DGNB fordert Weiterentwicklung und Neuausrichtung der EnEV

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) entspricht in der heutigen Form nicht mehr dem aktuellen Wissensstand und ist weder zielführend noch zukunftsfähig, so die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.. Sie spricht sich stattdessen für eine grundlegende Neuausrichtung und Weiterentwicklung der EnEV aus. Die zentralen Forderungen im Überblick:

– eine Änderung der Zielsetzung mit Blick auf die Klimaschutzziele

hin zur Begrenzung klimaschädlicher Gase

– eine Erweiterung des Betrachtungsraums auf Basis der Ökobilan-

zierung über den gesamten Lebenszyklus

– eine grundsätzliche Technologieoffenheit für mehr Innovation

– eine Bewertung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit energiespa-

render Maßnahmen auf Basis der Lebenszykluskostenrechnung

– eine Einbeziehung der Liegenschaft bzw. des Quartiers in die

Gebäudebetrachtung.

Während die Anforderungen früherer EnEV-Versionen aufgrund der stetigen Weiterentwicklung von baulichen Konzepten und Technologien angemessen umgesetzt werden konnten, zeigt sich vor allem in der EnEV-Novellierung zum 1. Januar 2016, dass eine ausschließliche Fokussierung auf die Einsparung der Betriebsenergie von Gebäuden nicht mehr zielführend ist, so die DGNB. Insbesondere werde das große Potential der gebauten Umwelt hinsichtlich des Erreichens der Klimaschutzziele der Bundesregierung bei weitem nicht ausreichend ausgeschöpft – etwa mit Blick auf die Reduzierung des Ausstoßes
klimaschädlicher Gase. Daher fordert die DGNB eine Neuausrichtung und Weiterentwicklung der EnEV im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von Gebäuden – mit einer Methodik, die transparent und nachvollziehbar ist.

Der Fokus einer zukünftigen EnEV solle über die Betrachtung des Primärenergiebedarfs hinaus unbedingt erweitert werden. So solle unbedingt der Aufwand für die Herstellung der im Gebäude eingesetzten Bauprodukte und technischen Anlagen (graue Energie) in die Bilanzierung einbezogen werden. Mit Hilfe von Ökobilanzierung und Lebenszykluskostenrechnung lassen sich die weiterreichenden Umweltwirkungen und Gesamtkosten von Gebäuden erfassen und bewerten. Erst auf dieser Basis werde eine umfassende und zielgerichtete Optimierung von Einzelgebäuden möglich, die in der Summe dazu beitragen, die übergeordneten Nachhaltigkeitsziele Deutschlands zu erreichen. Ein großer Vorteil einer so neu ausgerichteten EnEV besteht laut DGNB darin, dass es Bauherren und Planern offen bliebe, mit welchen Konzepten und Technologien die gesetzlichen
Anforderungen erfüllt werden. Ein solches Regelwerk wäre in hohem Maße innovationsfreundlich und schaffe die Freiheit für Bauherren und Planer, mit dem geringstmöglichen Aufwand die maximale Wirkung für den Klimaschutz zu erzielen.

Perspektivisch spricht sich die DGNB dafür aus, die Begrenzung der EnEV auf Einzelgebäude zu hinterfragen und die Schnittstellen und Vernetzung zum Stadtquartier oder zur Liegenschaft zu definieren. Wenn Zielsetzungen im Rahmen des Klimaschutzes nicht mehr für das einzelne Gebäude, sondern für ein Quartier formuliert werden, könne ein begründeter Spielraum geschaffen werden, der etwa die baukulturelle Bedeutung von denkmalgeschützten Gebäuden berücksichtigt.

Die Weiterentwicklung der EnEV sollte als Chance begriffen werden, um das Blickfeld und damit die Möglichkeiten zu erweitern sowie die Zielsetzung hinsichtlich des Klimaschutzes zu schärfen. Der Prozess einer Neuformulierung biete die große Chance, die EnEV nicht nur als Verwaltungsinstrument für Regelungsnachweise weiterzuentwickeln, sondern auch als Werkzeug zur Projekt- und Planungsunterstützung im oben genannten Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung. Eine solche Neuformulierung bedeute stattdessen einen Paradigmenwechsel, der auf bereits erprobtem Boden stehe. Viele positive Projektbeispiele hätten gezeigt, dass die ganzheitliche und lebenszyklusorientierte Betrachtung zu wirtschaftlichem Klimaschutz führt.

Über die unmittelbare Neuausrichtung der EnEV hinaus fordert die DGNB, dass geeignete Instrumente entwickelt werden, die den Gebäudebestand ernsthaft bearbeiten. Nur so können die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung, insbesondere die Klimaschutzziele, erreicht werden. Dabei entwickelte Lösungen müssten dem
Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen und eine Effektivitätsbetrachtung ermöglichen, die für die Beteiligten die Wahl zwischen Betriebsoptimierung, baulichen Maßnahmen und/oder flankierenden Maßnahmen im Quartier offen lasse.

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