertiggestellten WDF 53 die Module nicht mehr sichtbar sind, hängt vor allem mit baugesetzlichen Vorgaben zusammen: „Wir hätten den Stahlbau am liebsten erlebbar gemacht“, erläutert Mike Herud, Geschäftsführer bei Scope, „was aber aus Brandschutzgründen natürlich nicht möglich war. Deswegen haben wir den Stahlrahmen-Bau immer wieder als Zitat eingeplant.“ So etwa im Treppenhaus, bei der Inneneinrichtung der Kantine oder auch bei der großzügigen Dachterrasse, die die Struktur der Module sichtbar weiterführt. Den Architekten war dieses Zitieren wichtig, auch um die architektonische Individualität zu bewahren. Bei der Verbindung der seriellen Vorfertigung in Modubauweise mit der gestalterischen Individualität spielt der Architekt und Planer eine zentrale Rolle.
Raum zur Kommunikation
Den Innenraum haben die Architekten von Scope (vor dem Entwurf nutzerorientert analysiert) als agiles und digital vernetztes Umfeld geplant, sodass die rund 550 Mitarbeiter möglichst selbst entscheiden können, wie sie arbeiten möchten. So sollen konzentrierte Schreibtischarbeit am Einzelplatz, fokussierte Besprechung, kreativer Austausch oder auch Homeoffice möglich sein. Die beiden überdachten Lichthöfe sind ebenfalls multifunktional ausgerichtet und sollen die Mitarbeiter als „Marketplace“ und „Urban Jungle“ (mit echten Feigenbäumen, die in Aussparungen in der Bodenplatte des kellerlosen Gebäudes gepflanzt sind) zum gemeinsamen Lunchen, Ad-hoc-Meeting oder einfach zum Verweilen und Entspannen einladen. Hängegärten holen die Natur in den Innenraum. Warmen Materialien und dezenten Farben sind gezielte Kontraste mit kühlen, industriellen Elementen entgegengesetzt, um mit der Kombination aus Werk- und Maßanfertigung zu spielen. Glastrennwände und Ganzglasfassaden ermögliche eine visuelle Kommunikation und transportieren eine offene und transparente Unternehmenskultur.
Modulare Individualität?
Mit dem Neubau des WDF 53 haben Scope Architekten nicht die Grenzen des Machbaren beim Modulbau ausgelotet, sondern die Grenzen des Sinnvollen. Gerade im Bereich der Corporate Architecture wünschen eben nur wenige Bauherren ein Gebäude aus dem Katalog. Dennoch kann die serielle Vorfertigung dazu dienen, Abläufe zu verkürzen, sodass bis zu einem gewissen Punkt in der Rohbauphase nach guten Standards schnell gebaut werden kann. Für die Planer bei Scope war dieser Punkt bei ungefähr 60 % erreicht, sodass die restlichen 40 % der individuellen Gestaltung dienen konnten. Dazu bedurfte es freilich einer anderen gestalterischen Herangehensweise im Entwurf. Wer sich jedoch die Rahmenbedingungen durch Modulbauweise zunutze machen kann, erhält ein Bauwerk, das trotz eines hohen Vorfertigungsgrads auf die Wünsche des Bauherrn einzugehen vermag. Die Planer von Scope nennen dieses Konzept die „serielle Individualität“. Ein Stück weit schwingt dabei die Vision Le Corbusiers mit, der zusammen mit dem Ingenieur Max du Bois im Jahr 1914/15 das Bausystem „Dom-Ino“ entwickelte, bei dem Häuser in Stahlbeton-Skelettbauweise aus vorgefertigten Elementen nach dem Prinzip des freien Grundrisses seriell errichtet und individuell weitergestaltet werden können. Das Prinzip ist also nicht neu. Heute aber stehen den Planern ausgereiftere Materialien und Systeme zur Verfügung.⇥Thomas Geuder, Stuttgart
Baudaten
Objekt: WDF 53, Modulbau
Standort: Walldorf
Typologie: Modulbau Bürogebäude
Bauherr/Nutzer: SAP SE
Architekt: SCOPE GmbH, Stuttgart,
www.scopeoffice.de
Mitarbeiter (Team): Mike Herud, Oliver Kettenhofen, Andreas Witte, Sophia Zouros, Jerzy Wienecki
Bauleitung: Alexander Danner, ADK Modulraum GmbH, Neresheim, www.adk.info
Generalunternehmer: ADK Modulraum GmbH, Neresheim, www.adk.info
Bauzeit: 04/2017 – 02/2019
Fachplaner
Tragwerksplaner: ADK Modulraum GmbH, Neresheim, www.adk.info
TGA-Planer: ADK Modulraum GmbH, Neresheim, www.adk.info
Innenarchitekt: SCOPE GmbH, Stuttgart,
www.scopeoffice.de
Landschaftsarchitekt: Hofmann Röttgen Landschaftsarchitekten BDLA, Limburgerhof,
www.hofmann-roettgen.de
Energieplaner: Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart/München, www.transsolar.com
Brandschutzplaner: Ingenieurbüro für Brandschutz Lorenz und Müller, Holzminden
Weitere Fachplaner: GeoConsult GmbH (Baugrund), Harsefeld, www.igc-geo.de; IBAK ingenieurbüro anke koch GmbH (LEED-Zertifizierung), Hamburg,
www.ibak-ankekoch.com
Projektdaten
Grundstücksgröße: 11 059 m²
Grundflächenzahl: 3 572 m²
Geschossflächenzahl: 1,14
Nutzfläche gesamt 11 424 m²
Nutzfläche: 7 784 m²
Technikfläche: 890 m²
Verkehrsfläche: 2 750 m²
BGF: 12 558 m²
BRI: 54 010 m³
Baukosten (nach DIN 276) KG 300 – 400 (brutto):
38 Mio. €
Energiebedarf
Primärenergiebedarf: 42 kWh/m²a nach EnEV 2013
Endenergiebedarf: 67,8 kWh/m²a nach EnEV 2013
Jahresheizwärmebedarf: 48,8 kWh/m²a nach
EnEV 2013
Raummodule
Konstruktion: Stahlskelettbauweise - Raumfachwerk
Hersteller: ADK Modulraum GmbH, Neresheim, www.adk.info
Anzahl der Module: 224 Raumzellen + 70 Einlegeböden
Abmessungen: von L 18,0 x B 3,0 x H 4,4 m bis
L 20,0 x B 4,7 x H 4,4 m
Vorfertigungsgrad: 60 – 70 %
Haustechnik
Heizwärme über Fernwärmenetz, Wärme (und Kälte) Verteilung über HK-Decke, Flächenheizung
Lüftung nur für den hygienischen Luftwechsel, personenbezogener Luftwechsel, Einsatz von CO2-Meldern, Adiabate Kühlung (Energielose Kühlung durch Verdunstungskälte in der Abluft)
Hersteller:
Dach: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de
Bodenbeläge: OBJECT CARPET GmbH,
www.object-carpet.com
Wandbeläge: BuzziSpace, www.buzzi.space
Glasdächer: LAMILUX Heinrich Strunz Holding GmbH & Co. KG, www.lamilux.de
Sektionaltor: Hörmann KG Verkaufsgesellschaft, www.hoermann.de
Feinsteinzeugfliesen: Ceramiche Refin S.p.A.,
www.refin-fliesen.de
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht im DBZ Sonderheft Modulbau 2019. Hier finden Sie Projektberichte, Fachbeiträge und Interviews mit Architekten zum Modularen Bauen.
Das komplette Heft gibt es kostenlos zum Download unter: DBZ Sonderheft Modulbau 2019
Lesen Sie auch DBZ Sonderheft Modulbau 2018: DBZ Sonderheft Modulbau 2018