Eröffnet: James-Simon-Galerie, Berlin
Schön! Elegant! Funktional schön elegant und: zeitlos. Wäre „schön“ nicht so ein schwieriges Wort müsste man es verwenden. Denn von wo aus auch immer man schaut: Der Neubau „James-Simon-Galerie“ auf der Berliner Museumsinsel ist einfach schön. Woran das liegt? Am Architekturbüro natürlich. Und am lang andauernden Werdeprozess, den dieser Bau auf historischem Grund genommen hat. Jahrzehnte mussten wir warten, der internationale Realisierungswettbewerb war 1993/1994 (Gewinner: Giorgio Grassi; auf den folgenden Plätzen Chipperfield Architekten, dann Francesco Venezia, Frank Gehry Partners und schließlich Schultes Franck Architekten). Doch der Entwurf von Grassi konnte nicht überzeugen, es gab ein gutachterliches Verfahren 1997, das Chipperfield Architekten (Interview mit David Chipperfield S. 14) für sich entschieden. Mit einem Entwurf, zu welchem nach fast zehn Jahren die Hüter des Weltkulturerbes Museumsinsel sagten, dass ihm „die visuelle Integrität gegenüber den benachbarten Gebäuden“ fehle.
Was hatten die Architekten bei den zweifach geprüften Entwürfen falsch gemacht? Sie hatten einen Zweckbau (Eingangs- und Empfangsgebäude für die Museen der Museumsinsel) zweckmäßig aussehen lassen. Das Ensemble verschieden großer, aneinandergeschobener Quader mit opaker Hülle war den Sittenwächtern vergangener Bautradition eine Zumutung. Es gab Bürgerinitiativen. Da kippte das Ganze, aus dem vielleicht zu schlichten Entwurf für diesen Ort wurde dann eine Art Sakralbau, direkt aus der griechischen Antike: ein Wald schlanker Säulen, Treppenstufenpathos und ziemlich viel Weiß. Und ein Thronen am Fuß/das Hocken an der Flanke der Kunstakropolis aus Altem und Neuem Museum, Alter Nationalgalerie und Bode-Museum und natürlich: dem Pergamonmuseum. Die meisten dieser Sammlungshäuser sind gute 100 Jahre alt, die Kunst darin allerdings teils mehrere tausend. Geschichtsmonumente, die, wäre Deutschland Kolonialmacht wie seine Nachbarn gewesen, Zeugnisse sein könnten für nationale Geschichte. Raubkunst darunter. Restitutionsansprüche häufen sich, gerade laufen die Verfahren an.
Aber zurück zum Entwurf. Platziert auf einem Restgrundstück (ehemaliger Packhof) ragt der Neubau mit seiner Kolonnade weit über seinen Vorgänger hinaus. Der langgestreckte Bau soll in Zukunft die überrannten Museen entlasten helfen, denn das Interesse an alter Kunst ist so hoch wie nie. Jährlich zieht das Museumsensemble etwa 2,2 Mio. BesucherInnen an, viele kommen nur wegen der Büste der ägyptischen Königin Nofretete im „Neues Museum“. Empfangen werden die Besucher entweder über die große, nach Süden weisende Treppe oder den zwischen Neubau und „Neues Museum“ liegenden Hof daneben. Hinter dem pathetisch großen Eingangsportal oben liegt ein zu den Längsseiten offenes Foyer mit Info vorne und Info und Kasse hinten durch. Rechts geht der Blick aus dem Foyer auf das – ebenfalls von Chipperfield (mit Julian Harrap) realisierte – „Neues Museum“ mit seiner dichotomen Westfassade: Nordflügel neu, Südflügel repariert. Linkerhand das etwa 35 m lange und drei Tische mit Gang breite Café vor der den Kupfergraben begleitenden, öffentlich zugänglichen Terrasse.
Von der hinten liegenden Kasse geht es entweder nach unten auf die Hofebene oder um eine Ecke herum ins Pergamonmuseum. Unten, auf der Hofebene, gelangt man über eine kleine Treppe ins Mezzanin mit riesigem, allerdings auch recht dämmrigem Museumsshop mit Garderoben und Toiletten. Vom Shop und den Garderoben aus gibt es zwei große Panoramafenster, die, von außen betrachtet, den Sockelmonolithen als Hohlköper entlarven, innen jedoch Ausblick und Selbstinzenierung ermöglichen. Und sie stellen das Tageslicht bereit, das die mit Furnierholz eingekleideten Verkaufs- und Serviceräume nötig haben.
Vom Foyer auf Hofebene geht es über einen kleinen Vorraum ins Auditorium mit rund 300 Sitzplätzen unterhalb der großen Freitreppe draußen.
Vom unteren Foyer noch eine Treppe hinab gelangt man entweder in den großen, mittels Kunstlichtdecke kompakt mit Licht gefüllten Ausstellungssaal für Wechselndes (der erinnert deutlich an das Folkwang Museum in Essen). Der Knick im Grundriss des 650 m² großen Saal resultiert aus dem Verlauf des direkt anliegenden Kupfergrabens. Man kann auch die „Archäologische Promenade“ ansteuern, die ins „Neues Museum“ und weiter die Besucher führt. In dem tageslichthellen Übergangsraum steht, wie ein überdimensionaler Bleistift, ein Gründungspfahl auf seiner Spitze, der am Packhof einmal seine Arbeit machen durfte.
Dass der Neubau heute gut 130 Mio. € gekostet hat – sprünglich sollte der Bau rund 60 Mio. € weniger kosten und schon 2013 eröffnen – hat seinen wesentlichen Grund in den (überraschend?) aufwendig zu erstellenden Fundamentarbeiten unter Wasser. Die Verspätung zumindest ist nicht schmerzhaft, die umliegenden Häuser, die die Galerie erschließen helfen soll, sind teils noch Baustelle, teils warten sie noch auf ihre Bearbeitung (Altes Museum). Und wenn alles fertig ist? Dann könnte die Zeit kommen, die es braucht, um sich grundsätzlich Gedanken darüber zu machen, was die Häuser zeigen sollen. Und wovon sie sich endlich verabschieden sollten. Be. K.