Erweiterung Bürogebäude, Diemelstadt
Wenn ein Trockenbaufachunternehmer für sich selber baut, in diesem Fall den Bestand für neue Büroflächen aufstockt, muss für diese Aufgabe natürlich das gesamte Leistungsportfolio des Innenaus- und Trockenbaus mit höchstem qualitativen Standard angewendet werden. Tut es auch, beispielhaft.
Autobahn A 44, Abfahrt Diemelstadt, ein Autohof mit Rasthof, Tankstelle, Hotel und angrenzendem Industriegebiet. Alles wie üblich, städtebaulich nicht wirklich geordnet, einfache funktionale Industriearchitektur. Doch ein Gebäude hebt sich hervor; es versucht bewusst unverwechselbar zu sein und architektonischen Anspruch zu vermitteln.
2006 hat hier die Firma Okel ihren Firmensitz gebaut, mit einem 2-geschossigen Gebäude, mit angrenzender Lager- und Produktionshalle, mit etwa 1 240 m2 Nutzfläche. Der 2-geschossige Kopfbau hat etwa 180 m² Nutzfläche und wird im EG für den Empfang, Büros, Konferenzzimmer, Sozial- und Sanitärräumen genutzt. Insgesamt sind hier Arbeitsplätze für zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das nicht ausgebaute OG diente als Lagerfläche,
wobei bereits bei der Errichtung alle statischen Voraussetzungen, vor allem bei der Decke mit einer Lastaufnahme von 500 kg/m² geschaffen wurden, um einerseits die Fläche als Lager mit hohen Lasten nutzen zu können, andererseits, um später diese Fläche vollständig zu erschließen und als Büroraum nutzbar zu machen.
Erweiterung und Aufstockung
Mit dem Wachstum des Unternehmens wurde es zwingend erforderlich, den 2-geschossigen Bürobau im OG auszubauen und zusätzlich durch eine Aufstockung mit Dachlaterne zu erweitern. Für den Ausbau des OG standen etwas mehr als 193 m2 an zusätzlicher Fläche
zur Verfügung, um hier für elf Angestellte Büros einzurichten mit
Räumen, die Offenheit und Transparenz vermitteln, Durchblicke ermöglichen und die Kommunikation untereinander fördern. Die Aufstockung für weitere 45 m² Nutzfläche erfolgte über eine Ständerbau-Holzkonstruktion, die auf der vorhandenen Obergeschossdecke aufliegt und die Lasten aufnimmt. Die tragenden Konstruktionen der Aufstockung in Holzständerbauweise wurde in der betriebseigenen Fertigung erstellt.
Die innere Organisationstruktur im EG konnte im Wesentlichen beibehalten werden. Der größte bauliche Eingriff erfolgte hier durch die offene Treppendurchdringung über alle drei Geschosse. Die Treppe selbst ist eine vorgefertigte Stahlkonstruktion, die aufwendig in Trockenbau verkleidet wurde und durch einen abgekanteten Handlauf mit einer verdeckten LED Beleuchtungsführung versehen ist. Über ein großzügiges Oberlicht in der „Laterne“ der Aufstockung erhält der gesamte Treppenbereich bis ins EG Tageslicht.
Im OG befindet sich in der Längsachse der Erschließungsbereich, an den sich unmittelbar ein offener Empfang anschließt. Drei miteinander verbundene Mitarbeiterbüros mit je drei Arbeitsplätzen sowie eines mit einem gesonderten Besprechungsbereich, das Chefbüro mit Konferenzbereich, Teeküche, WC-, Technik-, Server- und Abstellräume belegen die übrigen Flächen des OG.
Die neu hinzugekommene Fläche im aufgestockten DG wird als Lounge sowie für einen separaten Rückzugsbereich mit WC, Dusche und Umkleide genutzt.
Hoher Ausbauanspruch an Brandschutz
und Akustik
Alle Arbeiten wurden auf hohem qualitativen Niveau, auch im Detail ausgeführt. Die Bestandskonstruktionen im OG der Stahlbau-Halle erforderten teils aufwendige Bekleidun-gen, Durchdringungen und Abschottungen. Sämtliche Stahlstützen und Unterzüge wurden auf F 90-Qualität ertüchtigt – insgesamt ist das eine Fläche von rund 135 m2 – und mit speziellen Brandschutzplatten bekleidet, die als vliesarmierte Gipsplatten nach DIN EN 15283-1 dem Typ GM-FH2 mit verringerter Wasseraufnahmefähigkeit und verbessertem Gefüge Zusammenhalt bei hohen Temperaturen entsprechen. Hinzu kam die Errichtung von circa 250 m2 Montagewänden, viele davon ebenfalls in F 90-Qualität ertüchtigt, teilweise mit tragender Funktion.
Die abgehängten Deckenfelder mit
Akustiklochplatten wurden bewusst nicht ganzflächig in einer Ebene, sondern mit Abtreppungen verlegt und in einem dunklen Graphitton eingefärbt. Sie wurden nach der Verlegung sorgsam mit einer Rolle gestrichen; wichtig dabei, nicht die Lochungen mit Farbe zu schließen oder die Farbe in die Lochungen eindringen zu lassen. Die abgetreppten Akustikdecken übernehmen in den Räumen durch die schmale Linien- und Lichtführung eine besondere gestalterische Bedeutung. Dafür wurden mehr als 800 lfd. m Gipskarton-Faltelemente als Aufkantungen für eine indirekte Beleuchtung erstellt. Blau leuchtende RGB-Lichtlinien in den Treppen-Handläufen als dezentes Leitsystem sowie indirekte und direkte RGB-steuerbare LED-Beleuchtungen in den Büroräumen und dem Lounge-Bereich im aufgestockten DG tragen unter anderem zur Attraktivität und hochwertigen Anmutung aller Räume bei.
Viele kleine, aber besondere Ausbaudetails
Beim Ausbau der Bürobereiche wurden die Schiebetür- und Türelemente aus Ganzglas eingebaut, die entsprechenden Beschläge sind gestalterisch reduziert, zum Teil flächenbündig montiert. Abgehängte, in der Metallverarbeitung selbst gefertigte, gestalterisch sehr reduzierte Beleuchtungskörper aus filigranen Metallprofilen mit integrierter LED Beleuchtung schweben über den Büroarbeitsplätzen. Bodentiefe, großzügige Fensterflächen ermöglichen einen wunderbaren Ausblick in die Landschaft ebenso wie viel Tageslicht
im Gebäudeinneren. Die gesamte Büromöbelfertigung und Einbauten wurden in der
unternehmenseigenen Schreinerei und Metallverarbeitung erstellt. Alle Möbel sind in der Regel aus schwarz durchgefärbtem Holz, die Einbauten dagegen aus weißen, mattlackierten Oberflächen.
Ein kleines, wenn auch wichtiges Detail ist die optische Trennung der WC-Bereiche vom Flur durch eine freistehende Glaswand aus Sicherheitsglas. Die 175 cm hohe, 250 cm breite und 20 mm dicke Glaswand aus Verbundsicherheitsglas mit innerer, matter Folie ist über ein Fußpunktprofil aus Edelstahl im Boden so fest eingespannt, dass die Scheibe nicht in Schwingung gerät. Eine normale Trockenbaukonstruktion mit min. 10 cm dickem Wandaufbau hätte längst nicht die Eleganz und Transparenz wie die Glaswand erzeugen können, im Gegenteil.
Besonderes Augenmerk wurde auf das selbst entwickelte, energieeffiziente Heiz- und Kühlsystem in den Deckenflächen des Flurbereiches gelegt: In die CD-Profile für die abgehängten Decken wurden Kühlleitungsrohre und Aluminium-Wärmeleitprofile so integriert, dass sie nach der Beplankung unter Vorspannung standen und eine geschlossene, oberflächenbündige Einheit ergaben. Durch die ebenso offene wie raumakustisch wirksame Beplankung aus Lochgipsplatten ist ein schneller Luft- und Temperaturaustausch sichergestellt. Weiterer Vorteil des Klimadeckensystems ist, dass alle Deckenfelder individuell ausgestaltet und die Abtreppungen der vliesarmierten Gipsplattenfelder optisch anspruchsvoll in Szene gesetzt werden konnten, ohne Energieverluste oder eine schlechtere Kühlleistung hinnehmen zu müssen.
Fazit
Es ist insgesamt eine einfache räumliche Idee, das OG als offene Kommunikationsebene zu betrachten, die von organisatorisch angepassten Räumen geprägt wird, nicht banal oder beliebig, sondern stimmig. Stimmig auch im Anspruch an das Zusammenspiel von Farbe, Form, Material und Oberflächen bis hin zu den wichtigen Themen des Brandschutzes, der Belichtung, der Akustik und des Wärmeschutzes. Dass sämtliche Oberflächen in Q4 Qualität gespachtelt sind, erfüllt die Erwartungshaltung an eine Firma, die sich als Ausbau- und Trockenbauunternehmen mit Anspruch an die handwerkliche Leistung versteht. Und wenn in dem Unternehmen die Gewerke Maler, Schreiner, Stuckateure, Trockenbauprofis, Akustik- und Brandschutzspezialisten, Lichtplaner sowie Möbel- und Metallbauer zur Verfügung stehen, können genau die Gewerke übergreifenden Prozesse und Schnittstellen gelebt werden, die so oft Probleme auf den Baustellen bereiten.
Es ist dem Bauherrn, selbst Maler- und Trockenbaumeister, hoch anzurechnen, nicht dem Anspruch verfallen zu sein, das „ganze Besteck“ an gestalterischen Möglichkeiten auszureizen und aus der eigentlichen Bauaufgabe ein Potpourri an Ausbau- und Trockenbaumöglichkeiten aufzufahren.
Nein, mit klarer Haltung zur Gestaltung, mit puristischer Formensprache des Ausbaus und der Ausstattung des Mobiliars sowie durch gesteuerte Lichtakzente sollte für die Mitarbeiter ein Wohlfühlklima entstehen, das den Arbeitsprozessen dienlich ist. Das heißt, eine vielschichtige Atmosphäre im Inneren zu schaffen mit raumprägender Klarheit, Offenheit und Großzügigkeit. Das ist echt gelungen. BF
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Baudaten
Objekt: Firmensitz OKEL GmbH & Co. KG,
Aufstockung eines Bürogebäudes (DG)
und Ausbau einer Lagerfläche (OG)
Standort: Wendeweg 5, 34474 Diemelstadt
Typologie: Büro, Besprechung / Seminar,
Aufenthaltsräume
Bauherr und Nutzer: OKEL GmbH & Co. KG Ausbauunternehmen, www.okel.de
Bauantrag: Architekt Harald Schwarze, Bad Arolsen
Bauberatung: Henry Koch Förderraum Architekten + Planer, Kassel
Statik: Dipl.-Ing. Konrad Brenker, Ingenieurbüro für Bauwesen, Baunatal, www.brenker-ingenieure.de
Bauleitung: Firma Okel, eigene Gewerke: Trockenbau, Maler/Lackierer, Tischler/Schreinerei, Metallbau
Bauzeit: Dez. 2013 – Mai 2015
Fachplaner
Das Gebäude wurde als Ausstellung-, Versuchs- und Musterobjekt in Eigenregie von OKEL erstellt. Der Bauherr übernahm auch die Planung und Ausführung von TGA, Fassade, Licht und Akustik.
Projektdaten
Hersteller
Fenster: Schüco International KG, www.schueco.com; Kömmerling, profine GmbH, www.koemmerling.com
Glastrennwand und Türen: Saint-Gobain Glass, www.saint-gobain-glass.com
Sanitär: Villeroy & Boch AG, www.villeroy-boch.de
Sonnenschutz: ROMA KG, www.roma.de; WAREMA Renkhoff SE, www.warema.de
Akustikdecken: Saint Gobain Rigips GmbH,
www.rigips.de; ROCKWOOL ROCKFON GmbH,
www.rockfon.de; N+E Nagelstutz + Eichler GmbH & Co. KG, www.ne-paneeldecken.de