Grüne VerwandlungEindachhof, Wenden
Im Nordschwarzwald ist ein solider Eindachhof in ein nachhaltiges Wohnhaus verwandelt worden. Der Umbau transformiert die traditionelle Bausubstanz, materiell angemessen, mit wenigen, beherzten Eingriffen in eine sinnhafte Moderne.
Als der Architekt Nils Krause sich nach einem neuen Heim umsieht, war Bedingung gewesen, dass es naturnah am Ortsrand liegen solle. Schließlich fand er im Nordschwarzwald am Rand von Wenden, eine gute Stunde von Stuttgart entfernt, einen dreigeschossigen Eindachhof von 1925: 1945 abgebrannt und wieder aufgebaut, mehrfach erweitert, auf einem Hektar Grund. Das Besondere: Bei einem Eindachhof sind die Wohnfläche, der gemauerte Stall und die Scheune untrennbar miteinander verbunden. Im Erdgeschoss befand sich ein kleiner Kuhstall für sechs Tiere. Acht Jahre hatte der Hof leer gestanden, davor war er nur noch im Erdgeschoss bewohnt gewesen. Dafür war er noch gut erhalten – die Fachwerkkonstruktion war in gutem Zustand, eine intakte Balkenlage und die Ausrichtung des Dachs nach Süden optimal. „Die Achtung, die die Leute selbst vor ihrem Haus hatten und die Würde, mit der sie es gehalten hatten, war unmittelbar präsent, dass ich Lust hatte, etwas daraus zu machen“, erinnert sich Nils Krause, Bauherr und Büroinhaber von hammeskrause architekten. „Das Haus ist schlicht und funktional mit einem einfachen Grundriss, mit dem man viel anfangen kann! Das Gebäude ist ehrwürdig und extrem unschuldig.“ Die anderen Bewerber um dieses Grundstück wollten es abreißen und neu bauen. „Das hat mich nicht interessiert“, betont er. „Ab einer gewissen Sinnhaftigkeit eines Gebäudes kann ich aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit dieses Gebäude auch weiterentwickeln.“
Öffnung zur Landschaft
Früher fuhr der Bauer mit seinen Gefährten am Wohnhaus vorbei Richtung Scheune. Um mehr privaten Außenraum zu schaffen, wurde die Erschließung umgedreht. Anstatt der geteerten Zufahrt liegt jetzt vor dem Haus ein grüner Garten. Heute fährt man zwischen Wirtschaftsgebäude und Scheune an einer schmalen Stelle in den sich öffnenden Hof, der sich zu dem so genannten „Kulturgarten“ weitet. Begrenzt wird dieser durch alte, Schatten spendende Bäume. „Das ist eine große Bereicherung“, freut sich der Architekt. Er plante den kleinräumlichen Vierfeld-Grundriss in einen großzügigen Zweiraum-Grundriss um und öffnete das Haus, das bisher nur die notwendigen Fenster hatte, über drei neue große Fenster zur Landschaft. Die Dachgaube baute er zurück. „Mir ging es um die Reduktion, zurück in einen schlichten und einfachen Baukörper“, begründet er die Vereinfachung. Die meisten anderen Fenster beließ er an ihrer Stelle und verlängerte sie bis zum Boden. Vom Essplatz im Norden geht der Blick nun über die Landschaft bis zum Waldrand. Ebenso von der Bibliothek im Geschoss darüber. Das ist energetisch nicht optimal, aber hebt die Aufenthaltsqualität. Das Wohnzimmer öffnet sich über ein großes Fenster nach Süden. Die schlanken Holzrahmen der Fenster sind mit einer 3-Scheiben-Isolierverglasung verglast und durch Aluminiumprofile geschützt. Sie liegen in der neuen Dämmebene, so dass die alten Konstruktionshölzer innen die neuen Leibungen bilden, was dem Haus Atmosphäre verleiht. Der Zimmermann hat für seine sichtbaren Arbeiten nur zurückgebaute Hölzer verwendet. „Ich habe immer versucht, die Materialien, die das Haus gegeben hat, wieder einzubauen“, betont der Bauherr und Architekt.
Reich detailliert
Architektonisch klare Einbauten strukturieren den Raum und sorgen für Ordnung. Etwa die als Möbel eingestellte Küche aus reich gemasertem Birnbaum oder der helle Schrankkubus in der neuen großzügigen Diele. Die nach innen springende Dämmung des Sandsteinsockels wird für Sitzflächen und ein großzügiges Regal genutzt. Auch sonst gibt es einige sorgfältig entwickelte Details, wie das schlichte Treppengeländer, die Absturzsicherung vor den Fenstern und die Halterung für leicht zu öffnende Vorhänge. Glücklicherweise hatte das Haus schon relativ hohe Decken. Um das weiter zu verstärken, wird auf eine Trittschalldämmung verzichtet. Nur Vollholzdielen von 8 cm Dicke liegen auf den Deckenbalken und vergrößern so die Raumhöhe. Über dem Wohnbereich öffnet sich die Decke ganz bis in den nächsten Stock. So dringt das Südlicht auch im Winter weit in den Raum. Ein weiteres Element, das die Geschosse verbindet, ist die skulpturale Faltwerktreppe. Ihre schrägen Setzstufen und die Trittstufen bilden ein dynamisches Band. Bis zum ersten Podest befindet sich unter ihm integrierter Stauraum für die Küche.
Kontrast
Der Architekt setzt bewusst auf den Kontrast zwischen alt und neu und wählt für Fenster und Türen im erhaltenen rauen, roten Sandstein einen glatten, fast neongrünen Lack. Auch die hinterlüftete Fassade des Obergeschosses gestaltet der Architekt modern mit einem geschosshohen Band aus Fenstern und Faserzementplatten im Wechsel. Die übrige Fassade besteht aus einer Lärchen-Leistenschalung. „Ich fand das Haus so machtvoll, wie es an der Straße stand, dass ich eine Gliederung wollte“, begründet Krause diesen Eingriff. Das Band allerdings ist ebenso wie die Stütze beim Essplatz noch nicht ganz fertig. Hier will er noch weiter gestalten. Die inneren Wände verkleidet er überwiegend mit Gipsfaserplatten, nur die Wand zum Stall mit ihrem roten Sandsteinportal belässt er.
Nachhaltig
Das Gebäude erfüllt die Anforderungen eines KfW-85 Effizienzhauses. Sein modernes Energiesystem vernetzt PV/Thermie-Kombimodule, PV-Module (9,36 kWp ) und eine Luft-Solar-Wärmepumpe. Diese nutzt bis ca. 0 °C die PV-Kombimodule als Wärmequelle, bei niedrigeren Temperaturen Außenluft. Ein 2 000 l Pufferspeicher hält die Wärme für Brauchwasser und Heizung geschichtet vor. Der Jahresenergiebedarf des Gebäudes wird durch das intelligent geregelte Zusammenspiel der einzelnen Komponenten mehr als gedeckt. Das Regenwasser des Hauptdachs wird in einer Zisterne in der alten Güllegrube gesammelt und für Toiletten, Stall sowie Garten genutzt. Der Hof wurde zur Hälfte entsiegelt. Verbundmaterialien wurden nicht verbaut. Ein sortenreiner Rückbau ist also möglich.
Materialien und Bauteile
„Das Haus ist ortgetrieben, weniger von den Materialien bestimmt“, erläutert der Planer. Dennoch sind auch die Materialien weitgehend nachhaltig. Die Terrasse etwa besteht aus zurückgebauten Steinen. Das Holz der Einbauten beließ er roh. Es ist nicht einmal geölt. Da werden später Gebrauchsspuren zu sehen sein, die er bewusst in Kauf nimmt. Die Wände sind mit Kalk- oder Silikatfarbe gestrichen.
Architekt Krause zeigt die alten Materialien nur an ausgesuchten Stellen und lässt viel hinter Gipsfaserplatten verschwinden. Auch die Mineralfaserdämmung in der Fassade und unter dem Dach könnte nachhaltiger sein. Ihr Primärenergieaufwand ist höher als der vieler erneuerbarer Dämmstoffe. Auch ihre spezifische Wärmespeicherkapazität ist gering. So ist der sommerliche Wärmeschutz der bis unter das Dach offenen Räume nicht optimal. Aber eigentlich sind solche Fragen akademisch. Nachhaltigkeit ist hier beim Eindachhof in Wenden weniger ein Abarbeiten von Vorschriften, als das Schaffen eines würdigen Ortes, den seine Nutzer zu schätzen wissen. Das Wohngebäude liefert einen guten Beitrag, wie eine historische Konstruktion verwandelt werden kann. Nils Krause integriert die alten Bauteile in ein zeitgemäßes Gebäude, würdigt die bei der Erbauung klug getroffenen Entscheidungen zu seiner Lage und Ausrichtung und belebt den ungenutzten Ort neu. Achim Pilz, Stuttgart