EnergiePlus-Wohngebäude
Erste Ergebnisse nach einem Jahr Betrieb

100 % regenerative Energieversorgung mit hoher direkter Eigenstromnutzung heißt die Vorgabe für das EnergiePlus-Gebäude in

Leonberg-Warmbronn, das im Herbst 2010 als zweigeschossiges Wohngebäude fertiggestellt wurde. Das energetische Gesamtkonzept des „Stromhauses“ basiert auf der konsequenten Reduzierung des Energie- und Leistungsbedarfs für Strom- und Wärme, dem Einsatz innovativer Gebäudetechnik, der passiven und aktiven Nutzung von Sonnenenergie, dem Stromlast-Management und der Integration von Elektro-Mobilität.


Mit wissenschaftlicher Begleitung durch das Institut für Gebäude und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig und einer Förderung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen der Forschungsinitiative ZukunftBau werden alle Energieerzeuger und -verbraucher von der Anlagentechnik bis zum Haushaltsgerät messtechnisch erfasst. So lassen sich die Gebäudeperformance analysieren und gesicherte Betriebserfahrungen auf der Basis realer Daten dokumentieren. Dabei ist das Ziel aller Analysen und Optimierungsmaßnahmen die Steigerung des Eigenstromanteils aus der Photovoltaikanlage. In der DBZ 1|2011 („Das Kraftwerk: Netto-Plusenergie-Wohngebäude mit E-Mobilität“) wurden bereits Architektur, Grundkonzeption und Ziele beschrieben. Nach inzwischen mehr als einem Jahr Betrieb stehen Messergebnisse zur Verfügung, mit der sich das zukunftsfähige Energiekonzept bewerten lässt.

Energiekonzept

Ein Team aus Architekt und Energiedesigner entwickelte mit dem EnergiePlus-Gebäude ein Wohnhaus, das hohen Nutzerkomfort und zeitgemäße Architektur mit einem zukunftsorientierten Energiekonzept verbindet. Das Motto lautet: Aktivhaus statt Passivhaus. Neben der Umsetzung der Grundprinzipien einer

energieeffizienten Bauweise hat die Deckung des Gesamtenergiebedarfs für Raumheizung, Warmwasser, Beleuchtung, Lüftung und Haushaltsstrom durch aktive Solarenergienutzung (Photovoltaik-Anlage und Solarthermiekollektoren) höchste Priorität. Zum Gesamtkonzept gehört zusätzlich die Integration der Elektromobilität.

Die Wärmeversorgung erfolgt durch eine elektrische, erdgekoppelte Wasser/Wasser-Wärmepumpe, die drei Erdsonden mit je 97 m Länge als Energiequelle nutzt. Grund­gedanke des Energiekonzeptes ist eine Versorgung der elektrischen Verbraucher über die Photovoltaikanlage (15kWp), die vollflächig auf dem 17° geneigten Pultdach installiert ist. Für die Versorgung in den Abendstunden werden zusätzliche Erträge in zwei Batterien (7 kWh und 20 kWh) gespeichert. Neben der vorrangigen Direktstromnutzung wird der solar erzeugte Strom für das Elektroauto verwendet. Erst wenn die Speicherkapazitäten im und am Gebäude erschöpft sind, wird der Überschuss in das öffentliche Netz eingespeist.

Stromlastmanagement

Zur Steigerung der direkten Nutzung des vor Ort erzeugten Stroms werden folgende Maßnahmen umgesetzt:

– Betrieb aller stromintensiven Elektro-
geräte und Aggregate (Wärmepumpe, Waschmaschine etc.) zeitgleich mit dem Stromertrag aus der PV-Anlage
– Nutzung verfügbarer thermischer Speicherkapazitäten wie Fußbodenheizung und Warmwasserspeicher/ Pufferspeicher
– Betrieb der Wärmepumpe nur in Ausnahmefällen nachts bzw. mit Netzstrom, z.B. bei sehr niedrigen Außentemperaturen
– Abschaltung von Gefrier- und Kühlschrank in den Nachtstunden bei Überwachung der Innenraumtemperatur. Tagsüber erfolgt eine „Unterkühlung“, um die Kälte für die Nacht zu speichern.

Ergebnisse des ersten Betriebsjahres

Die Messergebnisse im ersten Betriebsjahr des EnergiePlus-Gebäudes (2011) belegen die Zukunftsfähigkeit des Konzepts. Regenerative Energien aus der Photovoltaikanlage können mit einem nennenswerten Anteil im Gebäude genutzt werden. Der Anteil der selbst genutzten Erträge lässt sich durch eine Erweiterung des Stromlastmanagements steigern.

In 2011 produzierte die PV-Anlage 16 274 kWh Strom, rund 12 % mehr als prognostiziert. Lediglich 18 % wurden direkt im Gebäude genutzt. Bezogen auf den Gesamtstromverbrauch ergibt sich ein Deckungsanteil von 32 %. Bezogen auf die Wohnfläche liegt der spezifische Gesamtverbrauch für Haushaltsstrom und Wärmebereitstellung bei 35 kWh/

(m²a). 24 kWh/(m²a) davon oder 6 170 kWh/a wurden aus dem Stromnetz bezogen. Durch die Optimierung der Systeme soll der Deckungsanteil für Eigenstrom auf 45 bis 50 % gesteigert werden.

Wie erwartet zeigt die monatliche Energiebilanz, dass im Sommer ein großer regenerativ erzeugter Stromüberschuss produziert wird und in das öffentliche Netz eingespeist werden muss, wo hingegen der Bedarf im Winter nicht gedeckt werden kann und ein Strombezug aus Netzstrom erfolgt.

Für 2011 ergibt sich auf Grundlage der aufgezeichneten Messwerte eine positive Strombilanz. Insgesamt wurden etwa 7 250 kWh mehr Strom produziert als verbraucht. Der EnergiePlus-Standard wurde somit im ersten Betriebsjahr bestätigt. Der gesamte Stromverbrauch lag im Jahr 2011 bei ca. 9  000 kWh (35 kWh/(m²a)), von dem allein der elektrische Verbrauch der Wärmepumpe knapp ein Drittel (2 777 kWh/a) ausmacht. Für die künstliche Beleuchtung werden 8 % (706 kWh/a, 2,7 kWh/(m²a)) und die kontrollierte mechanische Lüftung 5 % (476 kWh/a, 1,8 kWh/(m²a)) benötigt. Der Anteil der Haushaltgeräte am Gesamtstromverbrauch beläuft sich auf 1 084 kWh/a oder 12 % (4,0 kWh/(m²a)). Mit 1 091 kWh/a entfällt ein relativ großer Stromverbrauch auf die MSR-Technik, er ist der umfangrei-

chen Ausstattung des Gebäudes mit Messtechnik im Rahmen des Forschungsprojektes geschuldet. Daher ist dieser Wert nicht repräsentativ für gewöhnliche Wohngebäude. Rund 1 120 kWh/a stehen für Elektromobilität zur Verfügung. Unter Son­stiges wird der Konsum aller Geräte kumuliert, die z. B. als Kleinverbraucher an die Steckdosen angeschlossen sind.

Der Jahresheizenergieverbrauch entspricht mit rund 11 200 kWh/a (38 kWh/(m²a)) Nutzenergie der Bedarfsermittlung aus der Planungsphase. Etwa drei Viertel der benö-

tigten Heizenergie wurde durch die Wärmepumpe bereitgestellt (8 257 kWh/a), 27 % konnte die thermische Solaranlage (2 945 kWh/a) beitragen. Ca. 10 % entfallen auf die Trinkwarmwasserbereitung (1 089 kWh/a, 4,2 kWh/­m²a), auf die Raumheizung entfallen rund 78 % (8 753 kWh/a, 34 kWh/(m²a)). Speicher- und Rohrleitungsverluste haben einen Anteil von rund 12 %. Als Primärenergiefaktoren wird für den Strombezug aus dem öffentlichen Netz ein PE-Faktor von 2,6 (Strommix gemäß EnEV) und für die regenerativen Anteile aus der PV-Anlage und der Solarthermie ein PE-Faktor von 0 angenommen. Für das EnergiePlus-Gebäude ergibt sich somit ein Primärenergiebedarf von ca. 61 kWh/(m²a). Unter Berücksichtigung der Berechnungsvorgaben durch das BMVBS für den Standard

EffizienzhausPlus ergibt sich rechnerisch ein negativer Primärenergiebedarf.

Fazit

Das primäre Ziel, Netto-EnergiePlus-Standard bei gleichzeitig hoher Nutzerzufriedenheit, wurde bereits im ersten Betriebsjahr erreicht. 2011 war ein Jahr mit hohen Solar

erträgen (PV 1085 kWhel/(kWpa)), der Bilanz-überschuss durch die PV-Anlage betrug rund 80% des Jahres-Gesamtstromverbrauchs. Der Deckungsanteil der PV-Anlage betrug rund 32% am Jahresstromverbrauch. Der direkt im Haus genutzte PV-Strom dagegen betrug in 2011 lediglich 18% der erzeugten Solarstrommenge. Das angestrebte Ziel von mind. 30% wurde damit nicht erreicht. Dafür sind mehrere Gründe zu nennen:

– Die solarthermische Anlage ist in die Trink- und Heizwassererwärmung eingebunden und reduziert erheblich die direkte Nutzung des PV-Stroms.
– Das Stromlast-Management der Wärmepumpe war in 2011 noch nicht umgesetzt.
– Die beiden Batterien wurden erst im Laufe des ersten Betriebsjahres integriert.


Die Jahresarbeitszahl (JAZ) der erdgekoppelten Wärmepumpe ist mit rund 3 noch nicht zufriedenstellend, trotz der sehr niedrigen Vorlauftemperaturen der Flächenheizung (ca. 26 bis max. 30 °C). Zum Ende des ersten Betriebsjahres wurden aus den Messdaten einige hydraulisch- und steuerungsbedingte Fehlfunktionen detektiert und behoben. Die Folge war eine merkbare Steigerung der Arbeitszahl in der Heizperiode 2011/12 auf über 4 – auf das erste Betriebsjahr wirkte sich dies allerdings nur wenig positiv aus.

Die immer wieder – auch von Experten – als träges System bezeichnete Fußboden-Flächenheizung wurde während der gesamten Heizperiode mit einer Oberflächentemperaturen von 23 bis 24,5 °C betrieben. Der damit entstehende Selbstregelungseffekt in Verbindung mit der massiven Bauweise und der bauphysikalisch exzellenten Gebäudehülle führte stets zu angenehmen Raumtemperaturen. Damit ist im Kontext mit Wärmepumpe und PV ein zu 100 % zukunftsfähiges Heiz-system verfügbar.

Im Sommer traten trotz des hohen Glasflächenanteils aufgrund des außen liegenden Sonnenschutzes und der hohen thermischen Speichermassen auch ohne eine mögliche Fußbodenkühlung (freie Kühlung über die Regenerierung der Erdsonden) keine sommerlichen Überhitzungen auf.


Ausblick

Im zweiten Betriebsjahr wird die Erhöhung des Deckungsanteils am Strombedarf durch die PV-Anlage auf rund 50 % und der Eigenstromanteil auf mind. 30 % angestrebt. Dazu wurden diverse Maßnahmen umgesetzt. Der größte Anteil wird durch die Außerbetriebnahme der solarthermischen Anlage Anfang 2012 erwartet. Es soll ein „Nur-Stromhaus“ mit einer monovalen­ten Wärmeversorgung abgebildet werden. Die Wärmeenergie muss nun allein von der Wärmepumpe erzeugt werden. Die Antriebsenergie wird durch den eigenproduzierten Strom bereitgestellt. Prognostiziert wird eine Erhöhung des Eigenstromanteils um etwa ein Fünftel auf 38 % des Gesamtstromverbrauchs. Voraussetzung ist eine Arbeitszahl der Wärmepumpe von mindestens 3. Umgerechnet wird der Stromverbrauch um etwa 1 000 kWh/a steigen.

Ein weiterer Punkt zur Erhöhung der Eigenstromnutzung ist der Betrieb und die Laufzeiterhöhung der Wärmepumpe in den Tagstunden bei einer ausreichenden Strom-Produktion. Es wird die Idee verfolgt, einen ausreichenden Wärmespeicher für die Zeit ohne Stromertrag zu generieren. Dafür wird die Temperatur im Pufferspeicher auf über 50 °C und entsprechend die Speicherkapazität erhöht.

Des Weiteren wird zur Speicherung von Wärme der Sollwert der Innenraumtemperatur um bis zu 2 K erhöht, wodurch sich der Betrieb der Wärmepumpe verlängert. Die Wärme wird in den raumumgebenden massiven Bauteilen gespeichert und wirkt so einem Abfall der Temperatur in den Abend- und Nachtstunden unter die Komfortgrenze entgegen. Der Nutzerkomfort soll durch die geplanten Maßnahmen nicht eingeschränkt werden.

Zusätzlich wird in 2012 auch der Einfluss der Speicherkapazität des E-Mobiles im Konzept getestet und wissenschaftlich bewertet. Die Batterie des Elektroautos wird in das Lastmanagement eingebunden, um als Baustein ebenfalls den Eigenstromnutzungsanteil zu erhöhen.

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