In Deutschland boomt der Bausektor wie auch der Immobilienmarkt, Preise und Erträge sind überdurchschnittlich, die Frage, wann die Blase platzt, interessiert weniger als die, woher ich noch Firmen bekomme, die meine Planungen und Invests in die Realität umsetzen können.
In dieser Hochphase von Angebot (langsam steigend) und Nachfrage (immer noch risikohoch) lohnt es sich, den Blick einmal nach Stuttgart-Vaihingen (ehemaliges IBM-Gelände von Egon Eiermann) und Fürth zu lenken (ehemalige Quellelogistik von Ernst Neufert). Zehn Jahre ist es her, dass in Vaihingen die letzten IBM-MitarbeiterInnen die auf dem rund 20 ha großen Gelände stehenden Bauten verlassen haben. Jahre des Leerstands, des Verfalls eines Architekturensembles, das einmal für das beste Bauen in Deutschland stand. Immerhin hat es bis heute eine Grünewiesenplanung erfolgreich verhinderte genauso wie das Makel, von Autobahnen und Zubringern eingeschlossen zu sein. Hier in Wohnungsbau investieren?
Es gab Workshops, Bürgerbeteiligungen, Ratsbeschlüsse, das ganze Programm. Zuletzt erwarb 2017 die Schweizerische SSN-Group das Projekt von der Gerchgroup. Und präsentierte auf der Expo Real 2018 erste Pläne für das Areal, auf dem 1 400 Wohneinheiten für 4 000 Menschen rund um die Eiermann-Bauten geplant sind. Dazu ein paar Kitas, eine Grundschule, ein Pflegeheim, ein Hotel und Läden sowie Flächen für Freizeit und Sport. In die denkmalgeschützten Bürogebäude werden die aus dem städtebaulichen Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Architekten (Steidle Architekten und Realgrün Landschaftsarchitekten, beide München) Räume für Start-ups und Kreativunternehmen planen. 20 Prozent der Wohnungen sind öffentlich gefördert.
Der Verkehrslärm? Den soll ein Lärmschutzriegel aus 400 Studentenwohnungen aus dem Areal halten. Das Ganze soll knapp 1 Mrd. € kosten, 2020 wird mit dem Bau begonnen.
Ein Jahr später und 100 km nordöstlich, in Fürth bei Nürnberg, sollen ebenfalls die Bauarbeiten starten. Bei einem Architekturklassiker des 20. Jahrhunderts, der ebenfalls rund 10 Jahre leer steht: das Zentrallager/Logistik des ehemaligen Versandhauskonzerns Quelle von Ernst Neufert. Wobei: Einen totalen Leerstand wie bei IBM gab es in Fürth nicht, in den Riesenbau entlang der Fürther Straße hatten sich junge Start-ups, Künstler und Lebenskünstler eingenistet. Und die hatten zwischenzeitlich über die Initiative „Wir kaufen die Quelle“ die zögerliche Stadt Nürnberg beinahe blamiert.
Wie auch beim IBM-Gelände ging auch der Quellebau durch verschiedene Eigentümerhände, bevor das Ensemble mit rund 250 000 m² Nutzfläche von der Gerchgroup im Juli 2018 übernommen wurde. Die Gerchgroup hatte mit dem Gelände auch die Planungskompetenz der Architekten, kister scheithauer gross architekten und stadtplaner ksg, Köln, für das Mix-Used-Projekt mitübernommen, das jetzt unter dem Namen „The Q“ firmiert. ksg waren bereits die Architekten der Wahl für den Vorbesitzer und Projektenwickler Sonae Sierra.
In Fürth gibt es seit August 2018 einen Vertrag über die Rahmenbedingungen der künftigen Nutzung des Areals mit der Stadt Nürnberg, der Fokus liegt auf dem Thema Wohnen. So sollen rund 1 100 Wohneinheiten realisiert werden, knappe 10 Prozent davon werden als Sozialwohnungen realisiert. Hinzu kommt in etwa das Programm, das auch auf dem IBM-Gelände vorgesehen ist. „Die Studie mit Bauvoranfragen“, so ksg auf Anfrage, „wird voraussichtlich im April 2019 abgeschlossen“ sein, das Investitionsvolumen liegt bei geschätzten 700 Mio. €.
Und bevor jetzt wieder gemeckert wird, die Stadt Stuttgart oder die Stadt Nürnberg hätten zu lange einfach nur untätig zugeschaut: Die Stadt Nürnberg jedenfalls hat sich die Werbeflächen am Quelle-Turm für ihre Aufmerksamkeitskampagne zur Kulturhauptstadtbewerbung 2025 gesichert. Man hat eben doch auch das ganze Kulturelle im Blick! Be. K.