Die Leichtigkeit des Steins?

Momentan ist alles so brandneu und cool. Hochglänzende „I, Robot“-Suggestionen und ihre angeblich intelligenten Flying-Dutchman-Fassaden verkaufen sich schwerelos gut, wie schnelle Renner und sommerliche Brüter: sustainability-label geadelt, ever-young und makellos schön. Wie lange ist „nachhaltig“? Wissen wir das schon? Erst gestern waren doch noch luftkonditionierte Glaskisten des International Style in Chicago so falsch wie in Hong Kong. Schon gibt es neue Spiel-Versuche. Diesmal in Dubai oder Beijing. Ihre Substanzlosigkeit macht bei uns Energie-Nullsummenspiele zum geförderten Leben in der Thermoskanne am high-tech-Tropf. Zum neuen Versuchs-Spiel des globalen Aufbruchs in eine wahr werdende Bladerunner-Ästhetik scheint Stein nicht ins gestylte Filmbild zu passen. In der Rasanz des Sonnen-Zehnkampfes „solar decathlon“ ist nur Zeit für die montierte Leichtigkeit der aufgeschäumten Oberfläche im Wechsel mit gläsernen Vorhängen. Inzwischen lässt das fancy-phone bei R128 in S von Chicago aus schon mal die Kühlung an. Die spielerische Flüchtigkeit des globalisierten Lebensgefühls scheut und übersieht die ortsspezifische Substanz der Tiefe. Beständige Wechselhaftigkeit und oberflächliche Verliebtheiten in allerlei bunte Glas-Batiken, Faltungen, Biegungen und Aufgeblasenes ab Werk haben örtliche Nass-Bauweisen längst angezählt. Denaturierung lässt uns immer schneller restlos vergessen, wie lange Substantielles halten konnte. An den Erfolg der Story glauben wir blind. Bis der Monteur kommen muss.

Den Produkten dieser Kunstwelt entfliehen wir in Hansestädte, ins Tessin, die Lombardei, Toskana, nach Venedig oder in die Provence. Für wenige Wochen bringt stiller Context-Talk den chicen Global-Style-Chat zum Schweigen. Authentisches einer Region lässt sich noch nicht so schnell auswechseln. Genau das suchen wir – hier. Wie erwartet lernen wir das Staunen neu über Mauer-Werk das dauert, dabei plastisch, sinnlich ist. Festigkeit, veränderlich im Licht, im Wetter, die in ihrer Substanz speichert und altert, dabei patiniert – so auf einfache Weise gut ist und immer besser wird, wie der Käse, der Schinken oder Wein der Gegend. Wie lange „nachhaltig“ dort ist, wissen wir. Seit Jahrhunderten. Manche ziehen auch heute noch ihre modernen Lehren daraus. Wie ein Kahn, Doshi, Correa oder Pruscha, die abseits der Hochglanzwelt der Protagonisten ihrer Zeit dicke geschachtelte Mauer-Substanz bleibend in die Sonnen-Hitze wie in die Monsun-Nässe Asiens zu stellen wussten. Bei uns hat solcher Steinbau lange schon seine Mauern der Mono-Massivität verordnungshalber gegen arbeitsteilige Hybride austauschen müssen. Weiter geht es. Steuermodelle steuern: Über die Ziellinie der Industrie fahren weiterhin abschreibbare Autos einer als mobil entschiedenen Gesellschaft – gegen immobiles Bauen. Auch für dessen Produktionsverhältnisse gilt schon lang: Fabrikarbeit ist besser als Bauarbeit, schnell montiert ist billiger als lang gemauert, hochgedämmt ist geförderter als dickgemauert. Die lobbiierte Schaumschlacht an der Wand geht weiter. Fieberhaft werden folglich immer neue Nullserien immer dünnerer Steinhäute auf Chromstahl getestet. Auch dieses austauschbare Bild muss genormt, genäht, leicht aufrecht zu erhalten sein.

Adobe-Bau steht ebenso wenig wie die Steinsubstanz sommerkühler Kirchen und gleichmäßig temperierter Weinkeller auf der Erfahrungsliste technoiden Bauens. Vielleicht wurde auch nur Architektur mit Produktdesign verwechselt. Nachhaltig, sustainable? Wieder mal vorübergend, wie ein Blatt im Wind? So ephemer und wechselhaft ist beständiger Steinbau nicht. Warten wir damit einfach auf erneuerte Wertvorstellungen für wirkliche Langlebigkeit.

Der Architekt

Hansjörg Göritz, geboren 1957 in Hannover, 1979 Abitur, 1980 Gesellenbrief Mauer, 1984 Diplom an der Hochschule Hildesheim, 1984/85 Stipendium an der AA London, Studien bei Mohsen Mostafavi, Kalliope Kontozoglu u. a. Studiogründung 1986 in Hannover, 1993 in den BDA berufen, 1996 Architekturbiennale Venedig, 1999-2001 Professur Entwerfen Baukonstruktion Dortmund, 2000 in den Deutschen Werbung berufen, 2002-2006 Kollegialkreis Hannover, Gestaltungsbeirat, 2007 Berufung an die University of Tennessee, Knoxville/USA. www.hansjoerggoeritz.com

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