DBZ Expertenrunde: Faszination Fassade

Am 9. Juli fand die erste DBZ-Expertenrunde im Münchner Büro von Nickl & Partner Architekten statt. Das neue interaktive Format dient dem direkten Austausch von renommierten Architekturbüros mit ausgewählten Partnern aus der Baudindustrie unter Moderation der DBZ-Redaktion. Im Fokus der Gesprächsrunde stand unser aktuelles Heftthema Fassade. Neben Prof. Hans Nickl und seinen MitarbeiterInnen Monica Plotheger und Jörg Leidenroth nahmen Kurt Gobs, Teamleiter Linit bei Linzmeier und Holger Krehl, Key Account Manager Fassade bei Schöck an der Gesprächsrunde teil.

Fassaden sind das Gesicht eines Bauwerks, neben Größe und Kubatur vermitteln sie uns einen ersten Eindruck von den Funktionen, Abläufen und Raumstrukturen. Sie vermögen das Innere eines Gebäudes nach außen zu kehren oder es unter Verschluss zu halten, sie können transparent oder geschlossen, farbenfroh oder zurückhaltend, hochtechnisiert oder natürlich sein und tragen somit die gestalterische Absicht deutlich nach draußen. Doch damit nicht genug. Die Anforderungen an zeitgemäße und zukunftsorientierte Bauwerke steigen und verlangen auch in der Fassadenplanung nach neuen technischen wie nachhaltigen Lösungen, sei es zur Energiegewinnung, die Sicherheit betreffend oder um Schall- und Wärmeschutz für ein Gebäude zu verbessern.

In den Projekten von Nickl & Partner Architekten zeigt sich deutlich: Die Fassade entwickelt sich aus dem Raum heraus und lässt sich nach Aussage von Hans Nickl niemals losgelöst von den Funktionen dahinter betrachten. Wir fragen zu Beginn unseres Gesprächs bei den Industriepartnern nach, welche Erfahrungen sie in der Zusammenarbeit mit PlanerInnen und ArchitektInnen gemacht haben. Kurt Gobs: „Leider sieht es in der Praxis nicht immer so gut aus. Wir bekommen durchaus auch Anfragen, bei denen man merkt, dass die Fassade eben nicht mit dem Gebäude zusammen geplant wurde und erst im Nachhinein nach einer Lösung gesucht wird, die Fassade zu schließen.“ Holger Krehl fügt hinzu: „Wir haben gelernt, dass es für uns als Hersteller ganz wichtig ist, die Dinge mit den Augen des Architekten zu betrachten. Bei Schöck bedeutet das in erster Linie, die bauphysikalischen Auswirkungen einer Planung zu betrachten. Sprich, welche Wechselwirkung entsteht durch eine bestimmte Planung für den Nutzer im Innenraum? Hier sollte man durchaus auf Bewährtes setzen, aber auch Neues zulassen. Das ist die Herausforderung, der wir uns als Hersteller stellen müssen.“

Uns interessiert demnach der richtige Zeitpunkt, zu dem die ArchitektInnen ein Unternehmen in ihre Planung mit einbeziehen sollen. Holger Krehl bringt es auf den Punkt: „Bislang ist es meist zu spät. Je früher wir in den Planungsprozess mit einsteigen können, desto besser. D. h. konkret in Leistungsphase 2 bis 3, auch wenn es dann noch ein langer Zeitraum bis zur Ausführung ist, ist die Beteiligung am Prozess wichtig.“ Jörg Leidenroth ergänzt: „Oft fällt die Entscheidung erst in Leis-tungsphase 5, manchmal sogar erst auf der Baustelle, wenn es Probleme gibt und die ausführenden Firmen nach Produkten und Lösungen suchen. Das versuchen wir natürlich zu vermeiden. Wir pflegen viele Kontakte in die Industrie und suchen möglichst früh nach geeigneten Produkten und Lösungen. Wir haben z. B. eine große Materialbibliothek, die wir stetig erweitern und machen immer wieder auch Schulungen zu verschiedensten Produkten.“ „Ich nehme“, so Monica Plotheger, „oft in Leistungsphase 2 und 3 Kontakt mit Unternehmen auf, um zu erfahren, ob das, was ich mir vorstelle überhaupt möglich ist.“ „Ganz wesentlich für den Bauherrn“, bekräftigt Jörg Leidenroth, „sind immer auch die Kosten, daher ist es tatsächlich bereits in den frühen Leis-tungsphasen wichtig, Varianten auch mit bestimmten Produkten zu hinterlegen, um diese dann gegeneinander abwägen zu können“.

Es heißt, die Anforderungen an Fassaden werden immer komplexer. Wir möchten gerne wissen, wie sich das in den Projekten von Nickl & Partner Architekten zeigt. Monica Plotheger: „Dem kann ich nur zustimmen, neben den vielen bauphysikalischen Anforderungen spielt vor allem das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Dazu kommen auch bestimmte Trends, die man beobachtet und in ihrer Relevanz abwägen muss. Hier sehen wir momentan vor allem begrünte Fassaden ganz weit vorne. Ob das wirklich so sinnvoll ist, wird sich zeigen.“ Hans Nickl ist hier auch eher skeptisch. Der Aufwand für Wartung und Pflege stehe hier in keinem Verhältnis. Sinnvoller seien begrünte Flächen in der Horizontalen, in Form von Dachgärten und Terrassen bieten sie den Nutzern einen wunderbaren Mehrwert und ergänzen die Gebäudehülle bestmöglich. Jörg Leidenroth sieht noch einen weiteren Aspekt: „Selbst die Grundanforderungen, ein Gebäude vor der Witterung zu schützen werden immer höher, etwa durch erweiterte Normen wie die Energieeinsparverordnung. Dazu kommen erweiterte Anforderungen an die Belüftung, die Belichtung, den Sonnenschutz etc. Und da wir viele Sonderbauten bearbeiten kommt auch den bauaufsichtlichen Zulassungen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu. Viele Produkte scheiden hier von vorneherein aus. Oft entstehen erhöhte Anforderungen auch aus veränderten Ansprüchen, die man hat. Beispielsweise möchte man auch im Krankenhausbau immer mehr natürliches Licht in die Patientenzimmer bringen, durch größere Verglasungen entsteht aber automatisch auch ein höherer Wärmeeintrag, sodass hier dann in technischer Hinsicht wieder reagiert werden muss.“ Bei Anfragen zu Produkten von Linzmeier und Schöck gehören solche Anforderungen noch nicht zum Alltag, aber trotzdem beobachten die Unternehmen solche Entwicklungen mit Interesse. Der ein oder andere Aspekt fließt vielleicht schon bald in die Produktentwicklung mit ein.

So stellt sich im Anschluss die Frage nach den größten Herausforderungen oder auch Fehlern in der Fassadenplanung. Jörg Leidenroth: „Wir sehen vor allem beim Thema Glas große Herausforderungen. Das Material ist sehr vielfältig und auf die unterschiedlichsten Anforderungen, sei es Schall-, Wärme- oder Sonnenschutz ausgelegt. Hier muss man sich z. B. mit den verschiedenen Beschichtungen, Glasstärken oder -farben schon gut auskennen und den Bauherrn entsprechend beraten. Und auch die bauphysikalischen Probleme an der Schnittstelle vom Innen- zum Außenraum sind immer wieder ein Thema.“ „Nicht zu unterschätzen sind auch die Fehler, die beim Einbau immer wieder passieren“, ergänzt Hans Nickl. Ein Aspekt, dem seitens der Industrie beispielsweise durch eine beidseitige Beschichtung vorgebeugt werden kann, so Kurt Gobs. Denn leider garantiert auch eine richtige Planung nicht, dass die Umsetzung auf der Baustelle korrekt erfolgt. „Selbst Transport und Lagerung können schon zu immensen Schäden führen, bevor ein Produkt überhaupt verbaut ist. Hier ist auch seitens der Bauleitung eine besondere Expertise gefragt“, sagen die Architekten. Auch seitens der Industriepartner wird der Einbau als die häufigste Fehlerquelle ausgemacht. Mit entsprechende Schulungen für FassadenbauerInnen, PlanerInnen und ArchitektInnen versucht man hier möglichst frühzeitig gegenzusteuern. „Auch hier hilft die frühzeitige Einbeziehung des Herstellers in den Planungsprozess, um Fehler zu vermeiden“, resümiert Kurt Gobs. „Probleme entstehen für uns meist bei den Projekten, wo die Paneele erst vom Fassadenbauer anfragt werden und kein Fachplaner hinzugezogen wurde.“

Wir fragen daher bei den KollegInnen aus der Fassadenabteilung nach, ab wann sie überhaupt einen speziellen Fassadenplaner mithinzuziehen? „Es mag erstaunlich klingen, aber wenn wir eine Fassade experimentell entwickeln kontaktieren wir zuerst die Hersteller, da ist noch kein Fachplaner involviert. Aber wir wissen bereits, es gibt einen oder auch mehrere Hersteller, die ein bestimmtes Produkt liefern können. Der Fachplaner berät uns dann bzgl. der Ausschreibung und der technischen Ausführung, insbesondere bei den erforderlichen Berechnungen, die wir inhouse nicht leisten können oder in ökonomischen Fragen. Auch wenn Varianten zur Auswahl stehen ist Fachwissen gefragt. Beim Klinikum Augsburg haben wir z. B. prüfen lassen, ob eine klassische Ausführung oder eine Vorfertigung einzelner Elemente einen schnelleren Baufortschritt ermöglichen“, erläutert Jörg Leidenroth.

Abschließend interessiert uns noch, welchen Einfluss digitale Planungs- und Bauprozesse auf die Fassadenplanung haben oder in Zukunft haben werden. Nochmal Jörg Leidenroth: „Mit digitalen Modellen können natürlich viel besser Simulationen beispielsweise bzgl. des Wärmebedarfs durchgeführt werden. So wäre es möglich, Kosten und Bauzeiten an der Fassade zu reduzieren, etwa indem man den Fassadenaufbau je nach Sonneneinstrahlung optimiert. Das setzt al­lerdings voraus, dass all diese Daten auch zur Verfügung stehen und in das Modell einfließen können. Ein weiteres Thema ist die computergesteuerte Vorfertigung von Elementen. Je nach Produktionsprozess ist es z. B. nicht mehr erforderlich viele gleiche Elemente zu verwenden, um wirtschaftlich produzieren zu können. Hier verändert sich gerade viel. Diese Prozesse ziehen sich zum Teil bis in die Montage. Anhand von entsprechenden Codierungen lässt sich exakt nachvollziehen welche Elemente schon produziert wurden und ob und wo sie bereits eingebaut sind.“ Dies bestätigt Holger Krehl. Bei Schöck ist man hier schon sehr weit, alle Isokorb® Typen können 1:1 in die Planungsunterlagen übernommen und mit dem Statiker abgeglichen werden. Zudem sind die Produkte mit entsprechenden QR-Codes versehen und können im Bauablauf jederzeit nachverfolgt, ja mit einer digitalen Einbauhilfe sogar exakt positioniert werden.

Wir stellen am Ende noch die Frage, wie wichtig individuelle Produktlösungen sind, unabhängig von den Produktionsmöglichkeiten. Und welchen Anteil Sonderlösungen bei den Projekten von Nickl & Partner Architekten einnehmen. Dazu Hans Nickl: „Das ist eine schwierige Frage. Meiner Meinung nach muss man den Individualismus hier ein wenig eindämmen. Uns geht es eher darum, die Identität eines Gebäudes zu definieren, die grundsätzliche Struktur festzulegen, die sich dann durch alle Bereiche hindurch zieht. In der Umsetzung versuchen wir schon, viele Standardprodukte zu verwenden, diese aber in einen anderen Kontext zu setzen. Beispielsweise haben wir hier an unserem Bü­rogebäude Standard-Gitterroste als Fassadenelemente zur Verschattung eingesetzt. Einfache Lösungen zu finden, die einem hohen gestalterischen Anspruch gerecht werden, ist das Ziel bei allen unseren Projekten.“

Der Text erscheint in der DBZ 9 | 2020. Hier können Sie das Heft bereits vorbestellen.

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