Erweiterung der Montagehalle TRUMPF, Neukirch
Mit der im März fertiggestellten Erweiterung einer Montagehalle inklusive neuem Kopfbau komplettieren Barkow Leibinger, Berlin, das Gebäudeensemble der Firma TRUMPF im sächsischen Neukirch, für dessen bauliche Entwicklung sie schon mehr als 20 Jahre verantwortlich sind.
Zeitgenössische Beispiele gelungener Industriearchitektur gibt es leider viel zu wenige in Deutschland. Noch seltener sind Kooperationen zwischen Architekten und Firmen, die über einzelne Projekte hinausgehen oder sich sogar auf die gesamte bauliche Entwicklung erstrecken. Die Zusammenarbeit zwischen den Berliner Architekten Frank Barkow und Regine Leibinger und dem Werkzeugmaschinenbauer, Lasertechnik- und Elektronikhersteller TRUMPF mit Hauptsitz im schwäbischen Ditzingen ist eine solch seltene Langzeitkooperation. Das erste Pro-jekt stellten Barkow Leibinger für TRUMPF 1998 mit dem Umbau einer Lackiererei und Montagehalle für den Stan-dort im sächsischen Neukirch fertig. Es folgten allein in Neukirch sieben von den Berliner Architekten betreute Baumaßnahmen, jeweils auf der Basis eines seit 1993 erarbeiteten Masterplans.
Reizvolle räumliche Tiefe
Mit der im März fertiggestellten Erweiterung einer ebenfalls von Barkow Leibinger geplanten Montagehalle aus dem Jahre 2004 sind die Flächenreserven auf dem bisherigen Gelände in Neukirch erschöpft. Zukünftige Bauten müssen gegenüber, auf der anderen Seite der am Areal entlang führenden Straße, auf bisher als Parkplatz genutzten Flächen entstehen. Von der Straße aus betrachtet erscheint die Erweiterung der Montagehalle mit dem neuen, zweigeschossigen Kopfbau als reizvolle Komposition horizontal orientierter, vor- und zurückspringender und mit Sichtbetonfertigteilen bekleideter Volumen. Die durch das Vor- und Zurückspringen entstehende räumliche Tiefe steigern Barkow Leibinger zusätzlich mit den in Richtung der Fenster abgeschrägten Laibungen. Die im ersten Obergeschoss auskragenden Unterseiten des Kopfbaus bekleideten sie mit klar lackierten, glänzenden Aluminiumblechen, was „den Kraftakt der Auskragung aufhebt und überspielt“, so die Architekten.
Für die tatsächlich beachtliche Auskragung von 10,77 m an der notwendig stützenfreien LKW-Ausfahrt mussten die schwebenden Massen des Kopfbaus über ein räumliches Faltwerk aus Stahlbetonrahmen und leichten Rippendecken in den Tragstrukturen der Montagehalle rückverankert werden, erläutert der projektleitende Architekt Lukas Weder auf Nachfrage.
Ein weiterer Kraftakt, vor allem für die ausführende Firma, sei bei der Realisierung der Fassade des Kopfbaus die Herstellung der an den Gebäudeecken geometrisch komplexen Fertigteil Teilelemente gewesen, so Weder weiter. Die Sichtbetontafeln der Fassade ohne erkennbare Unterschiede zum Bestand herzustellen, hätte sich ebenfalls eine große Herausforderung erwiesen. Schließlich sei eines der wesentlichen Ziele der möglichst nahtlose Anschluss an die Gestaltung der Bestandshalle gewesen, bestätigt auch der Mitarbeiter des TRUMPF-Gebäudemanagements in Neukirch, Eric Simler, bei der Besichtigung vor Ort. Kein Unterschied zum Bestand
Das Vermeiden von Differenzen zur Architektur des Bestands ist den Architekten weitgehend gelungen. Aufgrund der erhöhten EnEV-Anforderungen gegenüber 2004 wurde die um 6 cm stärkere Mineralwolledämmung (heute insgesamt 12 cm) geschickt hinter Versprüngen auf der Innenseite der Außenwände verborgen. Lediglich beim umlaufenden Profilglasband am Dachrand der Montagehalle fällt ein kleiner Farbunterschied aufgrund der im Gegensatz zu 2004 diesmal erforderlichen Wärmeschutzbeschichtung auf. Heute markiert den Anschluss an den Bestand im Inneren der Montagehalle lediglich eine im Boden verlaufende, schmale Fuge. Dennoch sei die Erweiterung um zwei Hallenschiffe bei laufendem Betrieb keine triviale Aufgabe gewesen wie Lukas Weder anmerkt. „Die vorhandene Halle wurde quasi aufgeschnitten, dann mit einer temporären Leichtbauwand verschlossen und dahinter anschließend der Neubau errichtet“, sagt er. Um die beiden Gebäudeteile endgültig zusammenzuführen, wurde schließlich an zwei Wochenenden, also außerhalb der Arbeitszeiten, die schon im Bestand für eine Erweiterung ausgelegte Versorgungsinfrastruktur aus dem alten in den neuen Hallenteil hinein verlängert.
Angekommen im Inneren der Montagehalle fällt sofort auf, wie aufgeräumt und klar strukturiert Barkow Leibinger Bestand und Erweiterung gestalteten. Notwendige Installationen sind soweit möglich im Estrichboden verlegt oder hinter den Trapezblechen der Decke verborgen. Das durch punktuell eingesetzte Oberlichter und unterschiedliche Abstände der Stahlprofile lebendig wirkende Deckenraster gliedert die Halle gemeinsam mit den Sichtbetonstützenreihen sehr gleichmäßig. Überraschend weit und hell ist auch der Raumeindruck, nicht nur wegen der Oberlichter, auch dank des über das Profilglasband einfallenden Lichts und der großzügigen Verglasungen von Türen, Trennwänden und der selbst in Toren eingesetzten Fenster. Damit wird es zum Beispiel möglich, über die ganze Hallenlänge hinweg bis weit hinein in die Produktionsbüros im Erdgeschoss des Kopfbaus und darüber hinaus ins Freie zu blicken.
Verzicht auf maximale Technikausstattung
„Uns, den Bauherren, war die Sichtverbindung zwischen Montage und Bürobereich wichtig. Durch die großen Glasfenster können die Mitarbeiter sofort sehen, welche Ansprechpartner im Büro anwesend sind“, erläutert Eric Simler die großzügigen Verglasungen im Erdgeschoss am Übergang zu den Produktionsbüros. Deren Gestaltung ähnelt mit Sichtbetonwänden und -decken noch stark der Montagehalle. Die Büros der Entwicklungsabteilung im Obergeschoss des Kopfbaus dagegen, die man über zwei seitlich liegende, aus Ortbeton errichtete Treppenhäuser erreicht, nähern sich mit Teppichboden und Oberflächen aus Holzwerkstoffen eher Wohnräumen an. Dafür gibt es nicht nur ästhetische Gründe, wie Eric Simler weiter ausführt, sondern auch akustische. Die weichen Oberflächen sollen genauso wie die mit Filz belegten Deckenbaffeln an den Rippendecken schalldämpfend wirken.
Um zu heizen und zu kühlen sind die Büros mit Kühlsegeln an der Decke und Bodenkonvektoren ausgestattet. „Mit diesem relativ träge reagierenden System wollten wir unter anderem Zugluft vermeiden“, erläutert Projektleiter Weder. Und Eric Simler begründet den Verzicht auf eine Maximalausstattung und Vollautomatisierung mit der Anforderung an die Ausführung, die „solide, störungs- und wartungsarm sein muss“. Heizung und Kühlung sollten außerdem individuell durch die Mitarbeiter vor Ort geregelt werden können, so Simler weiter. Somit könnten verschiedene Temperaturwünsche in den Abteilungen berücksichtigt werden. Daher werden untere und obere Temperaturgrenzwerte zentral vorgegeben, innerhalb derer die Mitarbeiter jedoch individuell nachsteuern können.
Mehrwert Architektur
Architekt Lukas Weder und Gebäudemanager Eric Simler sind sich einig über die unkomplizierte und gute Zusammenarbeit. Unter anderem, weil „die Entscheidungshierarchien flach organisiert sind und ein langjähriges Vertrauensverhältnis besteht“, so Weder. Auf die Frage nach seinen ersten Erfahrungen mit dem Neubau berichtet Eric Simler, dass er bisher nur positive Rückmeldungen zum Neubau erhalten habe. Lediglich die abgeschirmten Ruhearbeitsplätze in der Entwicklungsabteilung würden von den Mitarbeitern nicht so angenommen wie geplant. Kunden und Partner des Unternehmens wären sowieso immer wieder begeistert von der Architektur der verschiedenen Gebäude am Standort. Mit Architekten zu bauen, wäre zwar teurer als ohne, aber an den positiven Reaktionen erkenne man auch den Mehrwert. Ein besseres Argument für die langjährige Kooperation von TRUMPF mit Barkow Leibinger und eine bessere Anerkennung für die zwar technisch kühle, aber dennoch sehr reizvolle Handschrift der Architekten, die über die Jahre zu einem kaum wegzudenkenden Markenzeichen von TRUMPF geworden ist, kann es eigentlich gar nicht geben. Carsten Sauerbrei, Köln/Berlin
Baudaten
Standort: Neukirch
Typologie: Industriebau
Bauherr: Trumpf Sachsen GmbH, Neukirch
Nutzer: Trumpf Sachsen GmbH, Neukirch
Architekt: Barkow Leibinger Gesellschaft von
Architekten mbH, Berlin, www.barkowleibinger.com
Mitarbeiter: Lukas Weder (Projektleitung), Johanna Burkert, Andreas Hertel, Henrike Kortemeyer
Bauleitung, Ausschreibung und Objektüberwachung: Bauplanung Bautzen GmbH, Bautzen,
www.bauplanung-bautzen.de
Bauzeit: Mai 2015 – November 2016
Fachplaner
www.hht-berlin.de
TGA-Planer: Planungsgruppe M+M AG, Dresden, www.pgmm.com
Fassadentechniker: KFE Kucharzak Fassaden Engineering, Berlin, www.kfe-online.de
Landschaftsarchitekt: capatti staubach, Berlin,
www.capattistaubach.de
Klima- und Energiekonzept, Bauphysik: Ingenieurbüro für Bauphysik Horstmann + Berger, Altensteig, www.hb-bauphysik.de
Elektroplanung: Ingenieurbüro Lehner & Sachse, Wilthen, www.ils-elektro.de
Tiefbau/ Verkehrsanlagen: Ingenieurbüro Hauswald GmbH, Bischofswerda, www.ibhauswald.de
Projektdaten
Technikfläche: 352 m²
Verkehrsfläche: 227 m²
Brutto-Grundfläche: 5600 m²
Brutto-Rauminhalt: 44109 m³
Energiekonzept Halle
Außenwände Metallkonstruktion: 120 mm Stahlkassettenwand mit 160 mm Wärmedämmung – WLG 035 mit 40 mm Überdämmung der Stege
Flachdach: Dachabdichtung, Wärmedämmung – WLH 040, 150 mm als Gefälledämmung, Dampf-/ Luftsperre Stahl-Trapezblech
Boden: Bodenplatte, 120 mm Wärmedämmung – WLG 040 als Perimeterdämmung als 5 m breiter Randstreifen
Fenster: Verglasung mit Ug ≤ 1,1 W/(m²K), Zweifach-Isolierverglasung, Rahmen mit Uf ≤ 1,2 W/(m²K)
Energiekonzept Kopfbau
Flachdach: Dachabdichtung, Wärmedämmung – WLH 040, 200 mm als Gefälledämmung,
Dampf-/ Luftsperre Stahl-Trapezblech
Boden: Doppelboden, Abdichtung DIN 18 195, Bodenplatte, 140 mm Wärmedämmung – WLG 040 als Perimeterdämmung
Fenster: Verglasung mit Ug ≤ 0,7 W/(m²K), Dreifach-Isolierverglasung, Rahmen mit Uf ≤ 1,2 W/(m²K) mit außenliegendem Sonnenschutz
Gebäudehülle Halle
U-Wert Außenwand Metallkonstruktion = 0,33 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,32 W/(m²K)
U-Wert Flachdach = 0,26 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,30 W/(m²K)
U-Wert Profilbauglas = 1,90 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = ≤ 1,1 W/(m²K)
Gebäudehülle Kopfbau
U-Wert Bodenplatte = 0,26 W/(m²K)
U-Wert Flachdach = 0,20 W/(m²K)
U-Wert Decke über Außenluft = 0,24 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,30 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung ≤ 0,7 W/(m²K)
Hersteller
Pfosten-Riegel-System Fassade: Schüco International KG, www.schueco.com
Metallabhangdecke: Lindner Group KG, www.linder-group.com
Sonnenschutz außenliegend: WAREMA Renkhoff SE, www.warema.de
Sonnenschutz/Blendschutz: Silent Gliss International, www.silentgliss.de
Türen/Tore: Teckentrup GmbH & Co. KG, www.teckentrup.biz