Das offene AmtOrdnungsamt in Frankfurt am Main
Mit dem neuen Ordnungsamt in Frankfurt am Main werten Meixner Schlüter Wendt das vernachlässigte Gallusviertel auf und zeigen, dass eine Behörde auch Offenheit und Bürgernähe ausdrücken kann. Die Architekten verdichteten das straffe Raumprogramm in einer skulpturalen Gebäudeschleife.
Das offene Amt
Das Ordnungsamt ist eines der meistbesuchtesten Ämter in Frankfurt und verteilte sich bisher auf mehrere Standorte in der Stadt. Wegen der langen Wege zwischen den Behörden entschloss sich der Magistrat, das Amt in einem Neubau im Frankfurter Gallusviertel zusammenzulegen. Das neue Amt bündelt eine Reihe von Behörden, darunter das Amt für Ordnungsangelegenheiten, die Ausländerbehörde, die Stadtpolizei und das Fundbüro. Auf 30 000 m2 Bruttogeschossfläche arbeiten rund 600 Mitarbeiter.
Trotz dieser Baumasse entstand kein Respekt einflößender Verwaltungsapparat, sondern eine bürgernahe Behörde. Die Frankfurter Architekten Meixner Schlüter Wendt verdichteten das straffe Raumprogramm in einer sechsgeschossigen, 300 m langen Gebäudeschleife. Das mehrfach gekrümmte Band steht auf einem keilförmigen Blockrand im Gallus. Den hinteren Teil des Blocks sollen in den nächsten Jahren Wohnbauten und ein Verwaltungsriegel vervollständigen. Durch die Wirtschaftskrise wurden diese Pläne jedoch erst mal auf Eis gelegt. Das langfristige Ziel der Stadt: die heterogene Bebauung des Quartiers aus Gründerzeitbauten, Fabrikbrachen und einfachen Büroriegeln in attraktiven Wohn- und Gewerberaum zu verwandeln.
Mit dem neuen Ordnungsamt ist ein Teil dieser Stadtraumreparatur bereits gelungen. Die spiralförmige Gebäudeschlange setzt der gesichtslosen Anonymität vieler Behörden Offenheit und Wiedererkennbarkeit entgegen. Die Krümmungen zeichnen die Kurvenbewegung der nahen Bahngleise im Süden nach. Gleichzeitig greift das Gebäude die orthogonale Struktur der nördlich und östlich angrenzenden Bauten auf und vermittelt geschickt zwischen den verschiedenen Strukturen des Quartiers.
Die Fassade: Farbwechsel und fließende Übergänge
Durch die Mäanderstruktur gibt es weder Straßen- noch Hofseite, beide Seiten gehen fließend ineinander über. Dieses Spiel mit der Wahrnehmung steigert sich durch die verwendeten Farben: Eine helle und eine dunkle Fassade wickeln sich gegenläufig um den Baukörper. Die dunkle Seite schmückt Basalt und hell- bzw. dunkelgrauer Putz, die helle beiger Muschelkalk und weißer Putz. Vor allem die 150 m lange Fassade entlang der Rebstöcker Straße profitiert davon: Man nimmt sie wie zwei verschiedene Gebäude wahr, die sich äußerst angenehm in den Maßstab des Gallusviertels einfügen. Zumal sich das Ordnungsamt an dieser Stelle mit einem öffentlich zugänglichen Innenhof und einem Café zum Stadtteil öffnet.
Um die gewaltige Baumasse nicht übermächtig erscheinen zu lassen, zerlegten die Architekten den kurvigen Bandwurm auch in der Horizontalen. Geschosshohe Glasfugen, Vor- und Rücksprünge, Sonnenschutzblenden und fein komponierte Putzbänder geben der Fassade Rhythmus und Plastizität. Die immer gleiche Höhe der Büroetagen fällt so nicht mehr auf. Die Kopfenden des Hauses sind durch ein zusätzliches Technikgeschoss erhöht. Zum Innenhof ist das Gebäude auf vier bzw. fünf Geschosse abgetreppt, so dass mehr Licht in den Hof dringt.
Der Innenraum: Bürgernähe statt Anonymität
Die Eingangshallen im Erdgeschoss und 1. OG wurden im Sinne eines „öffentlichen Amtes“ aus dem massiven Baukörper herausgeschält und großzügig verglast. Das Bandmotiv der Fassaden setzt sich in der Eingangshalle des Bürgeramtes fort: Lüftung und Akustik verschwinden hinter schmalen Bahnen aus Gipskarton, die sich unter der Decke auffalten. Dunkle Streifen im Terrazzoboden zeichnen die Konturen der Decken nach und unterteilen einzelne Raumbereiche. Auch der Empfangstresen, der Serviceschalter und die Sitzbänke über den Heizkörpern sind als Bandsegmente gestaltet. 90 Prozent aller Anliegen sollen im Foyer erledigt werden, um die Wartezeit zu verringern. Nur ausführliche Einzelgespräche finden nach vorheriger Terminabsprache im Büro statt. Abgerundete Glasscheiben unterteilen die einzelnen Arbeitsplätze am Serviceschalter. Die Aktenordner verschwinden hinter transluzenten Glasschiebetüren, auf denen der Grundriss der Stadt Frankfurt vergrößert abgebildet ist.
Originell ist auch das Leitsystem des Hauses, das mit Farbakzenten, pfiffigen Symbolen und fast ohne Worte Orientierung vermittelt. Schon der weiße Adler und der auffallend große Schriftzug „Ordnungsamt“ an der Eingangsfassade unterstreichen: Dies ist keine anonyme Behörde, sondern ein Ort mit Identität.
Wie bei der Fassade spielen die Architekten auch in den zweihüftig organisierten Büroetagen mit Hell-Dunkel-Kontrasten: Die Farbe des Linoleumbodens variiert zwischen hellgrau (in den Büros zur Straße), dunkelgrau (Flur) und grau (Hofseite). Die dezente Farbabstufung setzt sich an den Flurwänden fort. Raumhohe, vorstehende Zargen fächern die Flure auf und fassen jeweils Tür und Oberlicht ein. Durch den abknickenden Gebäudeverlauf wirken die einzelnen Etagenabschnitte angenehm überschaubar.
Die Wartezonen kennzeichnen Frankfurter Sehenswürdigkeiten: Palmengarten, Eiserner Steg oder Alte Oper. Eines von vielen gelungenen Details, die den üblichen „Behördengang“ sympathischer und bürgernäher erscheinen lassen. Michael Brüggemann, Mainz