„Entscheidend ist die Qualität der gebauten Umwelt!“
Die Schnelllebigkeit unserer Zeit und die damit verbundene Reizüberflutung hinterlassen deutliche Spuren in allen Lebensbereichen. Insbesondere die neuen Medien offerieren permanent verlockende Angebote und Trends mit scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten und immer kürzer werdenden Halbwertzeiten. Was heute modern erscheint ist vielleicht morgen bereits obsolet! Auch die gebaute Umwelt wird zunehmend von diesen Turbulenzen erfasst.
Die Geschwindigkeit als vermeintlicher Ausdruck des Fortschritts lässt häufig keine Atempause zum Nachdenken und schon gar nicht mehr zum Vordenken zu. Doch gerade in Zeiten schneller Veränderungen der subjektiven Wertvorstellungen sollten wir uns immer wieder den Luxus einer Auszeit leisten:
– Eine Auszeit, um neue Entwicklungen kritisch zu hinterfragen,
– eine Auszeit, um Ziele gemeinsam neu zu definieren,
– eine Auszeit aber auch, um eigene Verhaltensmuster zu überprüfen und festgefahrene Praktiken zu novellieren.
Der gebauten Umwelt, die uns permanent begleitet, kann sich niemand von uns entziehen. All zu häufig vergessen wir jedoch, dass bauliche Strukturen das Bild einer Straße, einer Siedlung, einer Stadt dauerhaft und generationenübergreifend prägen. Die Revision einer voreilig eingeleiteten Entwicklung ist schwierig, oft sogar auf unabsehbare Zeit unmöglich.
Die Bewertungskriterien für gute Architektur sind seit langer Zeit unverändert geblieben. Bereits ein Jahrhundert vor Christus hat der römische Architekt Marcus Vitruvius drei Leitbegriffe zur Architektur formuliert, die bis heute uneingeschränkt gelten: Firmitas, Utilitas, Venustas. Fest und mehr oder weniger gut nutzbar sind die meisten Bauten, aber wie sieht es mit der Schönheit aus?
Verglichen mit anderen Industriebereichen, insbesondere dem Maschinenbau, erscheint das Bauen immer noch sehr archaisch. Dennoch hat es auch beim Bauen schon immer Bestrebungen gegeben, die Bauzeiten zu reduzieren bei gleichzeitiger Steigerung der räumlichen, gestalterischen und gebäudetechnischen Qualitäten. Hierzu zählt insbesondere die Wiederholung gleicher Elemente, industrielle Vorfertigung oder als jüngste Entwicklung das Bauen mit Modulen, deren Vorfertigungsgrad zum Teil über 90 % betragen kann.
Diese Überlegungen sind nicht ganz neu. Bereits in den 60er und 70er Jahren haben Architekten wie Kisho Kurokava, Paul Rudolph, Peter Cook oder Ron Herron mit modularen Strukturen experimentiert mit dem Ziel, die Immobilität der Bauwerke aufzuheben und diese für den Nutzer flexibler zu gestalten. Auch die Zeitkomponente war schon immer ein wesentliches Kriterium beim Bauen. Nicht nur die Regenten der früheren Zeiten, sondern auch die Politiker von heute sehen es gerne, wenn durch sie initiierte Bauprojekte noch in der eigenen Legislaturperiode erfolgreich realisiert werden. So wurde in den 30er Jahren das Empire State Building in New York, lange Zeit das höchste Gebäude der Welt, konventionell in nur 18 Monaten incl. aller Ausbauarbeiten fertig gestellt.
Der Anspruch, qualitativ hochwertige und zeitbeständige Architektur zu machen reicht weit in die Menschheitsgeschicht zurück. Ob konventionell oder in Modulen gebaut wird spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Vielmehr sind es nach wie vor die klassischen Kriterien, die Qualitäten dauerhaft verankern. Allerdings können neue Bauweisen dazu beitragen, dass die enormen Belastungen von Mensch und Umwelt durch den konventionellen Baustellenbetrieb auf ein erträgliches Maß reduziert werden.
Der Architekt
Geboren 1958 in Katscher, 1980-1988 Architekturstudium TU Braunschweig, Diplom bei Prof. Meinhard von Gerkan. 1988-1990 als Architekt tätig bei Prof. Kafka + Partner, seit 1991 selbständig als Architekt und Stadtplaner.
Bergstermann + Dutczak, Architekten und Ingenieure GmbH seit 1998.
1997-2002 BDA-Vorstand in Dortmund, 1998-2000 Dozent an der Hochschule in Würzburg. Seit 2001 Professor für Städte-bau und Entwerfen an der Hochschule in Köln. 2004 Mitglied der China Group des Arbeitskreises AKG im BDA.
Zahlreiche Veröffentlichungen, Wettbewerbserfolge und Preisrichtertätigkeiten, zahlreiche Vorträge und Teilnahmen an internationalen Workshops u. a. in Peking, Warschau, Abu Dhabi, Kaliningrad, Shanghai. www.bergstermann-dutczak.de