Absturzsicherheit

Der 2. Deutsche Fachkongress für Absturzsicherheit in München war ein voller Erfolg

Am 16. und 17. November 2017 fand der 2. Deutsche Fachkongress für Absturzsicherheit im Doppelkegel der BMW-Welt und im Hotel Eurostars Grand Central in München statt. Natürlich bildete die Architektur des Doppelkegels der BMW-Welt einen besonderen Rahmen für den Fachkongress. Mit über 200 Teilnehmern– darunter Wissenschaftler, Architekten und Planer, Bau- und Handwerksunternehmer, Vertreter aus Industrie und Wirtschaft, aber auch Immobilien-Betreiber von Audi und Ikea – war das Auditorium hervorragend besetzt.

Absturzsicherheit ist Teil des Gesamtprozesses „Planen, Bauen und Betreiben“. Damit gehört das Thema nicht nur zum klassischen Roh- und Ausbaubereich, sondern ist zwingend Teil des Planungsprozesses bei Architekten und planenden Bauingenieuren, um eine einwandfreie, vor allem absturzsichere Wartung und Betreuung von Gebäuden zu gewährleisten. Abstürze gehören auf der Arbeitsstelle zu den häufigsten Unfällen, die schlimmstenfalls tödlich ausgehen. Folgerichtig müssen Sicherungssysteme höchsten Sicherheitsnormen nach europäischen Richtlinien, nationalen Gesetzen und Regeln, bauaufsichtlichen Anforderungen der Länder, technischen Regeln und den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft entsprechen.

Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus von der BG Bau berichtete in seinem Impulsvortrag darüber, welche Rolle und Bedeutung die Absturzsicherheit bei der Planung und Errichtung der BMW-Welt hatte. Ein enormer Einsatz war nötig, um während der Baumaßnahmen die Absturzsicherheit herzustellen. Ein großes Problem in der Bauphase war u. a. der Übergang vom Rohbau zum Ausbau. An dieser Schnittstelle findet oft kein ausreichender Abstimmungsprozess der Projekt- oder Bauleitenden über bereits erfolgte oder notwendige Sicherungsmaßnahmen statt. Gibt es z. B. ausreichende Absatzflächen von Materialien auf dem Dach? Sind Gerüste oder Leitern frei von glatten Oberflächen? Wie räumt man Schnee auf den riesigen Dachflächen?

Klaus Bornack, Geschäftsführer der Bornack GmbH & Co. KG, sprach u. a. über das sichere Bewirtschaften der BMW-Welt. Für ihn ist Sicherheit ein Management-Thema und von Anfang an zu planen. Die nachträgliche Realisierung von Sicherungsmaßnahmen erhöht seiner Erfahrung nach die Kosten um das 2- bis 3-fache.

Martin Binder, Geschäftsführer ST-Quadrat, erläuterte die Konzepte, Systeme und Produkte seines Unternehmens, mit denen Dächer technisch absturzsicher gemacht werden. Auch er plädierte für die rechtzeitige Planung der Absturzsicherheitsmaßnahmen, vor allem im Hinblick auf die Wartungsmaßnahmen.

BG Bau Hauptgeschäftsführer Klaus-Richard Bergmann stellte die traurige Bilanz der Abstürze im Baugewerbe vor. Trotz aller Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen resultieren nach wie vor 40 % aller tödlichen Unfälle im Baugewerbe aus Abstürzen, und das nicht nur aus großen, sondern auch aus geringeren Höhen. Allein 2016 gab es über 8 000 Absturzunfälle mit 29 Todesopfern.

Christel Scheyk vom Scheyk Ingenieurbüro sprach ausführlich über die Sanierung des Münchner Olympiaturms und die damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen. Vor allem die Gefahr durch Wind und ungünstige Witterung erhöhen nochmals die komplexen Anforderungen. Aus Sicherheitsgründen wurde neben vielen anderen Maßnahmen zur Absturzsicherung eine Schutznetzeinhausung vor dem eigentlichen Montagebeginn errichtet.

Prof. Dr.-Ing Manfred Helmus von der Bergischen Universität Wuppertal erläuterte die Schwierigkeiten und Hindernisse, die die Wartung und Reinigung der aufwendigen Fassade der Hamburger Elbphilharmonie mit sich bringen. Auch hier stellte sich das Problem, dass es zwar ein Konzept zur Absturzsicherung der Fassadenreiniger gab, es aber nicht umgesetzt wurde.

Im letzten Vortrag des ersten Veranstaltungstages wies Dr. Florian Englert, Fachanwalt für Strafrecht, eindringlich auf die möglichen schweren Folgen für Auftraggeber, Planer und Sicherheitsverantwortliche hin, die sich aus nachlässigen Sicherheitsvorkehrungen ergeben können. “Es gibt eine subjektive Vorhersehbarkeit und eine subjektive Vermeidbarkeit von Gefahren.“

Ergänzend zu den Fachvorträgen wurden praktische Eindrücke zur Absturzsicherheit vermittelt. So konnten die Kongressteilnehmer die Sicherheitssysteme auf dem Dach der BMW-Welt begutachten und bei Vorführungen von Wartungs- und Reinigungsarbeiten in hohen, unzugänglichen Bereichen der BMW-Welt Eindrücke sammeln. Zudem stellten zahlreiche Hersteller in begleitenden Ausstellungen ihre Sicherheitssysteme vor.

Den Startvortrag am zweiten Veranstaltungstag hielt Prof. Dr.-Ing. Christoph Motzko von der TU Darmstadt. Er referierte zum Thema „Absturzprävention in der Schalungstechnik“.

Matthias Neurohr, Geschäftsführer „Das Werkstück“ und als Berater von Gerüstbau-Herstellern genauso gefragt wie als Ausbilder von Gerüstbau-Meistern, wies auf die Erfordernisse einer umfassenden (Sicherheits-)Ausbildung im Gerüstbau hin.

Ralf Raggl von der Firma Peri erläuterte die „eingebaute Sicherheit“ im Gerüstsystem Peri Up. Außerhalb des Konferenzraums konnten interessierte Teilnehmer auch einen direkten Vergleich zwischen Treppen- und Leiteraufgang auf ein Gerüst anstellen: Effizienz und Geschwindigkeitsvorteil sind enorm, von dem Plus an Sicherheit ganz zu schweigen.

Karl-Josef Simon, Geschäftsführer von Sifatec, setzt sich mit seiner Arbeit und seinen Produkten seit Jahren für eine höhere Absturzsicherheit ein.

Clemens Kube von der BGMH mahnte alle, die allzu leichtfertig
zu hoch hinaus wollen, zu mehr Sicherheit: „Willst Du auf die Leiter, denke weiter“.

Martin Sonnberger, beim österreichischen Bauunternehmen Porr für die Sicherheit zuständig, erläuterte verschiedene unternehmenseigene Sicherheitskonzepte, die beispielhaft auch für andere Bauunternehmen gelten können.

Heinz Schlosser, Dachdeckermeister und Spezialist für Flachdächer, erläuterte verschiedene Sicherheitslösungen aus der Praxis.

Den Abschluss des Kongresses bildete eine Podiumsdiskussion, moderiert von Burkhard Fröhlich (Chefredakteur der DBZ), in der
David C. Meuer (Architekt und SiGeKo), Martin Sonnberger (Bauunternehmung), Gerd Renz (Handwerk), Renatus Dierberger (SiGeKo) und Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus (BG Bau), Wege aufzeigten, die
die Kommunikationsschwierigkeiten aller am Baubeteiligten auflösen. Soll einmal mehr heißen, dass alle an dem Planungsprozess Beteilig-ten im frühen Planungsstadium auch über die Absturzsicherheit im Rohbau und Ausbau ebenso nachdenken wie im Rahmen der Bewirtschaftung im Sinne von Facility Management. Besonders hervorzuheben ist aus der Runde die Absicht, die Architekten mehr für dieses Thema zu sensibilisieren und über Architektenkammern im Rahmen von Veranstaltungen das Thema Absturzsicherheit zu diskutieren.

Der 3. Fachkongress für Absturzsicherheit findet am 6. und 7. November 2018 in Bonn im Kameha Grand statt. BF

(Video auf DBZ.de und in unserer App)

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