Essbare Ikonen. Eine Ausstellung in Dortmund

Gibt es ihn noch, den Architekturwettbewerb „Das schönste Lebkuchenhaus“? Jahrelange haben wir ihn publizistisch übergangen; der Gag, den die erste Auflage vor Jahrzehnten einmal hatte, war schnell in den Folgeauflagen verflogen. Aber dennoch, es gibt ihn noch, zuletzt wurde er im Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz in Mainz gesichtet: Hier gewann eine Nachbildung des Hearst-
Towers, gefertig aus mit Zuckerguss geklebten Lebkuchenfassadentragwerkstafeln, die Siegertrophäe. Warum sich eine im baukulturellen
Diskurs seriös darstellende Institution dieses Back-Spaß-Themas annimmt? Weil man, so die Auslober, über alltägliche Themen (Backen, Bas-teln, Essen) auch die für den baukulturellen Diskurs gewinnen möchte, die sonst nicht unbedingt die ersten sind, die eine Architekturausstellung im Zentrum für Baukultur oder sonstwo anschauen würden.

Apropos „sonstwo“: Einen ähnlich gelagerten Versuch mit allerdings anspruchsvollerem Assoziationsgemenge startete gerade eben der Förderverein für das Baukunstarchiv NRW in Dortmund in eben diesem Archiv. In einer Ausstellung mit dem Titel „Baukunstbuffet“ werden noch bis zum 6. März 2022 außergewöhnliche Architektur-Objekte gezeigt: 60 aus essbarem Material nachgebaute Köstlichkeiten, also Kostbarkeiten der internationalen Baukunst. Kurz: Architekturikonen. Collagen/Bricolagen/Bauten/Arrangements aus Bismarckheringen, Champignons, Knäckebrot, Petersilie oder Bananen imitieren Meisterwerke der Baugeschichte, wie den Parthenon in Athen oder das Kolosseum in Rom. Aber auch Ikonen der Moderne, wie Peter Neuferts Haus X1 in Köln oder Martin Krämers und Fritz Schupps Schacht XII der Zeche Zollverein in Essen, werden gezeigt.

Die ausgestellten Arbeiten wurden von der Künstlergruppe „Bauschmaus“ (Katharina Empl, Marie-Jeannine Félix, Maximilian Huber, Susanne Huber und Andreas Wittmann) aus Genießbarem und teils ebenfalls unbedenklich essbaren Verpackungsmaterialien nachgebaut. „Unser konzeptioneller Ansatz zwingt zur Reduktion auf wesentliche Formen und Grundelemente des jeweiligen Bauwerks“, so Katharina Empl von der Künstlergruppe Bauschmaus. „Da niemand von uns Architektur studiert hat, nehmen wir dabei die Perspektive des Passanten bzw. der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung ein.“

40 der insgesamt 60 Arbeiten wurden bereits im Jahr 2018 in dem Buch „Bauschmaus“ (DVA) vorgestellt, die neu angefertigten Skulpturen zeigen prominente Bauten aus Nordrhein-Westfalen. „Unsere Besucherinnen und Besucher sollen einen persönlichen Bezug zu einzelnen Werken finden, um dann den Ehrgeiz zu entwickeln, auch weitere Objekte zu entschlüsseln“, erläutert Chris­tos Stremmenos, Kurator des „Baukunstbuffet“ in Dortmund. „Auf diese Weise kann unsere Ausstellung dazu beitragen, die Wahrnehmung von Architektur in unserer gebauten Umwelt zu schärfen.“ Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog in der Reihe des Baukunstarchivs NRW beim Verlag Kettler in Dortmund. Be. K.

www.baukunstarchiv.nrw
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