Grätzelzellen als KunstSwiss Tech Convention Center, Lausanne/CH
Das Swiss Tech Convention Center (STCC) ist Teil einer Campuserweiterung der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) zu dem neben dem Kongresszentrum auch ein Studentenwohnkomplex mit Restaurants,
Geschäftszonen und ein Hotel gehören. Das Ensemble am nordöstlichen Ende des Campus wurde von Richter Dahl Rocha & Associés aus Lausanne entworfen.
Das insgesamt 3000 Personen fassende Kongressgebäude ist das Hauptgebäude der gesamten Anlage und liegt verkehrstechnisch ausgezeichnet angebunden an der nördlichen Haltestelle der oberirdischen Metrolinie, die den gesamten Universitätscampus ins öffentliche Verkehrsnetz integriert.
RDR schlugen in ihrem Bebauungsplan eine Organisation der Gebäude und Funktionen vor, bei der man direkt von der Metrohaltestelle über eine erhöhte Plattform an den Studentenwohnungen und der Geschäftsinfrastruktur vorbei zum Haupteingang des Kongresszentrums gelangt. Dieses künstlich geschaffene Plateau liegt ein Geschoss über dem eigentlichen Terrain und unterteilt das Kongress-zentrum funktionell und visuell in einen Unterbau und einen Oberbau. Das Erdgeschoss des Gebäudes ist als ein Volumen mit einem flexiblen und offenen Grundriss gestaltet und wird über die durchlaufende raumhohe Glasfassade an der Südseite belichtet.
Das in seinem Grundriss symmetrische Kongressgebäude besitzt eine klare Nord-Süd Ausrichtung. Es besticht durch die südliche, zum Studentenwohnheim gedrehte Glasfassade des lichtdurchfluteten
Foyers, das sich visuell zum neu gestalteten Vorplatz und damit zum Campus hin öffnet. Diese, auch an der West- und Ostseite großzügig verglaste Box, wird von einer rund 40 m auskragenden Kappe überdacht und vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt. Im nördlichen Bereich verjüngt sich das Gebäude und passt sich somit den räumlichen Anforderungen des dortigen Kongressaales an.
Konstruktion
Unter dem hohen, gefalteten und von Aluminiumschindeln bedeckten Dach versteckt sich neben dem Balkon des Kongresssaales das Fachwerk der gesamten Dachtragkonstruktion. Dieses liegt konstruktiv auf vier Säulen auf, die durch die vier vertikalen, leicht schräg gestellten Erschließungen gebildet werden: zwei davon befinden sich im Bereich des Foyers und dienen der schnellen Evakuierung der Kongressteilnehmer vom Balkon. Die beiden anderen, kleineren Treppenhäuser liegen auf der Nordseite, links und rechts der Bühne, und sind dem Personal und den Organisatoren vorbehalten. Zwischen den
foyerseitigen Treppenhäusern spannt sich als massiver und geschlossener, geschosshoher Balken die Unterkonstruktion des Balkons, in der die Regie, die Technikräume für den großen Saal und zusätzliche Toilettenanlagen untergebracht wurden.
Flexibilität und Funktionalität
Der Entwurf des Gebäudes überzeugt durch seine Funktionalität und seine große Flexibilität im Gebrauch. Durch diese ist eine Vielzahl verschiedener Saalanordnungen und Saalgrößen möglich. Das Kongresszentrum besteht aus fünf verschiedenen Räumen, die mit Hilfe von gut durchdachten Systemen von Trennwänden in mehreren Konfigurationen zusammengeschaltet oder getrennt benutzt werden können.
Foyer
Das Zentrum und damit das Herzstück bildet das Foyer. Richter Dahl Rocha wollten durch die raumhohen Glasfassaden eine maximale Transparenz und eine direkte Beziehung zum benachbarten Studentenwohnheim und dem Universitätscampus herstellen.
Durch das Öffnen der Faltwände an der Nordseite des Foyers kann eine direkte Verbindung zum großen Saal geschaffen werden, wodurch sich letzterer – bei abgesenkten Podesten – barrierefrei bis ins Foyer verlängern lässt. In seiner größten Konfiguration kann der Kongressraum ähnlich einem Konzertsaal mit einer Tribüne eingerichtet werden um seine Kapazität zu erhöhen; man kann den Raum im hinteren Bereich des Saales, zum Foyer hin, durch das Absenken der Trennwand in den Boden erweitern.
Farbliche Grätzelzellen
Die Architekten wollten schon von Anfang an einen Teil der Foyer-
verglasung als Kunst am Bau in Farbe ausführen. Diese ursprüngliche Intention führte zu der Idee, anstatt gefärbten Glases die von dem an der EPFL tätigen Professor Michael Grätzel entwickelten und nach ihm benannten Grätzel-Zellen zu verwenden. RDR bat die Schweizer Künstlerin Catherine Bolle, mit der die Architekten schon bei früheren Bauwerken zusammen gearbeitet hatten, bereits im Dezember 2010, ein dementsprechendes Konzept zu entwickeln.
Der von Catherine Bolle vorgestellte und realisierte künsterische Entwurf besteht aus einem dreiteiligen Farbkonzept für das gesamte Ensemble: zum Ersten aus dem Chromoscope entlang der Innenhoffassaden des Studentenwohnheimes mit den individuell gestalteten, handbemalten Faserzementplatten; zum Zweiten aus einer Farbkomposition mit Folien, die auf die Glasfenster der Gänge geklebt wurden und diese in unterschiedliche Lichtnuancen tauchen; zum Dritten aus den Farbstoffsolarzellen an der Westfassade des Kongressfoyers.
Das gesamte Foyer ist zurückhaltend gestaltet, sowohl was die Formensprache als auch die Material- und Farbverwendung anbelangt. Die eloxierten Aluminiumverkleidungen der Faltwände, der Rolltreppenverkleidungen, aber vor allem der Decke, ebenso wie der zum Einsatz gekommene Stein des Bodens tauchen das Foyer in einen neutralen Grauton. Die rechteckigen, perforierten, akustischen Aluminiumplatten an der Decke ziehen sich bis in den Außenraum unter das weitauskragende Vordach durch.
Wie schon auf den ersten Skizzen von Catherine Bolle zu sehen ist, war die Intention der Architekten und der Künstlerin von Beginn an, dem Raum durch die vor der Westfassade montierten GrätzelZellen seine Farbigkeit zu verleihen.
Die ausschließliche Montage der Zellen vor der Westfassade – sie fungieren gleichzeitig als Sonnenschutzlamellen – argumentiert sich nicht nur durch den höchsten Wirkungsgrad, sondern auch durch die Nutzung des Kongresszentrums am Nachmittag und Abend, wodurch die Farbenspiele von den Gästen am besten beobachtet werden können.
Grätzel-Zellen
Die Anzahl und Größe der am STCC zur Anwendung gekommenen Zellen ist weltweit einzigartig. Dementsprechend mangelte es zu Beginn der Planung an essentiellen Erfahrungswerten, was die Größe, die Anwendbarkeit, die Farbmischung und den Wirkungsgrad der Zellen anbelangt. Um die Machbarkeit des Projekts zu prüfen, kontaktierten RDR im Vorfeld der Ausschreibung Solaronix, eine in Aubonne, unweit von Lausanne niedergelassene Firma, die ein Patent zur Herstellung und Weiterentwicklung der Grätzel-Zellen von der EPFL gekauft hatte und die letztlich auch den Zuschlag für das Projekt erhielt. Der Bau der Grätzel-Zellen Paneele wurde schließlich nur durch die darauffolgende, etwa 1,5 Jahre dauernde, intensive und auf Eigen-
initiativen aufgebaute Forschungsarbeit von Solaronix möglich,
in der es darum ging, das richtige Zusammenspiel der unterschiedlichen Materialien und Chemikalien zu finden, um eine stabile,
photochemische Kombination der Stoffe für eine optimale Leitfähigkeit zu schaffen. Diese kostspieligen Untersuchungen gelangen nur durch die finanzielle Unterstützung des Energiebetreibers Romande Energie, der im Gegenzug die Einspeisung der produzierten Elektrizität in das von ihnen betriebene Netz forderte.
Entwicklung der Farbtöne
Nach einer Vielzahl von Farbtests und der Beurteilung nach verschiedenen Gesichtspunkten kamen letztlich fünf Farbtöne zur Anwendung: hellrot, dunkelrot, hellgrün, dunkelgrün und orange. Je nach der Menge der den Farben beigemengten, gelblichen Elektrolyte werden die Farbtöne wärmer oder kälter. Verschiedene Blau- und Türkistöne, die am Beginn noch zur Diskussion standen, wurden aufgrund ihres geringen Wirkungsgrades eliminiert. Unklar und risikoreich blieb bis zum Ende, welche tatsächliche Farbintensität und Wirkung das durch die Paneele gefilterte Licht haben würde.
Die Aluminiumrahmen der Paneele sind ca. 2110 x 410 mm groß. Damit gelang es, in jedem Paneel vier Zellen von etwa 500 x 350 mm unterzubringen. Die Größe der Zellen wurde durch die Kapazität der Solaronix zur Verfügung stehenden Maschinen begrenzt. Die Architekten passten dementsprechend die Maße der Glasfassaden an.
Solaronix entwickelte auch die gesamte Software für die Kontrolle der Zellen, die allerdings aufgrund eines inkompatiblen Wechselrichters bis heute noch nicht zum Einsatz kam. Durch das Fehlen dieses Wechselrichters konnte der durch die Farbstoffzellen produzierte Strom bisher noch nicht direkt ins Netz eingeleitet werden, sondern wurde in Batterien zwischengespeichert.
Zukunft Grätzel-Zellen
Der Wirkungsgrad der Grätzel-Zellen könnte laut Toby Meyer (einer der Gründer von Solaronix) durch die Verwendung eines dunkleren, backsteinfarbenen Rots gesteigert werden. Außerdem könnte ihre
Effizienz durch die Anbringung vieler schmaler Farbstreifen erhöht werden. Dennoch schätzt Toby Meyer den maximal möglichen Wirkungsgrad von lichtdurchlässigen Grätzel-Zellen nach dem heutigen Stand der Technik und der Produktionsmöglichkeiten nicht höher als 7% ein. Seiner Meinung nach liegt die Zukunft der alternativen Energieproduktion durch die Sonnenenergie eher in der Weiterentwicklung der Perowskit-Solarzellen, die, wie Forscher hoffen, in Zukunft schnell und billig auf Stahl, Glas, Plastik und andere Oberflächen aufgedruckt werden könnten. Die direkte Integration der Grätzel-Zellen oder der Perowskit Solarzellen in Isolierglas hält Toby Meyer aufgrund der Erhitzung der Glasplatten und der damit verbundenen Bruchgefahr für zu risikoreich und nicht sinnvoll. Catherine Bolle denkt ebenso wie Toby Meyer, dass durch eine große industrielle Fertigung der Preis der Grätzel-Zellen grundsätzlich gesenkt werden könnte, und versucht diese Technologie auch in dieser Richtung voranzutreiben. Momentan experimentiert die Künstlerin mit dem möglichen Farbenreichtum der Farbstoffzellen für verschiedene künstlerische Installationen, bei denen es primär allerdings nicht um den Wirkungsgrad, sondern um den plastischen Effekt der Objekte geht.
Energiekonzept
Die Grätzel-Zellen sind Bestandteil eines integralen und vielschichtigen Energiekonzepts aus alternativen Energieressourcen, die das STCC heizen oder kühlen.
Zur Erwärmung und Kühlung der EPFL wird das tem-
perierte und über Wärmepumpen weiter erwärmte Wasser des Genfer Sees verwendet. Das STCC wurde in dieses System integriert, indem rund 40 % des von der EPFL
bereits verbrauchten und vorgewärmten Wassers zum neuen Gebäude weitergeleitet wird und dort ebenfalls durch Wärmepumpen auf die gewünschten Temperaturen erhitzt oder gekühlt wird. Am Ende dieses Kreislaufs wird das Wasser über den nahegelegenen Fluss Sorge wieder dem Genfer See zugeführt.
Als Energiequelle dient aber auch die geothermische Nutzung des Untergrundes durch vier Energiepfähle, die im Zuge der Pfahlgründung des Gebäudes im sehr schlechten Baugrund integriert wurden. Bereits jetzt wird das gesamte Warmwasser für die Benutzung der Toilettenanlagen über die auf dem Dach der Studentenwohnungen installierten Solarzellen bzw. über eine Wärmerückgewinnungsanlage der erwärmten Raumluft produziert. Im Frühsommer dieses Jahres werden noch zusätzliche Solarzellen auf dem Dach des STCC montiert. Die ästhetische und anschlusstechnische Integration dieser Zellen wurde bereits bei der Planung und dem Bau des Gebäudes vorgesehen.
Neben all diesen technischen Installationen versuchten die Architekten aber vor allem durch die Orientierung des Gebäudes und die großflächigen Glasfassaden die Benutzung von Kunstlicht so weit als möglich zu reduzieren. Nicht zuletzt war ihnen die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel, die leichte Erreichbarkeit zu Fuß und die Planung von Fahrradabstellplätzen ein wichtiges Anliegen, um damit die Parkplätze auf ein Minimum reduzieren zu können. Michael Koller, Den Haag