FutureHotel – Anforderungen für eine künftige Generation nachhaltiger Hotels

Die Corona Pandemie stellt unser System mit den gewohnten Strukturen und Leitplanken ­eindrücklich in Frage. Gelerntes und Gewohntes wird konterkariert. Auch die Hotellerie ist ­aktuell von diesen Eindrücken gezeichnet. Der langfristige Trend zu mehr Nachhaltigkeit ist stärker denn je in den Fokus gerückt und somit erfährt auch der Wandel hin zu einer nachhaltigen Hotellerie nun aus vielfältigen Gründen eine hohe Priorisierung. Insbesondere vor dem Hintergrund der Überbeanspruchung unserer Ressourcen ist ein nachhaltiger Betrieb von ­Hotels schon heute ein Imperativ. Allerdings sind viele Potentiale derzeit noch ungenutzt.

Das Konzept der Nachhaltigkeit umfasst die drei elementaren Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales, die eng ineinander verzahnt und ineinander verwoben sind.“ [1] Im Folgenden werden Trends und Maßnahmen für die Gestaltung von Hotels aufgezeigt, die an diesen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ausgerichtet sind.

Wachsender Energie- und Ressourcenverbrauch, die Zunahme der CO2-Emissionen und der globale Temperaturanstieg verlangen nach Strategien zur Anpassung und Verminderung des Klimawandels, die Nutzung und Herstellung alternativer Energien oder nachhaltige Gebäudeplanung. Die neuen Anforderungen erfordern zwingend ein Umdenken. Ressourcen und Materialien müssen im Sinne der Kreislaufwirtschaft über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden. Der Wert einer Immobilie, der Wert eines Hotelbetriebs und dessen Wertschätzung durch die MitarbeiterInnen und Gäste werden künftig durch den jeweiligen Beitrag für eine positive Umweltbilanz geprägt sein.

Die Gäste als Anspruchsgruppe

Noch vor einigen Jahren fragten sich Hoteliers, wie viel ein Gast wohl bereit wäre, für ein nachhaltiges Hotel mehr zu bezahlen. Mittlerweile ist deutlich, dass diese Fragestellung nicht zielführend ist. Die Positionierung eines Hotels im Bereich der Nachhaltigkeit wird immer mehr zu einem Basismerkmal und zu einer Voraussetzung für die Buchung. Immer wichtiger wird es auch, auf der Hotel-Website und den einschlägigen Buchungsplattformen die eigenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -standards transparent zu machen. Nicht zuletzt geschieht das auch über entsprechende Zertifizierungsmaßnahmen und Öko-Labels. Gäste fordern deutlich eine höhere Transparenz des Nachhaltigkeitsengagements.

Laut einer Umfrage des Fraunhofer IAO im Jahr 2019 unter Hotelgästen ist 80 % der Befragten bei der Buchung eines Hotels wichtig, dass das Hotel wertschätzend mit seinen Mitarbeiter-Innen umgeht. Das Thema „Umwelt“ bzw., dass ihr Hotel umweltbewusst handelt und z. B. Plas-tik oder Müll reduziert, ist für 69 % der befragten Hotelgäste grundsätzlich von Belang. Für 41 % ist es bedeutsam, dass sich das Hotel in der Nachbarschaft oder Umgebung sozial engagiert. 23 % ist es darüber hinaus wichtig, dass ihnen das Hotel ermöglicht, sich selbst in soziale Projekte vor Ort einzubringen. [2]

Die MitarbeiterInnen, die Hoteliers und die Branche des Gastgewerbes als Anspruchsgruppe

77 % von 1 844 befragten MitarbeiterInnen des Gastgewerbes gaben in einer Umfrage des Fraunhofer IAO im Jahr 2019 an, dass sie es wichtig finden, dass sich ihr Arbeitgeber in sozialen Projekten engagiert und sich sozial verantwortlich zeigt. Im Rahmen einer Studie des Fraunhofer IAO unter 2 590 Hoteliers der DACH-Region bewerteten diese schon im Jahr 2011 den Bereich „Nachhaltigkeit und Energieeffizienz“ als das wichtigste Gestaltungsfeld im Hotel. Die Ergebnisse zeigten deutlich die Diskrepanz zwischen der beigemessenen Bedeutung des Themas und der verhältnismäßig geringen Zufriedenheit mit den bislang umgesetzten Maßnahmen in den Betrieben.

Welche Maßnahmen und welche aktuellen Entwicklungen sind für eine bessere Nachhaltigkeit in den Betrieben empfehlenswert?

Durch die extremen Veränderungen in der Umwelt wird sich auch die Lebenswelt rund um das Hotel mit allen internen und externen Prozessen und Einflussgrößen ändern. Wie kann also das Hotel den neuen Anforderungen begegnen? Welche gesellschaftliche Rolle fällt dem Hotel hierbei zu? Wie kann nachhaltig und ressourcenschonend im Hotel gehandelt werden? Welche Möglichkeiten bieten neue Technologien, Produkte und Materialien für das Hotel? Wie sehen nachhaltige Gebäude und deren Ausstattung aus?

Ökonomie und Ökologie im Hotel der Zukunft

„Umweltkennzahlen bilden eine wichtige Stellschraube zur Effizienzsteigerung, Kostenreduktion, Sicherung von Wettbewerbsvorteilen und zum Umweltschutz. Immerhin nehmen die Energiekos-ten in einem durchschnittlichen Hotel der DACH-Region bis zu 8 % des Umsatzes ein.“ „Energiekosten sind ein zunehmendes Problem für Hotelbetreiber. Bei der aktuellen Verknappung der Rohstoffe steigen die Preise und belasten die Hotellerie. Zudem ist die Integration von neuen Technologien, z. B. der Gebäudetechnik, im Bestand sehr aufwendig. Energieintensive Hotelbereiche wie das Restaurant und der Wellnessbereich mit „besonders hohen Personal-, Waren- und Energiekosten“ [3] stellen die Hoteliers vor die Herausforderung, Ressourcen ohne qualitative Einschränkung des Angebots einzusparen [1].

„Die Reduktion des Energieverbrauchs dient neben der Erhaltung einer intakten Umwelt, nach der Gäste vorwiegend im Urlaub suchen, auch zur Senkung der Betriebskosten. Bei Betrachtung der Energie ist wichtig, aus welchen Energieträgern sie gewonnen wird, welchen Verwendungszweck sie erfüllt, wie hoch der Strom- und Wärmebedarf ist und wo eventuell Wärmeverluste entstehen. Das durchschnittliche Doppelzimmer eines deutschen Hotels hat einen Wärmebedarf von 12 000 kWh/a. Dieser Verbrauch entspricht dem Bedarf an Wärme, das ein modernes Einfamilienhaus benötigt. Allerdings wird die erzeugte Wärme stark durch die Architektur und den Gebäudezustand beeinflusst – es entstehen unterschiedlich hohe Wärmeverluste. Die Gebäudehülle von Hotelimmobilien (inklusive Fenster, Dach und Außenwand) ist für 55 - 70 % der gesamten Wärmeverluste verantwortlich, während durch Heizrohre und -tanks 30 - 35 % der Wärme verloren gehen. Es besteht erhebliches Einsparpotenzial durch Maßnahmen wie Gebäudeisolierung, wärmeisolierendes Glas oder Wärmerückgewinnung aus Dusch- und Badewasser.“ [1]

„Der durchschnittliche Gast konsumiert nicht nur große Mengen an Energie, sondern benötigt während des Aufenthalts viel Wasser zur täglichen Hygiene (Duschen, Baden), Wellnessbehandlungen oder andere Zwecke. „Der Wasserverbrauch von 300 - 400 l pro Gast und Tag und die Entsorgung von Büro-, Zimmer- und Speisabfällen belasten in ökonomischer und ökologischer Hinsicht das Hotel und die Umwelt.“ Der Wasserkonsum ist im Hotel doppelt so hoch wie der einer Person im Privathaushalt (80 - 250 l/Person/Tag). [1]

Ein Hotel, das Digitalisierung und Technologie bereits gezielt einsetzt, um effizienter mit Ressourcen umzugehen ist das Hotel & Spa Haffhus in Ueckermünde. Konkrete Maßnahmen sind hier z. B. Kreislaufwirtschaft, Rohstoff-Recycling und der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich des Energiemanagements. Der Hotelbetrieb läuft „off Grid“, also autark von den öffentlichen Netzen, und versorgt sich ausschließlich mit selbst erzeugter Energie (Wärme, Strom). [4]

Zukunftstrend Bioökonomie und biointelligente Lösungen

Einen wichtigen Zukunftstrend präsentieren Entwicklungen im Bereich der Bioökonomie, die das bisherige Grundverständnis unserer Ökonomie revolutioniert. Demnach ist „Digitalisierung alleine nicht nachhaltig und gelingt nachhaltiges Wirtschaften nicht ohne Digitalisierung.“ Unendliche Potentiale lassen sich demnach erschließen, wenn sich die Wertschöpfungsprozesse an den symbiotischen Strukturen in der Natur orientieren. Dazu sind neue Wertschöpfungsprozesse und disruptive Innovationen erforderlich. Mit dem Ziel der nachhaltigen Wertschöpfung bedingt diese biologische Transformation die zunehmende Nutzung von Materialien, Strukturen und Prozessen der belebten Natur in Technologien. „Dies bietet eine vollkommen neue Perspektive für soziale, effiziente und nachhaltige Wertschöpfung auf der Grundlage von Evolutionsmanagement. Dem Evolutionsmanagement liegt zugrunde, Wettbewerbsvorteile nicht mehr auf Kosten von MitbewerberInnen oder ArbeitskollegInnen zu erreichen. Ziel ist eine symbiotische Beziehung der Lebewesen anstatt Konkurrenz und Wettbewerb. Zurzeit wird der Begriff Nachhaltigkeit meist mit ökonomischen Einbußen und Einschränkungen assoziiert. Genau hier setzt die biologische Transformation an und birgt das Potential, Nachhaltigkeit durch neue Konzepte und Innovationen wirtschaftlich und attraktiv machen. Dies bringt als Resultat sogenannte biointelligente Systeme und die dafür notwendigen Technologien hervor, deren Potential vielfältig ist – von disruptiven Innovationen über die Modernisierung der deutschen Unternehmens- und Bildungskultur bis hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.“ [5;8]

Konkrete biointelligente Maßnahmen sind beispielsweise: „Roboter, deren Steuerungsmodule ihre Energie über Photosynthese selbst erzeugen, Fermenter, die aus Essensresten Medikamente herstellen, oder Küchenschränke, in denen innerhalb weniger Tage die Zutaten für ganze Mahlzeiten wachsen – die biologische Transformation soll es möglich machen. Dabei werden auch noch Energie und Wasser gespart sowie schädliche Düngemittel vermieden. [6]

Die biologische Transformation der industriellen Wertschöpfung kann in den nächsten Jahrzehnten die gesamte Industrie und Gesellschaft revolutionieren.“ [7] Sie nimmt Einfluss auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (siehe Abb).

Green Building & Green Products

Aktuell findet man in der Hotellerie überwiegend Maßnahmen im Bereich „Green Building & Green Products“. Diese sind überwiegend Ergebnisse inkrementeller Innovation, die also bestehende Produkte verbessern und weiterentwickeln, aber nicht radikal neu sind. Die Firma Nebia hat beispielsweise einen Duschkopf entwickelt, der Wasser in winzige Tropfen zerteilt und eine Art Wassernebel entstehen lässt. 70 % Wasser können damit bei einer durchschnittlichen Dusche eingespart werden. [9] Durch Wasserrecycling lassen sich der Wasserverbrauch minimieren und somit Kosten sparen. Die Firma Orbital Systems aus Schweden hat eine Dusche entwickelt, die bis zu 90 % des Wassers und 80 % der Energie (Wärmetauscher) recycelt. Nano- und Mikrofilter filtern sämtliche Fremdstoffe aus dem Wasser, und pumpen dieses zur erneuten Nutzung wieder in den oberen Teil der Dusche. [10]

Im Forschungsgebäude EMPA Nest nahe Zürich werden u. a. innovative Lösungen für Toiletten getestet. Hiermit wird ein Beitrag geleistet, die Ressource Wasser von Nährstoffen zu trennen und beides wieder sinnvoll dem Kreislauf zurückzuführen.

Eine weitere Innovation birgt z. B. schraubenloses Bauen über Steckverbindungen von Holzbauteilen. Damit können nicht nur Werkzeug, Schrauben und Kleber eingespart werden, sondern auch der Rückbau der Werkstoffe und deren Wiederverwendung stark vereinfacht werden. Ein Beispiel hierfür ist der Botanical Pavilion des japanischen Architekten Kengo Kuma und des australischen Künstlers Geoff Nees, der wie ein 3D-Puzzle aufgebaut wurde, ganz ohne Leim und Schrauben. Diesem Gedanken folgend können auch Aufzugsschächte aus Holz zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Ein weiteres Beispiel sind Innovationen im Bereich Solar und Photovoltaik für Fassadenflächen, die mehr Energie erzeugen, als das Hotel verbrauchen kann.

Ein Betrieb in der Hotellerie, der Rohstoffe bereits nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip (Kreislaufwirtschaft) einsetzt, ist das Creativhotel Luise in Erlangen. Das Hotel hat beispielsweise „ein nachwachsendes Hotelzimmer“ entwickelt. Nachwachsend bedeutet hier, dass alle verwendeten Materialien und Produkte im Zimmer aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind und alle Komponenten recyclebar sind. Der Einsatz von Holz im Vergleich zu Stahlbeton kann den CO2-Ausstoß in einem Hotel bereits um mehrere Tonnen reduzieren.

Eine rasante Entwicklung im Bereich Green Building erfährt aktuell das Thema der Gebäudebegrünung, einhergehend mit Indoor Farming, Vertical Farming, oder Community Gardening. Diese Konzepte lassen sich dem Trend zu dezentralen Versorgungseinheiten zuordnen.

Ein Beispiel hierfür ist das QO Hotel in Amsterdam (siehe auch DBZ Hotel 2018): Mit eigenem Gärtner werden auf dem Dach des Hotels in einem Gewächshaus Pflanzen angebaut, die im Hotelrestaurant Verwendung finden.

Soziale Nachhaltigkeit in der Hotellerie

Ein Beispiel für ein Hotel, dass seine Nachbarschaft stark einbindet und dazu auch das „Gardening“ nutzt, ist das MOB Hotel Of The People in Paris. Hier wird die Nachbarschaft dazu eingeladen, kleine Gartenflächen auf der Dachterrasse zu bewirtschaften. Pro Saison werden die Flächen an Interessenten neu vergeben. Auch zu Events, wie beispielsweise dem Sommerkino, werden die Nachbarn eingeladen.

Über entsprechende Angebote und Maßnahmen eines Hotels steigt nicht nur die Akzeptanz innerhalb der ortsansässigen Bevölkerung, auch die Gäste erfahren darüber eine positive Entwicklung. Nicht zuletzt fördert der fortwährende Austausch mit der Nachbarschaft im Zuge von Projekten auch eine intakte soziale Gemeinschaft.

Start der FutureHotel-Forschungsarbeit zu Nachhaltigkeit im Dezember 2021

Mehr Nachhaltigkeit erfordert neue Konzepte und Lösungen. Diese zu beforschen und innovative Lösungen in die Hotelbetriebe zu überführen, ist das Ziel für die neue Forschungsphase im Projekt FutureHotel, die noch im Dezember 2021 am Fraunhofer IAO starten wird (www.futurehotel.de). An einer Teilnahme interessierte Hoteliers, deren Zulieferer, Dienstleister, Planer und Projektentwickler dürfen sich gerne melden, um mehr zu den Teilnahmebedingungen zu erfahren.

Literatur

[1] Borkmann, V., Rief, S., Wagner, S. (2014): FutureHotel Small Medium – Aktuelle Situation und Perspektive der Individualhotellerie im 1-3 Sterne Segment im deutschsprachigen Raum. Stuttgart: Fraunhofer-­Verlag, S.10; S. 100-101; S. 80-81; S. 83;

[2] Borkmann, V., Brecheisen, M., & Strunck, S. (2020). FutureHotel - innovative Erlebnisse als Erfolgsfaktor für die Hotellerie. Borkmann, V., Bauer, W. (Hrsg.). Stuttgart: Fraunhofer-Verlag. ISBN 978-3-8396-1606-2, S. 9

[3] Freyberg, B., Gruner, A., Lang, M. (2012): ErfolgReich in der Privathotellerie. Matthaes Verlag. Stuttgart. S. 35

[4] https://www.haffhus.de

[5] Fraunhofer Gesellschaft (2018): Biologische Transformation und Bioökonomie; erhältlich unter: https://www.fraunhofer.de/content/dam/zv/de/forschung/­artikel/2018/Biologische-Transformation/Whitepaper-Biologische-Transformation-und-Bio-Oekonomie.pdf

[6] Fraunhofer IPA (2021): Mit Biointelligenz zu einem smarten Wandel; erhältlich unter: https://idw-online.de/de/news?print=1&id=772266

[7] Fraunhofer IPA (2019): Die biointelligente Wert­schöpfung – White Paper des Kompetenzzentrums ­Biointelligenz; erhältlich unter: http://s.fhg.de/

whitepaper-biointelligenz

[8] Fraunhofer IPA (2019): Biointelligenz: Eine neue ­Perspektive für nachhaltige industrielle Wertschöpfung; ISBN (Print) 978-3-8396-1433-4; erhältlich

unter: https://www.biotrain.info/

[9] Borkmann, V., Lambertus, J., Klein, S., Rief, S. (2016): FutureHotel Building 2052 – Visions and Solutions for Hotel Buildings of the Future. Stuttgart: Fraunhofer-Verlag (engl.), S. 58

[10] Borkmann, V., Rief, S. (2017): FutureHotel Baderlebnis 2030 – Visionen und Lösungen für das Hotelbad der Zukunft. Stuttgart: Fraunhofer-Verlag, S. 54-55

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