„Die komplexe Struktur leicht verständlich machen“
Johanna Lehrer zum Thema „Gesundheitsbauten“
Das Thema Health Care boomt und wird zu-künftig immer wichtiger. Dementsprechend steigt auch der Anteil der Planungen in die-sem Sektor. Johanna Lehrer orientierte sich schon in ihrem Studium durch die Wahl Ihres Studiengangs „Health Care“ in diese Rich-tung und entwarf in Ihrer Abschlussarbeit ein Erholungsbad in Berlin.
Sie haben ein Erholungsbad am Müggelsee in Berlin entworfen. Erläutern Sie uns bitte Ihren Entwurf.
Das Gebiet um den Müggelsee gehört zu einem der Berliner Naherholungsgebiete und bietet für Natur- und Wassersportfreunde viele Freizeitangebote. Das Erholungsbad [müg|gel|bad] liegt auf einem dieser Freizeitflächen, dem denkmalgeschützten Strandbadareal. Ziel war es, durch diese Arbeit einen neuen Anziehungspunkt im Erholungsgebiet zu schaffen und dem alten Strandbad ein neues Gesicht zu geben. Die aktuelle Nutzung auf dem Gelände findet vorwiegend im Sommer und Frühjahr statt. Das neue Konzept soll diese Nutzungslücken schließen und das Angebot zur Freizeitgestaltung erweitern. Es sieht neben der Strandbadnutzung ein Gastronomiebereich und ein Erholungs- und Genesungsbad vor. Das neue Bad passt sich durch die in den Hang eingegrabene Lage an den denkmalgeschützten Bestand des Strandbades an und steht auch funktional eng mit diesem in Beziehung. Der sanfte Einschnitt in die Natur lässt den Blick von der Straßenebene auf das Wasser zu und unterstützt die vorhandene Silhouette des Altbaus. Der Eingang in das Bad erfolgt über den Ostflügel des Bestandsgebäudes, an dem sich direkt der Neubau anschließt. Dieser ist nur vom Strand aus sichtbar und schützt somit den privaten Innenbereich vom öffentlichen Außenraum. Höfe im Inneren des Gebäudes dienen zur optimalen Belichtung und bieten zusätzlich Schutz vor neugierigen Blicken.
Welche Besonderheiten in der Gestaltung ergeben sich durch die Nutzung als Genesungsbad?
Das Raumprogramm ist durch eine Aufteilung in Warm- und Kaltbereiche charakterisiert, welche den Besucher zur Bewegung animiert. Die Idee basiert auf dem Gedanken der Hydrotherapie. Die Hydrotherapie ist eine Anwendung von Wasser zur Behandlung chronischer Beschwerden, zur Regeneration und zur Vorbeugung von Erkrankungen. Verwendet wird das Wasser sowohl eisförmig, wie auch flüssig und als Wasserdampf. Diese drei Aggregatzustände werden dem Besucher beim Weg durch das Bad in Form von Anwendungsbereichen näher gebracht. So kann der Besucher nach einem heißen Saunagang in den „Trockenzeiten“ seinen Körper zwischen den „Gletscherspalten“ abkühlen oder direkt im Müggelsee ein kühles Bad nehmen. Die Bewegung durch das [müg|gel|bad] erfolgt über Rampen und Gänge auf verschiedenen Niveaus. Diese korrelieren mit dem Bekleidungsgrad der Gäste mit dem Ziel, die Einsicht in die jeweiligen Bereiche zu steuern. So werden z. B. mögliche Blickbeziehungen in den Nacktbereich verhindert. Gleichzeitig gibt das Gebäude an ausgewählten Stellen den Blick ins Innere und nach außen zum Müggelsee frei. Das [müg|gel|bad] lädt durch seine Architektur die Besucher auf eine erholsame und vitalisierende Entdeckungsreise ein.
Sie haben sich in Ihrer Ausbildung in Richtung Health Care orientiert, warum?
Soziale Bauten haben mich während meines Studiums besonders fasziniert. Die Faszination ging insbesondere von der Fülle und der Komplexität der Anforderungen, welche insbesondere an Gesundheitsbauten gerichtet sind, aus. Die Gebäude weisen eine hohe Frequentierung auf und erfordern funktionale, flexible Raumstrukturen und zweckmäßige Materialien. Hierbei ist es unter anderem die Aufgabe der Architektur, die komplexe Struktur dem Besucher leicht verständlich zu machen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Anforderungen fördert das Wohlbefinden der Nutzer.
Inwiefern verändert sich das Aufgabenfeld des Architekten in dem boomenden Bereich Health Care zukünftig – eventuell bedingt durch den demographischen Wandel?
Volkswirtschaftlich steigt die Relevanz des Gesundheitssektors. Dies ist insbesondere durch den demografischen Wandel unserer Gesellschaft begründet. Durch die hohe und weiter ansteigende Lebenserwartung nimmt auch die Zahl der pflegedürftigen Menschen zu. Hiermit steigt die Nachfrage an modernen, funktionalen und strukturierten Gesundheitsbauten. Ein Treiber für das zunehmende Alter der Gesellschaft ist unter anderem der medizinische Forstschritt. Dieser erfordert auch eine stetige Weiterentwicklung des Wissens und der Kenntnisse des Architekten im Bereich Health Care.