Frauen sichtbarer machen im PlanerInnen-Geschäft
Gerade eröffnet in Berlin das hybride Festival WIA Women in Architecture. Noch bis zum 1. Juli werden Frauen in unterschiedlichen Veranstaltungen und Veranstaltungsformaten auf Defizite in der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in planenden Berufen aufmerksam machen, Sichtbarkeit ist ein zentrales Stichwort. Mit den Mitorganisatorinnen Elke Duda und Astrid Zimmermann trafen wir uns in Berlin, auf einer Baustelle. Denn: die Arbeit an der Geschlechtergerechtigkeit ist nichts weniger als das!
Es freut mich sehr, Sie beide zu diesem Gespräch gewonnen zu haben. Worum geht es bei „WIA, Women in Architecture“, dem Fes-tival in Berlin von Frauen für Frauen – und für Männer! – in diesem Juni? Ist der Zeitpunkt der weltumspannenden Krise ein guter, Themen wie Gleichberechtigung in der Planerzunft zu platzieren?
Elke Duda (ED): Also Grundsätzlich besteht Handlungsbedarf schon sehr viel länger und konkret planen wir das WIA Festival seit über zwei Jahren, also lange vor der Krise. Ich denke, Frauen machen seit über 100 Jahren auf das Missverhältnis in der Geschlechtergerechtigkeit aufmerksam. Vielleicht ist es ein richtiger, ein guter Zeitpunkt, einen Neustart auf vielen Ebenen zu beginnen, aber es kann auch sein, dass Krisen dieser Art Fragen wie diese in den Hintergrund geraten lassen, ähnlich wie nach der Wiedervereinigung: Jetzt lasst das doch mal mit der Gleichberechtigung, wir haben gerade andere Sorgen!
Astrid Zimmermann (AZ): Ich würde zum Stichwort Krise noch anmerken, dass die Krise die Frauen eher wieder zurückdrängt in alte Rollenbilder, beispielsweise bei der Kinderbetreuung im Home Schooling. Die Krise scheint das, was doch in den letzten Jahren ansatzweise gut lief, jetzt wieder auszubremsen. Viele Frauen, die aktuell im Homeoffice arbeiten, haben sich deutlicher als ihre männlichen Kollegen aus dem Büroalltag zurückgezogen.
Wenn Sie beide zurückschauen, haben Sie in der Vergangenheit Werkzeuge, Strategien erkennen können, die das Thema der Gleichberechtigung stärker voranbringen? Wie schätzen Sie die Wirkkraft des WIA-Festivals ein?
ED: Ganz sicher hat das Festival jetzt schon enorm viel bewirkt. Wir starten hier ja nicht bei Null, Stichworte wären hier die „Me too“-Debatte oder längst überfällige Ausstellungen wie „Frau Architekt“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Diese öffentlich sehr wirksamen Veranstaltungen brachten die Diskussion auf eine neue Ebene und waren für uns Impulse, das WIA Festival in Berlin zu denken und zu planen. Bei vielen Institutionen stießen wir auf offene Türen, da dort mittlerweile einige Frauen aktiv sind. Es ist enorm wichtig, dass die Kammern, Verbände und Baukultur-Initiativen sich an der ‚Baustelle Gleichstellung‘ beteiligen.
Verbände, Baukultur: Wie sieht es denn konkret bei den angesprochenen Frauen aus, wie war da das Echo auf die Vorbereitungen?
AZ: In der Vorbereitung ist so etwas wie Durchsichtigkeit entstanden. Mit einem Mal wurden Frauen sichtbar, die in den Verbänden und anderen Bereichen wirken und oft nicht im Vordergrund stehen. Unsere Arbeit hat offenbar vielen Frauen einen Schub gegeben, in die Öffentlichkeit zu treten; viele Frauen, die gar nicht unbedingt ein eigenes Büro haben, auch die, die in den Büros im Hintergrund oft die wesentliche Arbeit leis-ten. Mir war beispielsweise gar nicht bewusst, dass es so viele Bauleiterinnen gibt! Von daher gesehen erscheint mir unser Festival durchaus ein Hebel zu sein, Frauen stärker in den Vordergrund zu bringen, sie sichtbarer zu machen.
Aber ich muss auch sagen, dass es mich schon irritiert, dass es uns trotz allem nicht gelungen ist, mehr Frauen hinter dem Schreibtisch hervorzulocken. Ich wünschte mir tatsächlich noch mehr Begeisterung.
Vielleicht fragt die Kollegin: Warum soll ich mich engagieren? Ich selbst habe es erlebt, dass Architektinnen nicht „Architektin“ genannt werden wollen, denn wenn ich „Architektin“ sage, nähme ich sie nicht so richtig ernst?
AZ: Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Natürlich möchte jeder Mensch auch über seine Arbeit, seine Qualifikation gewertschätzt werden und eben nicht darüber, dass man auch als Frau eine gute Arbeit macht. Hier den richtigen Ton zu finden, die richtigen Worte, ohne dabei abwertend zu sprechen, was häufig sehr subtil im Arbeitsalltag geschieht, wo unterschwellig immer noch sehr viele Ressentiments vorhanden sind, das ist nicht leicht, aber das sollten wir beim Namen nennen.
Können Sie mir Dinge nennen, die Ihnen persönlich weh tun?
ED: Ich war nie eine feministische Architektin, aber als mir zum Beispiel klar wurde, dass das Verhältnis 50/50 weibliche/männliche Studierende später in der Berufslandschaft nur noch 30/70 war, kamen die Fragen: Warum ist das so? Warum gehen so viele verloren? Offensichtlich gibt es einige Fallstricke im beruflichen Leben, seien sie struktureller, seien sie persönlicher Art. Ich frage mich auch, warum es über 100 Jahre gedauert hat, bis eine Frau an der Spitze des BDA steht?!
Nennen Sie doch mal zwei.
ED: Fallstricke? Ein Bewerbungsgespräch. Da werden Mitarbeitende gesucht, die schon 10 Jahre Berufserfahrung haben. Man selbst hat nur sieben, weil drei Jahre Kinderauszeit genommen wurden. Oder das Thema der permanenten Verfügbarkeit. Hier ziehen sich immer noch viele Frauen zurück, auch, weil ihnen das Private wichtiger ist. Viele Männer sagen auch heute noch, ja klar, mache ich, und denken, um die Kinder kümmert sich meine Frau. Oder bei Wettbewerben. Da muss man schon zehn Kindergärten gebaut haben, um überhaupt zugelassen zu sein. Das ist nicht zu leisten, wenn man eine Auszeit hatte oder an der Hochschule war. Die Kriterien müssen sich ändern, flexibler werden. Vielen ist gar nicht bewusst, wie hart diese Mechanismen am Ende greifen auf der Karriereleiter.
AZ: Fallstricke sind natürlich auch die Löhne. Als Chefin eines Büros erlebe ich immer wieder, dass Frauen auch heute immer noch sehr viel bescheidener verhandeln. Was ich sehr schade finde, da hier ein Selbstverständnis dafür fehlt, entsprechend für das, was man leistet, auch eine angemessene Entlohnung erstmal wenigstens zu verhandeln. Das ist ein Punkt. Der andere ist, dass in den klassischen Männerdomainen wie Bauüberwachung oder Ähnliches, wir das Gefühl haben, dass die männlichen Kollegen ihre Claims abstecken, sich abgrenzen, aus Sorge, auf der Baustelle könnte möglicherweise ein anderer, eben ein weiblich geprägter Umgang Einzug halten. Das ist auch nicht einfach, als Frau dort ganz andere Umgehensweisen zu etablieren, immer noch trifft man – Frau! - auf eine vom Macho bestimmte Baustellenwelt. Das ist schwer, hiermit umzugehen und das auszuhalten, weil frau das nicht mitmachen, eher, eine andere Haltung etablieren möchte.
Gibt es mit einer zukünftig geglückten Gleichberechtigung in den planenden Berufen möglicherweise auch eine andere Baukultur?
AZ: Auf der Baustelle, in den bauwirtschaftlichen Bereichen, würde sich etwas ändern. Es gäbe weniger diskriminierende Sprüche, aber auch veränderte Arbeitsweisen, einen anderen Umgang miteinander und womöglich einen entspannteren Bauablauf. Ich will damit gar nicht in Frage stellen, dass es nicht auch gut funktionierende Baustellen unter männlicher Führung gibt, geben kann!
ED: Und darüber hinaus werden sich auch die Themen verschieben, was unter Umständen die ganze Baukultur viel interessanter und lebendiger macht. Denn am Ende geht es doch um die planende und die nutzende Seite. Also, Frauen bringen ganz andere Aspekte, andere Denk-, Nutzungs- und Herangehensweisen mit. Was sich, mit Blick auf die 50 Prozent Frauen-/50 Prozent Männer-Gesellschaft, in unserer gebauten Umwelt auch widerspiegeln wird.
Welche Rolle spielen die Fachmedien? Womit sollen die Medien anfangen, womit aufhören?
ED: Einfach mal nachschauen, über wie viele Planerinnen wurde in den letzten 20 Jahren berichtet? Über ihre Arbeiten. Oder in welchen Interviews sind Frauen aufgetaucht, wo hat man sie zu Wort kommen lassen?
AZ: Ich wünsche mir hier mehr kritisches Nachfragen seitens der Redaktionen. Häufig werden Projekte von Frauen bearbeitet und in Ihrem Heft steht dann der Chef vorne. Da könnte man regelmäßiger nachfragen, wer die Arbeit denn tatsächlich gemacht hat. Ich glaube, wir alle haben immer noch diese Rollenklischees in unseren Köpfen.
ED: Und natürlich müssen Frauen die eigene PR vorantreiben. Sie glauben oft nicht, dass es dazugehört, die Werbetrommel zu rühren. Aber noch mal zu Ihnen, Herr Kraft: Die Medien müssen aus der Routine raus, denn es gibt sie, die frauengeführten Büros, über die zu berichten es sich lohnt. Und die Ausrede, man habe gesucht, aber nichts gefunden, gilt nicht mehr.
Das klingt nach Arbeit!
ED: Ja, vielleicht müssen Sie und Ihre KollegInnen ein bisschen länger suchen, denn es sind nach wie vor zu wenige, definitiv. Die Wenigen müssen wir und Sie umso mehr promoten. Das wollen wir mit dem Festival machen.
Ist das Festival ein reines Frauenfestival? Von Frauen für Frauen. Oder waren Sie auch so mutig, Männer zumindest in die Planung mit reinzunehmen?
ED: Wir waren, wir sind offen für alle, die mitmachen wollen. Aber es musste über Frauen, mit Frauen, von Frauen sein. Wir gehen davon aus, dass auch Männer das Festival besuchen, zumal es extrem wichtig ist, dass das Thema des Festivals von allen getragen wird und jede und jeder verstehen, dass die Baukultur nur dadurch gewinnen kann, dass sie diverser wird.
AZ: Den Aufruf von ‚nails. e. V.‘ hat eine Gruppe von Frauen im Landesverband aufgenommen und weitergesponnen. Es war klar, dass wir ein Frauenfestival machen wollten, da haben sich die Männer schwergetan, wirklich mit dabei zu sein. Das finde ich auch in Ordnung. Männer sind als Gäste natürlich herzlich willkommen, ich denke, wir haben in den vier Wochen auch genug Programm und Interessantes zu bieten. Planung und Umsetzung kommt aus Frauenhand, aber wir haben auch männliche Unterstützer auf den unterschiedlichsten Ebenen.
Gibt es bezogen auf das Verhältnis Referentinnen/Referenten eine Circa-Prozent-Zahl?
ED: Grob geschätzt haben wir ein 80/20-Verhältnis. Auf unseren Call for Papers gab es leider nur einen Rücklauf von einem Mann, er hat zu einer Architektin recherchiert. Aber über die Beiträge vom Deutschen Werkbund, mit einer Reihe über Frauen in Redaktionen der Architektur Galerie Berlin sowie „bauhaus reuse“ zusammen mit der TU Berlin sind Männer am WIA Festival beteiligt. Auch die Initiative zur Rettung des Marlene-Pölzig-Hauses wurde von Männern gestartet.
AZ: Wir vom BDLA haben unseren Aufruf explizit an Frauen gerichtet, das hat dann auch ein eindeutiges Ergebnis.
ED: Wir wollen die Sichtbarkeit der Planerinnen herstellen. Wir wollen zeigen, was sie für Themen, was sie für Werke haben. So gesehen waren zuerst die Frauen gefordert. ‚n-ails e. V.‘ wird eine Ausstellung mit über 140 Arbeiten von Planerinnen, auch von unbekannteren, zeigen. An der TU Berlin stellen die Bauingenieurinnen erstmals viele unbekannte Tragwerksplanerinnen aus, der BDA und BDLA Berlin machen große Werkschauen, alles begleitet von Vorträgen und Diskussionen.
Das Festival startet jetzt: Worauf freuen Sie sich am meisten?
ED: Es gibt so viele spannende Momente, ich möchte hier nichts hervorheben. Wir freuen uns, dass so viele dabei sind, einen Beitrag leisten und angefangen haben, sich mit dem Thema Sichtbarkeit der Frauen in planenden Berufen auseinanderzusetzen. Das ist für mich das Wichtigste. Insofern hat sich das Festival, bereits jetzt am Start, schon gelohnt.
AZ: Ich freue mich auf die Vielschichtigkeit, das Differenzierte. Ich habe noch gar nicht so den ganzen Überblick, dafür sind die eigenen Vorbereitungen doch sehr fordernd gewesen und ich habe nur ab und zu mal ins Programm schauen können. Unser eigenes, internes Programm hat mit unterschiedlichsten Formaten bereits eine sehr große Bandbreite. Und das trägt sich dann immer weiter auf das große WIA. Wir werden eben nicht nur Werkausstellungen zeigen und nicht nur reine Frauenthemen. Ich bin sehr gespannt, wie wir das alles in eine größere Diskussion im ganzen Berufsstand überführen können, denn das ist vielleicht das zentrale Thema unseres Festivals.
Mit Elke Duda, Duda Architekten, und Astrid Zimmermann, Zplus Landschaftsarchitektur bdla, unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 12.05.2021 auf einer Berliner Baustelle.