Ein Neufert wartet: Forschungsinstitut des Zementverbandes, Düsseldorf
Die Zement- und Betonindustrie ist weltweit ein starker Akteur am Baumarkt und steht mit ihren Produkten, insbesondere dem Zement, unter massivem politischem Druck. 4,65 Mrd. t jährlich werden weltweit verbaut, in Deutschland sind es immerhin noch 27,5 Mio. t. Neben dem Ressourcenverbrauch (Kalkstein, Gips, Sand etc.) steht auch der mit der Produktion verbundene massive CO2-Ausstoß unter Beobachtung und Kritik.
Eine Möglickeit, hier zu drosseln, wäre eine deutlich größere Inanspruchnahme z. B. schon vorhandender Tragstrukturen, die nicht viel Gestaltungsraum lassen, teils auch unterdimensioniert, schadstoffbelastet und sanierungsbedürftig, aber grundsätzlich vorhanden sind. Doch kann eine Branche auf Umsätze so einfach verzichten? Auf dem Hintergrund dieser Lage hat ein wesentlicher Akteur, der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) in Düsseldorf, die aktuelle Krise der Branche analysiert und daraus den Leitspruch „Bewährtes neu denken“ kreiert. Und ist umgezogen, vom altehrwürdigen Standort Tannenstraße / Roßstraße ca. 1 000 m Luftline weiter östlich an die Toulouser Allee. In einen Neubau, dessen Entwurf aus einem 2014 durchgeführten Realisierungswettbewerb resultierte. Gewonnen hatte ihn ein Entwurf von Barkow Leibinger, der – wie die meisten auch – den Neubau auf dem schmalen Grundstück strecken musste. Durchlaufende Fensterbänder und unübersehbar dreidimensional gestaltete Brüstungselemente zitieren den Altbau aus den 1950er-Jahren. Und deuten damit auch eine Ehrerbietung gegenüber dessen gestalterischer Qualität an, die kein geringerer als Peter Neufert (zusammen mit Ernst Neufert) zu verantworten hatte.
Man habe mehr Platz gebraucht, die Nähe zu zwei neuen Hochschulstandorten sollen den Wissens-transfer erleichtern. Der 2020 fertig gestellte Neubau sei – so ist auf der Webseite des VDZ zu lesen–, „ein Meilenstein in der Geschichte des VDZ“ und er stehe „für einen Aufbruch in eine neue Zeit. Wir freuen uns sehr, dass wir ein für uns so wichtiges und nachhaltiges Projekt nun erfolgreich abschließen konnten“, so kann man lesen.
Der Altbau wurde an den Düsseldorfer Projektentwickler GERCHGROUP AG übergeben in Form einer sale and lease back Vereinbarung. Die Bochumer Rübsamen Partner hatten den Investor beim Ankauf beraten und wurden mit der Planung für die Sanierung des denkmalgeschützten Baus sowie mit einem Neubau beauftragt.
Ende 2020 wurde seitens der Bezirksvertretung 1 die Bauvoranfrage positiv entschieden, ab da ist sichtbar nichts mehr passiert. Der Anbau steht noch, der Neufert-Bau wird noch irgendwie genutzt. Offenbar ist mit dem Weggang der Schweizer SN Beteiligungen Holding AG aus der GERCHGROUP Anfang 2021 und deren Übernahme des „Cavallo“ genannten Büroprojekts die Lage erst einmal wieder unklar. Fertigstellungstermine sind auf Ende 2023 datiert, was mit Blick auf den Stand vor Ort eher sehr unwahrscheinlich wirkt.
Dass der VDZ hier den „Aufbruch in eine neue Zeit“ mit einem Wegzug übersetzt, ist unklug. Tatsächlich bräuchten wir Unternehmen, Institutionen wie diese, die ihren eigenen Ansprüchen auch gerecht werden: Den Bestand sanieren, seine Geschichte mit allen Zwängen angehen, Probleme als Herausforderungen erkennen und mit allem Know-how meistern. Solche Vorbilder bringen die Branche weiter, halten sie überlebensfähig. Und ganz ehrlich: Der am Ende doch nicht so schön gemachte Neubau kann dem Neufert nun wirklich nicht das Wasser reichen! Be. K.