„Die Praxis ist manchmal grau!“
Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch zum Thema „Green Building“

Der Begriff  „Green Building“ wurde in den USA geboren. Dort, wo es auch ein Green Building Council gibt, versteht man es exzellent, ansprechende Label zu kreieren und zu vermarkten. Ganz einfach ausgedrückt ist ein Gebäude „grün“ – besser gefällt mir „nachhaltig“ – wenn es einen hohen Nutzwert hat und die Umwelt möglichst wenig belastet. Besonders energieeffiziente und nachhaltige Gebäude werden heute mit „Green Building-Zertifikaten“ in Silber bis Platin oder Anzahl von Sternen ausgezeichnet. Ganzheitliche Bewertungssysteme wie das amerikanische LEED oder das englische BREEAM sind seit rund 15 Jahren auf dem Weltmarkt etabliert. Der erst vor einigen Jahren gegründeten Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist es zu verdanken, dass seit 2008 auch ein umfassendes Deutsches Bewertungssystem für „Nachhaltiges Bauen“ verfügbar ist. Die Bewertungssysteme dienen ganz sicher dazu, die Qualität und Effizienz der gebauten Umwelt zu verbessern und den Planungsprozess im Hinblick auf Nachhaltigkeitsziele (man möchte doch mindestens „Gold“) einheitlich zu strukturieren und dokumentieren; und über Themen wie Umweltverträglichkeit der eingesetzten Baustoffe und Lebenszykluskosten-Analyse zusätzliche Qualitäten verpflichtend nachzudenken. Erfahrungen aus abgeschlossenen Forschungsprojekten zeigen, wie wichtig es ist, zu Planungsbeginn Nachhaltigkeitsziele zu vereinbaren, deren Qualität während der Umsetzung zu überwachen und den Erfolg im Betrieb zu kontrollieren. So manches als intelligent und energieeffizient geplante „Green Building“ erweist sich in der Praxis leider als „grau“. Alle Zertifizierungssysteme müssen noch nachlegen, um die tatsächliche Nachhaltigkeit in der Praxis langfristig zu sichern.

Das Deutsche Zertifizierungssystem DGNB wird es sehr schwer haben, sich auf dem Weltmarkt zu platzieren, die Mitbewerber sind auf den großen Baumärkten wie China, Indien, Nord- und Südamerika sowie den MENA-Staaten etabliert. Hinzu kommt, dass die Deutschen Ingenieurbüros auf dem internationalen Parkett keine bedeutende Rolle spielen. Ein Grund dafür ist, dass uns die Fachingenieure für nachhaltiges und energieeffizientes Bauen fehlen, in Deutschland und erst recht für den Einsatz im Ausland.

„Green Building“ auf der grünen Wiese reicht natürlich nicht aus. Die ökologische Wende muss in unserer gebauten Umwelt, insbesondere den Städten stattfinden. Für die zukunftsfähige Stadt sind Ideen und Perspektiven gefragt, die vom Solitär bis zum Städtebau nachhaltigen Prinzipien folgen – wir brauchen Lösungs- und Bewertungsansätze für „Green Cities“. Für richtungsweisende Lösungen in einem zukunftsgerichteten Städtebau sind technische Aspekte stärker denn je im Kontext gesellschaftlicher, ökologischer und ästhetischer Kriterien zu betrachten.

Die Menschheit muss ihrer unreflektierten, gewohnheitsmäßigen Verschwendungssucht Vernunft einhauchen, energiefressende Dinosaurier wie z. B. Dubai-City, die zudem auch wenig menschenfreundlich sind, werden langfristig nicht überleben können. Skihallen in den Emiraten und gekühlte Fußballstadien für die WM 2018 im Wüstenstaat Katar stellen ingenieurmäßige Herausforderungen dar, sind aber ökologischer Unsinn, sofern der Betrieb nicht über die Nutzung der Solarenergie erfolgt. Auch in Deutschland geschehen in diesem Kontext sehr fragliche Dinge, der Deutsche Pavillon auf der EXPO 2010 in Shanghai wurde nach 6 Monaten einfach verschrottet. Nicht nur, dass hier eine hohe zweistellige Millionensumme vernichtet wurde, eine Nachnutzung z. B. als Deutsches Kulturzentrum im Reich der Mitte wäre dem „Green Building“-Gedanken erheblich näher gekommen – die Praxis ist manchmal „grau“.

Der Ingenieur
Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch (MNF), Jahrgang 1951, Studium Maschinenbau / Energietechnik FH Gießen und TU Stuttgart, 1984 Promotion zum Dr.-Ing. 1984 bis 1996 Leiter der Abteilung Rationelle Energienutzung und Solartechnik am ITW, Universität Stuttgart. 1996 Ruf an die TU Braunschweig, Lehrstuhl für Bauphysik und Gebäudetechnik, Direktor des Instituts für Gebäude- und Solartechnik (IGS). Gründung mehrerer Ing. Büros, u. a. Transsolar / Stuttgart, Geschäftsführerender Gesellschafter der EGS-plan Ingenieurgesellschaft / Stuttgart, der energiedesign / Braunschweig / Shanghai. Deutscher Bauphysikpreis 2003, Deutscher Solarpreis 2009.

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