Die BAU 2021 kommt. Die in 2023 wird noch digitaler

Im Gespräch mit Dr. Reinhard Pfeiffer, Messe München www.bau-muenchen.com

Herr Dr. Pfeiffer, die Bauwirtschaft war in den zurückliegenden Jahren eine wesentliche Säule der volkswirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. In den zurückliegenden Monaten der Corona-Krise blieb die Bauwirtschaft zunächst weitgehend stabil und trug maßgeblich dazu bei, dass wir ganz gut durch die Anfangszeit gekommen sind. Wie schätzen Sie jetzt die wirtschaftlichen Perspektiven der Bauwirtschaft in den kommenden Monaten der Corona-Krise ein?

Dr. Reinhard Pfeiffer: Ja, es war tatsächlich so. Zum Jahresanfang war die Bauwirtschaft erfreulich stabil, das war auch noch in den ersten Corona-Monaten spürbar. Die Aufträge, die ja schon früher geschrieben wurden, wurden abgearbeitet. Die exzellente Auftragslage, insbesondere im Wohnungsbau, hat die Bauwirtschaft gestützt. Aber jetzt gibt es Schleifspuren, die Aussichten sind derzeit nicht gut für die Bauwirtschaft. Im Gewerbebau wird der Negativtrend deutlicher zu spüren sein als im Wohnungsbau. Eines zeigt sich in Krisenzeiten aber immer wieder: Die Bauwirtschaft ist am ehesten geeignet, eine konjunkturelle Trendwende einzuleiten. Ich erinnere mich an die Finanzkrise 2008, damals gab die BAU 2009 im Januar danach einen unglaublichen, positiven Schub. Im Dialog mit allen Beteiligten und vor allem mit der Politik gelang es, den Bau auf Wachstumskurs zu bringen. Das erwarte ich auch von der BAU 2021. Insofern könnte sie gar nicht zu einem besseren Zeitpunkt stattfinden.

Erwarten Sie nach der Corona-Krise eine Erholung der Bauwirtschaft oder eine langfristige Stagnation?

Ich erwarte eine spürbare Erholung. Die beschäftigungsintensive und krisenerprobte Bauwirtschaft war schon immer die Branche, die als Konjunkturlokomotive für Beschäftigung gesorgt hat und auch die notwendigen psychologischen, positiven Impulse gab. Außerdem haben wir viele Herausforderungen: das Thema Nachhaltigkeit, das Thema Leben und Arbeiten, generationengerechtes Bauen, Energieeffizienz und mehr. All die Zukunftsthemen können nur mit einem zukunftsgerichteten Bauen gelöst werden.

Welche besondere Rolle nimmt in dieser Hinsicht die BAU 2021 ein, wie stellt sich die gegenwärtige Situation dar? Es gibt Absagen auf der einen Seite und auf der anderen Seite Firmen und Unternehmen, die zur Messe stehen.

Also man muss ganz klar sagen, dass wir sehr bedauerliche Absagen haben. Diese Firmen bedauern überwiegend aber auch, nicht auf der BAU zu sein. Was uns dabei noch gefreut hat ist, dass die BAU als Plattform überhaupt nicht in Frage gestellt wird. Fast alle Unternehmen haben gesagt, bei der BAU 2023 sind wir wieder dabei! Aus den Absagen allerdings auf eine Gesamtstimmung zu schließen, ist ein Fehler. Wir haben viele Stimmen von Ausstellern, die ausstellen wollen und das auch sagen. Unter dem Motto „Wir sind dabei“ haben wir einige davon veröffentlicht. Die überwiegende Zahl der Aussteller steht nach wie vor zur BAU und möchte, dass wir die BAU vereinbarungsgemäß durchführen. Die Buchungslage ist nach wie vor gut. Mehr als 1 300 Austeller haben über 90 000 m² fest gebucht. Deren Vertrauen werden wir nicht enttäuschen. Wir sind überzeugt, dass unter den derzeitigen Bedingungen eine BAU gut durchführbar ist.

Jenseits der Corona-Krise steht unsere Bauwirtschaft vor besonderen Herausforderungen wie beispielsweise die von Ihnen schon angesprochene Änderung der Arbeit und des Wohnens, Veränderung der Mobilität, der Klimawandel oder das ressourcenschonende Bauen. Das alles fordert die Innovationskraft der Branche. Welche Rolle spielt die BAU in diesem Zusammenhang?

Die BAU ist schon immer ein Treiber gewesen. Warum ist das so? Weil im Vorfeld einer BAU das enge Zusammenspiel zwischen Ausstellern, Verbänden und Politik auf der einen Seite und Planern und Ausführenden auf der anderen Seite gut funktioniert. Hier definieren wir gemeinsam: Was ist die Zukunft des Bauens, was brennt uns auf den Nägeln? Am Schluss brauchen wir aber auch die Produkte und die Dienstleistungen, die die erforderlichen Innovationen erst ermöglichen. Das ist das große Plus der BAU. Es geht nicht nur um Visionen, sondern auch um das wirklich Machbare.

Die internationale Bedeutung der BAU hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Was machen Sie, damit diese internationale Wahrnehmung der BAU erhalten bleibt?

Wir bieten den Ausstellern eine digitale Plattform, mit der es möglich ist, sich an Kunden zu wenden, die nicht in München sein können. Wir werden zusätzlich Vorträge und Programmpunkte aus den Foren streamen und Interessierten zur Verfügung stellen, die eben diesmal nicht persönlich zur BAU kommen können. Das alles funktioniert bereits; wir setzen es im Oktober auf unserer Messe Analytica bereits ein.

Was bedeutet das alles für die BAU 2023?

Digitale Erweiterungen gewinnen schneller an Bedeutung, als wir das geplant hatten. Diese werden 2023 eine Ergänzung zu klassischen BAU sein. Ich bleibe aber ganz bewusst bei Ergänzung, denn eines hat sich jetzt auch ganz deutlich in der Krise herausgestellt: Ja, man kann Webinare veranstalten, man kann digitale Meetings abhalten, aber je länger die Corona-Zeit angehalten hat, umso deutlicher wurde das starke Bedürfnis, sich wieder persönlich zu begegnen und sich persönlich auszutauschen. Wir werden dieses „Matchmaking“ vor Ort mit digitalen Tools noch effizienter machen, so dass der Mehrwert einer Messe steigt. Unter dem Strich ist eine Messe das effizienteste Mittel, um innerhalb kürzester Zeit unglaublich viele Kontakte zu machen und Gespräche zu führen.

Mit Dr. Reinhard Pfeiffer unterhielt sich Bauwelt-Chefredakteur Boris Schade-Bünsow am 5.8.2020 in München

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