HCL – Human Centric Lighting

In letzter Zeit hat sich im Marketing vieler Leuchtenhersteller der Begriff „HCL − 
Human Centric Lighting“ gerade in Verbindung mit LED-Leuchten manifestiert. So gibt es die „Standard-Lichtplanung“ und die „HCL-Lichtplanung“. Doch was genau hat es damit auf sich?

Zunächst einmal bedeutet „Human Centric Lighting“ wörtlich genommen, dass der Mensch im Mittelpunkt der Lichtplanung steht. Dies entspricht dem Leitsatz „form follows function“, der im Bereich der Architektur durch Louis Sullivan geprägt wurde. Die Gestalt und Formgebung von Architektur, aber auch von Alltagsgegenständen, ist niemals Selbstzweck, sondern leitet sich aus der Funktion ab. Diese Denkweise sollte selbstverständlich generell für jede Lichtplanung gelten – so versucht man ja mit einer Lichtplanung zu erreichen, dass der Mensch einer visuellen Tätigkeit am Arbeitsplatz ohne Probleme nachgehen kann, dass er sich in seiner Umgebung wohlfühlt, dass er sich leichter orientieren kann, dass Angstzonen ver-
mieden werden usw.

HCL bedeutet jedoch noch mehr. Im Zusammenhang mit der Lichtplanung bedeutet HCL, dass die Kunstlichtplanung die circadiane Rhythmik des Menschen unterstützen soll: eine Lichtplanung also, welche der Gesundheit und dem Wohlbefinden des Menschen förderlich ist. Eigentlich müsste es daher genauer heißen: „Human Health Centric Artificial Lighting“. Viele Leuchtenhersteller haben erkannt, wie wichtig das Thema Gesundheit für die Branche ist. Im Jahr 2015 wurden allein in Deutschland insgesamt
344 Mrd. € für Gesundheit ausgegeben. (Quelle: Statistisches Bundesamt). Das Gesundheitswesen in Deutschland war schon im Jahre 2013 laut Robert Koch Institut mit 11,2 % des Bruttoinlandprodukts einer der umsatzstärksten Wirtschaftsbereiche. Es gibt viele Indikatoren, die darauf hinweisen, dass das Thema Gesundheit – insbesondere die Prävention – von großem Interesse für private Haushalte, aber auch Arbeitgeber ist.

Wie funktioniert HCL?

Die Netzhaut des menschlichen Auges enthält neben den Zapfen und Stäbchen, die maßgeblich der visuellen Wahrnehmung dienen, auch sog. intrinsische, photosensitive retinale Ganglienzellen (ipRGC). 2007 hat man herausgefunden, dass diese Zellen Melanopsin enthalten, somit lichtsensitiv sind. Das Empfindlichkeitsmaximum für die melanopische Lichtwirkung liegt bei einer Wellenlänge von 490 nm (blau). Das bedeutet, dass Melanopsin bei dieser Wellenlänge besonders gut angeregt wird. Diese Anregung hat wiederum zur Folge, dass unmittelbar eine Unterdrückung (Suppression) der Ausschüttung des Hormons Melatonin in der Zirbeldrüse stattfindet. Das Hormon Melatonin spielt im circadianen Rhythmus des Menschen eine große Rolle. Insbesondere am Abend, wenn man müde wird, enthält unser Blut eine hohe Melatoninkonzentration. Melatonin wird während des Schlafs abgebaut, so dass der Melatoninspiegel am Morgen wesentlich geringer ist. Zur Melatoninsuppression trägt aber auch das Tageslicht (insbesondere in den Morgenstunden) mit seinem hohen Blauanteil bei.

„Human Centric Lighting“ zielt nun darauf ab, mit verschiedenen Farbtemperaturen und teilweise auch Beleuchtungsstärken eine Art „Tageslichtverlauf“ nachzustellen, um dem Menschen, der meist ohnehin unter chroni-schem Tageslichtmangel leidet, eine Art Ausgleich zu bieten. Häufig geht es hier in erster Linie um die Aktivierung des Menschen, d. h. um die Melatoninsuppression mittels neutral- oder kaltweißer Lichtfarbe. Realisiert wird dies mit Leuchten, die unterschiedliche Farbtemperaturen enthalten, welche separat voneinander regelbar sind, häufig „tuneable white“ genannt. Meist ist bei diesen Produkten eine entsprechende Steuerung hinterlegt, so dass sich Lichtfarbe und Beleuchtungsstärke entsprechend des Tageslicht-

verlaufs automatisch anpassen.

Grundsätzlich handelt es sich bei HCL nicht um eine Lichtplanung, die nur mit LEDs realisiert werden kann. HCL gab es auch schon vor zehn Jahren mit Leuchtstofflampen. LEDs bieten hier allerdings viele Vorteile, da sie in verschiedenen Farbtemperaturen verfügbar sind, die sich aufgrund des meist sehr kompakten Bauraums gut nebeneinander in Leuchten integrieren lassen.

Im Ansatz richtig, in der Umsetzung teilweise fragwürdig

Grundsätzlich ist der Ansatz, den HCL verfolgt, zu befürworten. Leider wird die HCL-Lichtplanung in der Praxis oft nur „halbherzig“ umgesetzt und das Ziel verfehlt. Die folgenden Punkte sollten bei einer circadian wirksamen Lichtplanung daher beachtet werden.

LEDs mit tageslichtähnlichem Spektrum?

Man darf nicht den Fehler machen und annehmen, dass LEDs „Tageslicht“ erzeugen könnten. Das Spektrum des Tageslichts ist
im Vergleich zum Spektrum von LEDs grundlegend verschieden – egal, um welche Farbtemperatur es sich handelt. Weiße LEDs
haben einen Peak im Spektrum bei einer Wellenlänge im Bereich von ca. 450 − 460 nm (blau). Da dieser Bereich sehr nah am Maximum für die melanopische Lichtwirkung von 490 nm liegt, sind sie generell gut geeignet, um das Melanopsin anzuregen. Dies betrifft warmweiße LEDs in gleicher Weise, auch wenn der Peak umso ausgeprägter ist, je
höher die Farbtemperatur ist.

Zudem fehlen im künstlichen LED-Spektrum im Vergleich zum Tageslicht die Anteile der UV- und Infrarotstrahlung. Für Lichtplaner sind dies oft unerwünschte Wellenlängen, weil sie mit einem Energieverlust gleichgesetzt werden und rein optisch keinen Effekt haben.

Aber ist diese Herangehensweise richtig, wenn wir bedenken, dass Menschen seit Jahrtausenden mit allen Teilen der unsichtbaren Wellenlängen des Tageslichts leben? Seit Jahrtausenden ist jede Zelle unseres Körpers für dieses Spektrum ausgelegt. Ist es richtig, diese Teile des Spektrums einfach zu ignorieren?

Wir wissen heutzutage beispielsweise, dass Infrarotstrahlung mit einer Wellenlänge von 600 – 1 000 nm einen heilenden Effekt auf die Retina haben kann. Zudem ist ultraviolette Strahlung im Bereich von 280 – 350 nm unabdinglich, damit der Mensch Vitamin D produzieren kann.

Zu geringe Beleuchtungsstärken

Außerdem darf man nicht vernachlässigen, dass an Arbeitsplätzen in Innenräumen nur ein Bruchteil derjenigen Beleuchtungsstärke herrscht, die im Außenraum vorkommt. Die Beleuchtungsstärke im Freien schwankt bei Tag von ca. 3 000 Lux an einem trüben Wintertag bis hin zu mehr als 100 000 Lux bei direktem Sonnenlicht. Ein Büroarbeitsplatz hingegen wird nach ASR A 3.4 und DIN EN 12464-1 mit gerade einmal 500 Lux beleuchtet. Höhere Beleuchtungsstärken tragen eher dazu bei, den Menschen zu aktivieren. Letztlich ist entscheidend, wie viel Beleuchtungsstärke tatsächlich auf der Netzhaut des menschlichen Auges ankommt. Selbst ein
Niveau, das bei trübem Tag im Außenraum herrscht, lässt sich aus energetischen Gründen im Innenraum allerdings häufig kaum realisieren. Dennoch sollte man die obligatorischen 500 Lux nur als absolute Mindestanforderung betrachten.

Großflächig arbeiten

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch, dass man bei der Beleuchtung größere Flächen im Gesichtsfeld des Menschen berücksichtigt. Circadiane Wirksamkeit kann
sicherlich nicht mit einer Leuchte punktuell realisiert werden. Dieser Planungsansatz findet seine Entsprechung im Außenraum, da das diffuse Himmelslicht ebenfalls einen großen Teil im Gesichtsfeld des Menschen einnimmt. Gerade wenn es um die Aktivierung durch neutral- oder kaltweiße Licht­farben mittels indirekter Beleuchtung geht, sollte dies beachtet werden.

Berücksichtigung der Lichtrichtung

Bei der Aktivierung spielt die großflächige Beleuchtung im oberen Halbraum (z. B. durch eine Indirektbeleuchtung) eine große Rolle, da sie biologisch wirksamer ist als im unteren Halbraum. Dieses Licht erreicht nämlich die untere Hälfte der Netzhaut, in der sich die meisten ipRGCs befinden. Dies ist mit dem diffusen, kaltweißen Himmelslicht im Freien vergleichbar (ähnlichste Farbtemperatur ca. 10 000 bis > 25 000 K).

Nach Sonnenuntergang sollte man allerdings die flächige kaltweiße Beleuchtung im oberen Halbraum vermeiden, sofern man den Menschen nicht bewusst aktivieren möchte. In diesem Fall sollte man warmweiße Beleuchtung verwenden. Allerdings ist auch hier die Lichtrichtung zu beachten. Eine warmweiße Indirektbeleuchtung mit einer ähnlichsten Farbtemperatur von 3 000 K wirkt unnatürlich und befremdlich, da sie in der Natur so – mit Ausnahme beim roten Sonnenuntergang – nicht vorkommt. Außerdem werden durch die Indirektbeleuchtung auch wieder größere Bereiche im unteren Halbraum der Retina angesprochen. Hier kann es vorteilhaft sein, Indirektbeleuchtung grundsätzlich zu vermeiden und mit warmweißer Akzentuierung zu arbeiten, die den oberen Halbraum ganz bewusst dunkel erscheinen lässt – ähnlich wie der dunkle Himmel im Außenraum. Generell sollte bei einer HCL-Lichtplanung immer ganzheitlich gedacht werden, um eine positive Wirkung in unsere Gebäude zu bringen.

Dabei sind zwei Komponenten zu beachten: direktes und indirektes Licht. Auch andere Lichtquellen, wie beispielsweise Monitore und Smartphones, müssen in der Lichtplanung berücksichtigt werden. Denn selbst ein Standardmonitor im Büro mit einer Leuchtdichte von ca. 300 cd/m² kann beim Betrachtungsabstand von ca. 70 cm bis zu 85 Lux am Auge erzeugen – selbst diese geringe Beleuchtungsstärke kann einen Einfluss auf den chronobiologischen Rhythmus des Menschen haben. Deswegen sollten Smartphones, Tablets oder Laptops nicht vor dem Zubettgehen genutzt werden. Grund dafür sind die kurzwelligen (blauen) Anteile im Lichtspektrum der Monitore. Um dies zu vermeiden, gibt es mittlerweile zahlreiche Apps und Programme, die diesen Blaupeak im Lichtspektrum des Monitors in den Abendstunden reduzieren (wie z. B. Apple „nightshift“ oder „f.lux“).

Dynamik berücksichtigen

Auch wenn in der Arbeitswelt in erster Linie die Aktivierung des Menschen durch künstliche Beleuchtung beabsichtigt ist, so sollte man auch zu bestimmten Tageszeiten versuchen, den Menschen zur Ruhe kommen zu lassen. Eine Aktivierung mit kaltweißer Beleuchtung zur falschen Zeit kann zu Schlafstörungen führen. Außerdem hat die permanente Aktivierung nichts mit dem natürlichen circadianen Rhythmus zu tun.

Um ein Beispiel zu nennen: Man übernachtet in einem Hotel und wacht in der Nacht auf. Betritt man das Bad, sind alle Lichtquellen meist auf die volle Beleuchtungsstärke eingestellt und sie erhellen den gesamten Raum. Kehrt man dann ins Bett zurück, fällt es oft schwer wieder einzuschlafen, weil der Körper durch die starke Beleuchtung bereits auf den Morgen eingestellt ist. Deswegen ist es wichtig, Dimmszenen für die Nacht zu definieren. Viele LED-Produkte haben die Einschränkung, dass sie nur bis zu einem Grad von 10 % zu dimmen sind – doch selbst das ist für diesen Anwendungsbereich noch zu viel. Selbst eine LED-Leuchte mit einer warmen Lichtfarbe (von z. B. 3 000 K) kann eine Aktivierung hervorrufen.

Die beste Lösung besteht darin, nachts im Wohnbereich mit extrem geringen Dimmniveaus zu arbeiten und eine Farbtemperatur von ≤ 2 000 K einzusetzen. Schließlich reicht ein geringes Beleuchtungsniveau zur Orientierung in dunkler Umgebung vollkommen aus. Diese Beleuchtungsniveaus könnte man dann als voreingestellte Szenen in Abhängigkeit von der Tageszeit abspeichern. Generell sollte als Vorbild immer  Tageslicht herangezogen werden, mit seiner permanenten Dynamik in Bezug auf Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur. Diese sollte man auch bei einer HCL-Lichtplanung versuchen zu berücksichtigen. Allerdings sollten sich die Wechsel niemals abrupt, sondern immer langsam und unmerklich vollziehen, wie in der Natur auch. Einige Ansätze zur biologisch wirksamen Beleuchtung bietet die DIN SPEC 67600: 2013-04 mit ihren Planungsempfehlungen. Dennoch sollte man das „echte“
Tageslicht nicht unterschätzen. Der Weg zur
Arbeit in der Morgensonne oder ein kleiner Spaziergang während der Mittagspause im Freien tragen zum Wohlbefinden des Menschen sicherlich mehr bei als die beste HCL-Beleuchtung am Arbeitsplatz. Denn: Auch die beste HCL-Lichtplanung ist kein „Ersatz“ für echtes Tageslicht.

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