Energetisch ökologische AvantgardeHeinrich-Böll-Stiftung,
Berlin
Berlin
Hoch effizient und ökologisch hat sich die Heinrich-Böll-Stiftung der grünen Partei ein neues Hauptgebäude in der Mitte Berlins geschaffen. Fern von jeder Öko-Romantik ist seine Architektur, deren kühle Sachlichkeit fast schon provokant wirkt in einer Stadt, die sich im letzten Jahrzehnt oft eher an architektonische Vorbilder des 19. als des 200. Jahrhundert orientierte. Mit ihr lebt wieder die programmatisch Weg weisende Architektur öffentlicher Institutionen der Moderne wieder auf, die im Einerlei der Stile fast schon tot geglaubt wurde.
Es ist eine der besten Adressen Berlins. Unweit des Bahnhofs Friedrichstraße, zwischen Deutschem Theater und Boros-Bunker, erhebt sich das sechsgeschossige Gebäude der Heinrich-Böll-Stiftung über dem dichten Baumgrün eines Park ähnlichen Platzes. Zeichen wollte man mit ihm setzen, so Ralf Fücks vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, für eine ökologische Wende, aber auch, dass die Grünen „in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und dort bleiben werden.“ Die Stiftung, die mehr als ein Jahrzehnt in gemieteten Räumen in den Hackeschen Höfen residiert hatte, wollte zuerst dazu einen Altbau im nahen Scheunenviertel umbauen und erweitern, was aber am Einspruch von Anwohnern scheiterte. Danach fand man das Grundstück an der Schumannstraße Nr. 8 und lud zu einem europäischen Bewerbungsverfahren ein, an dem sich 200 Architekten beteiligten. 25 von ihnen wurden zum Wettbewerb ausgelost. Gewonnen hatten die jungen Zürcher Architekten Piet und Wim Eckert mit ihrem Büro „e2a“. Befremdend solitär stellten sie ihr Haus an die Nordost-Ecke der grünen Nachkriegs-Platzbrache, das sich aus zwei sehr unterschiedlichen Baukörpern zusammensetzt. Streng vertikal gegliedert ist sein weißer Hauptkörper, in diesen eingeschoben ist ein weit auskragender, horizontal gelagerter, in grünes Glas eingehüllter, pavillonartiger Belletage-Körper. In ihm erstreckt sich der großzügige Konferenzbereich der Stiftung. Als ein Arbeiten mit der Architektur Mies van der Rohes, als eine „Bildmontage, welche das New Yorker Seagram Building mit der horizontalen und lyrischen Anmutung des Farnworth House kombinierte“, will Piet Eckert die beiden Baukörper verstanden wissen. Ganz gelungen wirkt ihre Kombination jedoch nicht. Zu unterschiedlich ist die Ausrichtung und Materialität der Körper. Zu demonstrativ wirkt die vertikal-profilierte Aluminiumfassade und das grüne Glas ihrer Belletage, die schon den Spitznamen „Aquarium“ erhielt. Zu groß ist auch die farbliche Verwandlung von Schwarz in Weiß bei ihrem Hochkant, dem man durchaus mehr Höhe gewünscht hätte, um darin eine Adaption des Seagram-Building zu erkennen.
Im Inneren und nicht in der äußeren Erscheinung liegt die Stärke des neuen Gebäudes, das in Organisation und Energieeffizienz neue Maß-
stäbe für die Architektur der Hauptstadt setzt. Gemeinsam mit dem Zürcher Ingenieurbüro Balser & Hofmann entwickelten die Architekten ein integrales Energiekonzept, das drei Prinzipien folgt:
1. möglichst wenige technische Installationen und Betriebskosten,
2. innovative Wärmerückgewinnung, 3. natürliche und nutzerbestimmte Lüftung und Kühlung. Keine Kältemaschine und kein „Temperatursprung“ von 8-10 auf 12-18 °C für das Kühlwasser waren hier
nötig. In allen Büros der 185 Mitarbeiter des Hauses befinden sich entlang der Fensterfronten Brüstungsgeräte mit Hochleistungswärmetauschern durch die Wasser im Sommer mit einer konstanten Temperatur von 20 °C geleitet wird, was die Raumtemperatur auf maximal 25 °C ansteigen lässt. Ein in der Schweiz schon mehrfach, aber in Deutschland erstmals eingesetzter kompakter adiabatischer Rückkühler im Keller kühlt das Wasser allein durch Verdunstungskälte, wozu Stadtwasser auf seinen Röhren versprüht wird.
Im Winter wärmt das Brüstungsgerät entgegen konventioneller Systeme nicht mit 50 °C heißem Wasser, sondern mit nur 28 °C. Die Abwärme der Server wird dann genutzt, die in „Cool-Racks“ gepackt wurden, um das Wasser von 23 °C auf ca. 30 °C zu erwärmen. Für das Heizen fällt so nur ein geringer Energieaufwand für die Wasserpumpen des Systems an, das im Sommer die Server mit Hilfe des adiabatischen Rückkühlers zu kühlen versteht, wofür man schon 2008 einen GreenCIO-Award erhielt. Neben einer Betonteilaktivierung in den weit gehend unverkleideten Obergeschossen wurde das viergeschossige Atrium des Hauses intelligent als Energie sparende Lunge genutzt. Natürliche Thermik und individuell öffenbare hohe Fensterflügel zum Atrium und zu den Fluren ermöglichen hier eine natürliche Querlüftung. Das Atrium wird im Sommer über das offene Atriumdach natürlich belüftet. Im Winter übernimmt ein kleines Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung die Frischluftzufuhr ins Gebäude, das dann die Abwärme der Abluft zum Aufwärmen der Frischluft nutzt. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach rundet das ambitionierte Energiekonzept ab, die jährlich 53 000 kWh liefert. Mit 55,7 kWh/m2 unterbietet es deutlich die Energiesparverordnung und benötigt weniger als die Hälfte des Primärenergieverbrauchs konventioneller Büroneubauten.
Effizient wie die Energiebilanz ist auch die räumliche Organisation des Hauses, die in ihrer Gestaltung sachlich und stringent blieben. Vom einladenden weiten, aber etwas zu niedrigen Foyer geht es durch einen eingestellten orangefarbenen Glaskörper zu einer erstaunlichen Treppe mit 11 m Breite. Ähnelt das Foyer schon einem Stadtplatz, so die Treppe eher einer Freitreppe, die Schwellenängste nimmt. Vom Berliner Künstler Via Lewandowsky erhielt sie einen
Teppichläufer, der das Bild einer Herde Schafe – auch schwarze! – ihre Stufen hochsteigen lässt. Multifunktional als Treppe, Auditorium
oder Kinosaal nutzbar, ist dieser Raum, der zum höchst variablen Konferenzbereich führt. Offen liegen hier alle Leitungen unter einer schwarzen Decke, dominiert Grau in vielfältigen Schattierungen: Beton, Estrich, Vorhänge, faltbare Paneelwände und stapelbares Mobiliar. Wenig repräsentativ, doch dafür sehr unpretentiös ist ihr Charakter. Offen zum äußerst komprimierten Erschließungskern und Atrium gruppieren sich die meisten Arbeitsräume in den Obergeschossen. Grau dominiert auch hier, wo mit Sichtbeton, Akustik-Faserplatten, offenen Installationen und Raum teilenden Möbeln eine beruhigende Raumlandschaft entstand. Nicht das Material an sich, sondern seine sehr präzisen Fügungen verraten die hohe Schweizer Schule der
Architekten. Hell, weit und kommunikativ, aber nicht hellhörig ist
die Atmosphäre der Räume. Uneingeschränkt zeitgenössisch, her-
ausfordernd effizient und nachhaltig ist die Architektur der End-
dreißiger, die sich mit ihren klaren Typologien schon längst einen
Namen in der Schweizer Architekturwelt gemacht haben. Claus Käpplinger, Berlin