Im Gespräch mit … Hydro Building Systems und WEbuilding e. V. www.we-building.org, www.hydro.com

Diese Partnerschaft ist eine sehr sinnstiftende Sache

Was treibt ein großes Unternehmen wie Hydro Building Systems dazu, mit einem eher kleinen Verein eine Kooperation in Sachen Architektur einzugehen? Wir sprachen darüber mit Ralf Seufert, verantwortlich für den Vertriebsbereich Nordeuropa bei Hydro Building Systems sowie Florian Schlummer und Ivan Rališ, Teammitglieder von WEbuilding e.V., Berlin.

Einen schönen guten Morgen, Herr Seufert. Die aktuellste Initiative von Hydro ist eine ­Kooperation mit WEbuilding e. V., Berlin. Der Verein engagiert sich in der Weiterentwicklung von Schulprojekten in Ländern Afrikas oder Lateinamerikas. Mit dem Verein hat ­Hydro vor ein paar Monaten einen Vertrag unterschrieben, worum geht es da?

Ralf Seufert: WEbuilding unterstützt und engagiert sich, wie Sie sagen, im Bereich Bildung in den Regionen und Ländern der Welt, in denen das Bildungswesen nicht auf dem Stand ist, wie wir es gewohnt sind. Und weil sich WEbuilding auch der Nachhaltigkeit verschrieben hat, hat das wie selbstverständlich dann die Brücke zu uns geschlagen, da wir uns das Thema Nachhaltigkeit auch auf unsere Fahne schreiben. Darüber hinaus sind wir in sozialen Projekten aktiv, das passt also.

Nun sind Sie auf WEbuilding zugegangen und nicht umgekehrt. Wie will sich der Konzern damit positionieren?

Im Hydro-Konzern denken wir nachhaltig und Nachhaltigkeit hat etwas mit Zukunft zu tun. Und Bildung ist ein essentieller Baustein für die zukünftige Entwicklung unserer Welt, unserer Gesellschaften. Im Hydro-Konzern – Stammland ist Norwegen – ist dieses Zukunftsdenken mit dem sozialen Engagement, das wir als Auftrag verstehen, tief verwurzelt. Von daher sind wir immer auf der Suche nach potenziellen Partnern, mit denen wir diesen Auftrag zielgerichtet umsetzen können. Das WEbuilding Konzept haben wir deshalb als interessant empfunden, weil sich der Verein im Bereich Bildung und zudem mit einem nachhaltigen Hintergrund engagiert. Die Kooperation haben wir zunächst für zwei Jahre vereinbart. Ich kann mir aber auch vorstellen – weil die Zusammenarbeit sehr gut anläuft – dass die Kooperation sich zu einer länger währenden Partnerschaft entwickelt.

Hier ein Weltkonzern, da ein kleiner Verein: Wie bekommt man da die Augenhöhe hin?

Wir sind ein großer Konzern, das ist richtig. Wir agieren aber sehr mittelständisch in kleineren Einheiten, letztlich sind wir in sehr kleinen Länderorganisationen organisiert, von denen aus wir dann auf Augenhöhe mit Vereinen wie WEbuilding gut kommunizieren und zusammenarbeiten können. Wie wir es ja gewohnt sind in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden.

Was konkret bieten Sie WEbuilding an?

Wir unterstützen mit Materialien, die der Verein mit lokalen Akteuren für den Bau von Schulgebäuden benötigt. Keine Lehmziegel oder andere Baustoffe, wir unterstützen aus unserem Produktsegment ­heraus, lieferen also Fenster und Türen. Zudem bieten wir dem Verein hier im NEXT-Studio in Frankfurt einen Ort, um die Präsenz von WEbuilding innerhalb unserer Branche zu erhöhen, um ihnen Sichtbarkeit zu geben. Das ist sehr wertvoll, denn WEbuilding als Verein hat  kein nennenswertes Marketingbudget, Bekanntheit dagegen aber sehr nötig.

Stichwort Marketing: Nutzen Sie Ihre Aktion auch, um Marketing für ein sauberes, gutes Wicona zu betreiben?

Nein. Weil die Kooperation mit WeBuilding letztlich eine Herzensangelegenheit für uns ist. Wir denken, dass Bildung wichtig ist. Mit Engagements wie diesen letztlich sich selbst ins rechte Licht zu rücken, das ist nicht unsere Art und Weise, wie wir Marketing betreiben.

Aber es ist ja eigentlich auch ein Kern des Marketings, für sich selber Werbung zu machen.

Exakt. Aber nicht mit so einem wichtigen Thema wie mit Bildung.

So, nun aber zu WEbuilding, die hier so lange zugehört haben: Willkommen in der Runde! Können Sie mir mit drei Sätzen sagen, was WEbuilding ist?

Florian Schlummer (FS): Drei Sätze … ich versuche das mal. WEbuildung wurde 2015 von Ivan Rališ zusammen mit seiner Frau gegründet, aus einem Projekt heraus, das in Ghana umgesetzt wurde, unserer ersten Schule. Von da aus hat sich der Verein gegründet und in den Jahren bis heute weiterentwickelt. Ich bin Architekt und seit zwei Jahren dabei. WEbuilding möchte Gebäude planen und damit Bildungsmöglichkeiten schaffen für Afrika und Südamerika, also den globalen Süden. Wir arbeiten mit lokalen Initiativen, unterstützen mit unserer Architektenleistung die Partner vor Ort und verstehen uns zugleich als Know-how- und Ressourcen-Brücke zwischen den Kontinenten.

Ivan Rališ (IR): Zum einen geht es zuerst darum, einen baulichen Mangel zu beseitigen: Man möchte eine Schule bauen, ein Gemeindezentrum oder ähnliches. Dann geht es immer um die Finanzierung. Und weil die Menschen dort keine internatio­nalen Kontakte haben, arbeiten wir als eine Brücke zwischen den lokalen Organisationen und der Förderung beispielsweise hier in Deutschland. Und dann sind wir alle Architekten, die die Projekte steuern, verbessern, optimieren können. Da sind dann Kleinigkeiten, wie die richtigen Dachöffnungen für ein besseres Innenklima oder dass nachhaltige Materialien verwendet werden, vieles, was man normalerweise nicht macht, weil es häufig zu schnell gehen muss oder irgendein Unternehmer das macht, was er immer macht. So versuchen wir die großen Dinge über kleine Schritte zu verändern. Was nicht mehr kostet. Als Architekten können wir soetwas und wir folgen da auch unserer Verantwortung für ein besseres Bauen in der Welt.

Irgendwie klingt in dem gerade Gesagten dieser alte Besserwisseransatz durch, mit dem sich seit Jahrhunderten beispielsweise die Europäer in den Ländern der Südhalbkugel engagiert haben!

IR: Nein. Wir bringen unseren Partner nichts Neues bei, weil wir glauben, wir könnten das besser. Wir erarbeiten mit ihnen zusammen Lösungen, die das, was sie schon da haben, zu optimieren. Vielfach denken die Menschen dort ja, dass ein Haus nur dann ein Haus sei, wenn es aus Beton, aus Zement gemacht ist. Und immer muss es so oder so aussehen, damit es als Haus akzeptiert wird. Nein, wir wollen mit unseren Partnern Lösungen erarbeiten, die für den Ort angemessen sind, mit lokalem Material, mit lokalem Handwerk. Dann kann das Haus aus Beton oder Stampflehm sein, aus Holz oder Steinen. Wir wollen mit den Standards arbeiten, ohne diese jedoch eins zu eins fortzuschreiben.

Also verstehen Sie sich eher als Initiatoren, die Anstöße geben und begleiten … Was ist die Perspektive von WEbuildung, wo soll es in den Jahren hingehen?

FS: Wir möchten mehr Projekte machen, aber wir sind ein kleiner Verein und da ist viel Arbeit: Entwurf, Zeichnungen, Baubegleitung. Im Moment schaffen wir eine Schule pro Jahr. Wir würden aber gerne mehrere Projekte pro Jahr schaffen, wofür wir Unterstützung entweder durch Architekten, die mitmachen möchten, brauchen, oder finanzielle Unterstützung von Firmen oder Sponsoren, die hier unser Engagment unterstützen wollen.

Eine perfekte Überleitung. Hat damals das Telefon geklingelt, Herr Seufert hat sich gemeldet und gesagt: „Jungs, ich muss mal mit euch reden, ihr seid ein toller Verein, wir wollen was zusammen machen.“?!

IR: Wir sind bei Linked-In und anderen sozialen Medien und fragen dort immer nach Möglichkeiten, nach Unterstützern. Wahrscheinlich haben wir viele potentielle Unterstützer angeschrieben …

Und wohl auch Hydro. Was war hier am Ende eines Gesprächs der Impuls, den Vertrag zu machen?

FS: Also für uns macht es natürlich Sinn, mit jemandem aus der Baubranche zusammenzuarbeiten, einfach weil das vom Thema her gut passt und das Unternehmen ein großes Netzwerk bietet, über das wir uns und auch unsere Idee präsentieren können wie jetzt hier zum Beispiel im NEXT Studio. Und wir können dadurch natürlich auch in Projekten zusammenarbeiten, auch über Materialien zum Beispiel. Wir haben vorher viel mit anderen Leuten zusammengearbeitet, die nicht direkt mit Architektur zu tun haben, die eher auf der sozialen Seite stehen. Und da ist Wicona, Teil von Hydro, jetzt die Ergänzung auf der Architekturseite. Wir erhoffen uns natürlich auch, das Unternehmen zu inspirieren, vielleicht auch etwas bewegen zu können.

Herr Seufert, was sagen Sie zum Thema Inspiration? Wäre das denkbar, dass die soziale Haltung eines derart engagierten Vereins auch auf einen Konzern abfärbt, der zuerst doch an Rendite denken muss?

Ob wir zuerst an Rendite denken, glaube ich nicht. Als großes Unternehmen haben wir zuerst auch Verantwortung für Menschen und Gesellschaften. Nein, ich glaube, dass die Partnerschaft mit WEbuilding eine sehr sinnstiftende Sache für alle Beteiligten ist, denn hier wird ja nicht bloß über Nachhaltigkeit in der Materialität gesprochen. Wir sehen das Ganze vor dem Hintergrund einer Nachhaltigkeit im Tun und Handeln für die Zukunft unserer Gesellschaft und Welt. Vor dem Hintergrund ist das ein perfekter Match. Und ich würde es mir wünschen, wenn noch wesentlich mehr Akteure aus unserem Kollegen- und unserem Markenkreis die Aktion unterstützen, ein Limit ist da nicht vorhanden!

Apropos Partner, Herr Seufert: Wie haben Ihre Industriepartner auf Ihre Kooperation mit WeBuilding reagiert? Gibt es da schon Rückmeldungen?

Ja klar, wir haben natürlich mit den Partnern einen sehr regen und auch regelmäßigen Austausch. Und die Aktion mit WEbuilding ist im Partnerkreis kommuniziert, abgestimmt und das Feedback war durchaus sehr positiv. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir eventuell auch den ein oder anderen Partner motivieren können, auch Baustoffe beizustellen oder auch einen Beitrag zu leisten für die Initiative. Wir sind hier noch in den Anfängen der Gespräche, aber ich kann mir gut vorstellen, dass der ein oder andere uns da zur Seite springt.

Können Sie vielleicht mal eine Zahl nennen, wie in etwa so der Materialgegenwert zu beziffern wäre?

Zahlen zu nennen ist schwierig. Ein fünfstelliger Betrag. Ein schöner fünfstelliger Betrag.

Das klingt schön. Gäbe es von Seiten WEbuilding einen Wunsch an Wicona? Oder ist alles schon wunderbar wie es ist?

FS: Wir sehen diese erste größere Kooperation mit einem Unternehmen durchaus auch als eine Art Testlauf. Hier werden wir vieles ausprobieren und schauen, wohin das führt. Im Moment sind wir sehr zufrieden, so wie es läuft. Wir sind ja noch sehr am Anfang.

IR: Immer geht es um Projekte. Die entwickeln sich Schritt für Schritt und wir schauen kontinuierlich, was wir an welcher Stelle genau zur Unterstützung brauchen. Trotz einiger realisierter Projekte stehen wir noch immer am Anfang, optimieren unsere Prozesse und sind nicht selten – meist positiv! – überrascht von dem Ergebnis.

FS: Spannend ist in dieser Kooperation natürlich die Zusammenarbeit über die Materialien. Hier arbeiten wir nicht mit dem klassischen Geldspender zusammen, hier sind wir extrem auf das Netzwerk von Hydro angewiesen, auf das wir zurückgreifen können. Da ist sicherlich noch mehr drin, beispielsweise bei der Organisation vor Ort.

Vorletzte Frage, Herr Seufert: Warum müssen wir – in diesem konkreten Fall Wicona – immer in weit entfernte Länder gehen, um zu helfen? Wäre es nicht auch eine gute Idee, hier in Deutschland oder in Europa eine ähnliche Initiative zu versuchen? Denn hier mangelt es ja auch an Bildung.

Ja, das ist durchaus möglich und wir könnten uns das gut vorstellen. Denn natürlich ist Bildung auch bei uns ein zentrales Thema, aktuell wird ja – gerade eben weil Bundestagwahlkampf ist – viel und durchaus kontrovers darüber diskutiert gesprochen. Und ja, wir haben auch in hiesigen Gefilden Bildungsdefizite, die Corona-Krise hat uns das noch einmal und sehr deutlich vor Augen geführt. Die Fragen kommen immer: Wo setze ich an? Wie kann ich den größten Effekt erzielen und wo ist die Not auch mit am größten? Und das ist letztlich ein Punkt, wo sich WEbuilding sehr klar positioniert hat, dass sie dahingehen, wo die Not am größten ist.

Meine letzte Frage: Werden Sie in den zwei Jahren auch mal ein Projekt besuchen?

Ich würde es mir sehr wünschen.

Es ist nicht vorgesehen?!

Es ist offen. Die Projekte, in denen WEbuilding aktiv ist, sind hauptsächlich im afrikanischen Raum, in Südamerika, auf Haiti. Und das liegt natürlich nicht gerade um die Ecke. Ich würde es mir wünschen, dass ich mir so ein Projekt einmal ansehen kann, von Seiten Hydro wird es mit Sicherheit Begegnungen geben vor Ort, um sich ein Bild von unserer Zusammenarbeit zu machen. Ich würde mir wünschen, dass ich dafür nominiert werde.

Dafür drücke ich Ihnen die Daumen.

Mit Ralf Seufert, Hydro Building Systems, Florian Schlummer sowie Ivan Rališ, WEbuilding e.V., unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 17. September 2021 im NEXT-Studio, Frankfurt a. M.

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