„Hat der Baustoff Holz Zukunft?“Architekt Hermann Kaufmann zum Thema „Holz“
Für einen Architekten, der sich seit Kindheit an bedingt durch das Hineingeboren werden in eine „Holzfamilie“ mit Holz sowohl praktisch als auch theoretisch beschäftigt, ist es angebracht, die oben gestellte Frage mit der notwendigen Distanz zu beantworten, hinterfragt sie doch die bisherige Überzeugung, an einer für die Zukunft wichtigen Thematik zu arbeiten. Halten wir folgende Tatsachen einmal fest:
– Holz ist bei weitem der wichtigste nachwachsende Baustoff in unserer Region;
– es steht genügend Holz in Mitteleuropa zu Verfügung, um die Verwendung im Bauwesen um ein Vielfaches zu steigern, ohne dass wir unsere Wälder übernutzen;
– Mitteleuropa verfügt weltweit über das höchste Knowhow im modernen Holzbau gesichert durch intakte handwerkliche Strukturen;
– die Menschen finden Holz sympathisch und angenehm und nicht zuletzt schön, und
– zahlreiche Projekte belegen die vielfältigen Anwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des modernen Holzbaus, und international renommierte Kollegen beginnen, sich mit dem Baustoff zu beschäftigen.
Angesichts dieser Fakten scheint die Frage schon beantwortet zu sein und sich ein Trend hin zu einer rosigen Zukunft abzuzeichnen. Aber wie bei fast allen Themen gilt auch hier, dass ohne außerordentliche Bemühungen und professionelle Strategien alles beim Alten bleiben wird. Die Menschen werden weiterhin starkes Misstrauen in die Sicherheit, Dauerhaftigkeit sowie Eignung von Holz für komplexere Bauten als dem Einfamilienhaus hegen. Die am Bau Beteiligten werden sich nach wie vor durch erschreckendes Wissensdefizit auszeichnen, und die Bauherren, seien sie öffentlich oder privat, lassen sich weiterhin von diesen vom Holzbau abraten. Die Holzindustrie und die Holzbauunternehmen werden weiterhin ihre Hauptenergie in den Wettbewerb am Markt investieren und kurzzeitigen Gewinn der gemeinsamen „großen Sache“ vorziehen. Damit wird es auch nicht gelingen, abgestimmte Informationen und systematisiertes Wissen zur Verfügung zu stellen. Und die am Baustoff interessierten Architekten werden sich frustriert vom Informations- und Wissensdschungel abwenden. Aber auch die Behörden werden, verunsichert durch Informationsdefizite und undurchschaubare Regelungen, ihr meist angelerntes Sicherheitsdenken beibehalten. Und damit weiterhin ein verstärktes Eindringen des nachwachsenden Rohstoffes ins Bauwesen verhindern.
Zwei Dinge werden uns in den nächsten Jahren zunehmend beschäftigen. Zum einen die Rohstoffrage: Wo kommen unsere Baustoffe her, wo gehen sie hin und wie viel Energie wird für deren Bereitstellung und Entsorgung benötigt beziehungsweise welches Treibhauspotential haben sie? Und zum anderen: Wie schaut der zukünftige Bauprozess aus insbesondere bei Baumaßnahmen in verdichteten Regionen, wo es darum geht, möglichst störungsfrei zu bauen und geforderte Qualitäten zu liefern, die im herkömmlichen Baustellenfiasko kaum mehr zu gewährleiten sind? Diese zwei Aspekte, also der ökologische als auch der der optimalen Vorfertigungsmöglichkeiten, erscheinen mir als die entscheidenden Treiber für meine Hoffnung auf eine positive Zukunft des Holzbaues.
Die Moderne hat Stahl, Glas und Beton als die „modernen Materialien“ verwendet und großartige Architekturen damit geschaffen, Holz dabei weitgehend vergessen. Damit entstand ein fast unbearbeitetes Feld, nämlich die intensive Beschäftigung mit der Schönheit und des architektonischen Potentials eines Baustoffes, der vor unseren Haustüren wächst. Erst wenn dieser von den Architekten wiederentdeckt wird und diese seine Möglichkeiten erforschen, kann seine positive Zukunft beginnen. Ich glaube, dass dies der Fall sein wird.
Der Architekt
Univ. Prof. DI Hermann Kaufmann wurde 1955 in Reuthe, Bregenzerwald, Vorarlberg geboren als Sohn einer alten Zimmermannsfamilie; was seine Arbeit als Architekt wesentlich prägte. Er studierte an der TH Innsbruck und der TU Wien, wo er entscheidend von seinem Lehrer Prof. Ernst Hiesmayr geprägt wurde. 1983 gründete er ein eigenes Architekturbüro in Bürogemeinschaft mit Christian Lenz in Schwarzach.
Neben Hallen für Zimmereien und andere Gewerbe, deren Holztragwerke beispielsweise für Gemeindesäle architektonisch verfeinert wurden, entwickeln sich der Wohn- und Schulbau zu einer Hauptaufgabe. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten ist Hermann Kaufmann seit 2002 Professor am Institut für Bautechnik und Entwerfen an der TU München, Fachgebiet Holzbau.