Gefaltete Platte
Firmensitz Giacomuzzi, Kaltern/I

Das Design des vom Bozener Architekturbüros monovolume entworfenen Gebäudes lässt auf ein luxuriöses Wohnhaus, eine Arztpraxis oder eine Rechtsanwaltskanzlei schließen. Dass es sich bei dem leicht futuristisch anmutenden Haus um den Firmensitz eines Installationsbetriebes handelt, wird erst durch seine Lage in einem Industriepark deutlich.

Die von Roland und Michael Giacomuzzi geleitete Giacomuzzi KG in Kaltern befasst sich mit Installationsarbeiten aller Art sowie mit der Planung und Ausführung hochmoderner Photovoltaikanlagen. Der Neubau sollte die zukunftsweisenden Kernkompetenzen des Unternehmens – Photovoltaik und Solarenergie – in seinem architektonischen Erscheinungsbild widerspiegeln.


Lage

Das lange, schmale Grundstück mit der Längsachse in Nord-Südrichtung liegt in der sogenannten Handwerkerzone Kaltern in der Nähe von Bozen. Die Hanglage führte dazu, dass das Kellergeschoss sowie das Erdgeschoss auf der Nordseite vollständig im Hang verschwinden. Die Gebäudeerschließung erfolgt im Süden. Im Norden schließt das Grundstück mit einer steilen Böschung zur mehreren Meter höher gelegenen Wohnbauzone ab, während es auf der Ostseite an ein abfallendes Waldstück angrenzt. Auf der Westseite teilt sich Giacomuzzi die Grundstücksgrenze mit zwei anderen Firmensitzen.


Organisation

Das Lager und die Garage im Kellergeschoss sind auf der Südseite über eine Rampe zugänglich. Im Erdgeschoss befinden sich die Büros und das Besprechungszimmer der Firma, sowie das Magazin mit der dazugehörigen Anlieferung, ein Archiv, die Umkleiden mit Duschen und Toiletten. Die Dienstwohnung in den zwei darüberliegenden Geschossen organisiert sich wie folgt: Im 1. OG befindet sich ein Wohnraum mit einer offenen Küche, einem Büro, dem WC und einem Waschraum. Im 2. Obergeschoss findet man zwei Badezimmer, einen Schrankraum sowie drei nach Südosten orientierte Schlafräume.

Form

Von Anfang an stieß der Entwurf bei den Auftraggebern auf Zustimmung und wurde nur geringfügig nachgebessert. Die Architekten reagierten mit der Form und der Organisation des Gebäudes nicht nur auf die Topographie, sondern verstanden es damit auch, die Umgebung in Szene zu setzen. Formal ist das Ergebnis eine weiße, gefaltete Platte, die sich von einer Decke zur Wand, zum Fußboden und schließlich zum Dach entwickelt. Die raumhohe Verglasung der Süd- und Ostfassaden verstärkt die fließende, durchlaufende Form der Platte. Gegen Norden ist das Gebäude mit Ausnahme der Hauskante des 1. Obergeschosses völlig geschlossen. Ähnlich sieht es an der westlichen Grundstücksgrenze aus. Bis auf die fixen Lamellen im 1. Obergeschoss und das schmale Fensterband im Erdgeschoss zeigt sich die Fassade eher abweisend. Auf dieser Seite konnten so alle Nebenräume organisiert und deren Überhitzung durch die Nachmittagssonne verhindert werden. Der Knick im zweiten Obergeschoss entstand als Abgrenzung gegenüber den Nachbarn und verleiht dem Gebäude zusätzlich seine visuelle Eigenständigkeit.

Die Form des Gebäudes entwickelte sich aus verschiedenen Parametern:
Die Bauordnung schreibt einen 5 m breiten Abstand oder den direk­ten Anbau an die Grundstücksgrenzen vor. Die Gartenmauern im Norden und Osten des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses sind die Verlängerung der auf der Grundstücksgrenze liegenden Stützwände der Untergeschosse. Die ostseitigen Glasfassaden des Bürogeschosses und der Wohngeschosse liegen wie die nordseitige Dachkante des 2. Obergeschosses 5 m von der Grundstücksgrenze entfernt. Innerhalb dieses Grenzabstandes erlaubt die Bauvorschrift die Konstruktion von bis zu 1,50 m weit auskragenden Balkonen. Die auskragenden Decken und Dächer an der Süd- und Ostseite dienen als sommerlicher Sonnenschutz, der die flachere Wintersonne aber noch einfallen lässt. Zusätzlich zu diesem konstruktiven Sonnenschutz verschatten Außenjalousien die Süd- und Ostseite. Die Auskragung im Erdgeschoss dient als Überdachung der Ein- und Ausfahrt des Lagers. Die terrassenförmige Rücksprünge der Geschosse ergaben sich aus dem Raumprogramm. Die Schräge der Südfassade, der sogenannten „Schnauze“ im 1. Obergeschoss entspricht der idealen Neigung für die daran befestigten, schwarzen Paneele der Solaranlagen. Dabei handelt es sich um eine auf der Unterseite mit Putzplatten verkleidete Stahlträgerkonstruktion, die zu Wartungszwecken der Solaranlage von unten zugänglich bleibt.


Materialkonzept

Stahl wurde als Baumaterial aus Kostengründen ausgeschlossen. Auch die Verwendung von Holz war aufgrund der großen Auskragungen teurer. Die Stahlbetonkonstruk­tion bot sich also aus Kostengründen und als logische Fortführung der Fundamente und Stützmauern des Keller­geschosses und des Erdgeschosses an. Zur Reduzierung des Eigengewichts und der Durchbiegung der Massiv­decken wurden in die Decken Hohlkörper eingegossen. Das erlaubte eine schlankere Bauweise und eine Erhöhung der Deckenspannweiten, ohne dabei die Steifigkeit des Systems wesentlich zu verringern. Die vertikale Trag­struk­tur besteht aus schwarz lackierten und mit Beton ausgegossen Rundstützen aus Stahl, die hinter der Glasfassade verschwinden. Die Glasflächen bestehen aus 2-Scheiben-Isolierglas.

Schwimmbad

An der Stelle des begrünten Gartens an der Ostseite des Wohnbereichs war ursprünglich ein ca 1,40 m tiefes Schwimmbecken geplant, was einerseits die große Deckenstärke des EGs und andererseits die zusätzlichen Treppen im Gartenbereich erklärt. Die gesamte Schwimm­badtechnik ist installiert, obwohl das Schwimmbad vorerst noch nicht realisiert wurde.Das Design des Gebäudes liest sich beim ersten Anblick als pures Formenspiel, entpuppt sich aber bei genauerer Analyse schlicht als das konsequente Ergebnis der Integration der lokalen Gegebenheiten und Vorschriften.

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